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Aug 30, 2023 33 tweets 7 min read Read on X
Das #Wachstumschancengesetz ist nicht nur im Volumen zu gering um eine relevante Wirkung zu entfalten (0,2% des BIP). Es scheitert auch an einer falschen Problemanalyse. #Kindergrundsicherung bringt mehr Wachstum.🧵 1/29
Ich widerspreche hier unter Anderem auch @Lars_Feld, der einen Tag vor der ursprünglich geplanten Kabinettsbefassung in der @FAZ_Wirtschaft erklärte, warum die Änderungen von #SPD und #Gruenen falsch seien und der Entwurf des @BMF_Bund besser war. 2/29 faz.net/aktuell/wirtsc…
Das BMF hatte im ursprünglichen Entwurf den Großteil der Maßnahmen so angelegt, dass sie zwar die Liquidität der Unternehmen bzw. einiger Unternehmen erhöhen, aber im Kern nichts an der Profitabilität neuer Investitionen ändern. 3/29
Das trifft vor allem auf die Veränderungen bei der Verlustverrechnung zu, die mit 3.150 Millionen annähernd die Hälfte des gesamten Volumens des Gesetzes ausmachen sollten. Auf die Investitionsprämie sollten hingegen nur 390 Millionen entfallen. 4/29
Unternehmen investieren, wenn sie damit rechnen, dass sich eine Investition auszahlt. Reine Liquidität, die aber die Investition nicht profitabler macht hat diesen Effekt nicht. Dann muss es Unvollkommenheiten auf dem Kapitalmarkt geben, die aber natürlich existieren. 5/29
Unternehmen, die keinen Kredit bekommen sind sogar vom Cash Flow abhängig, aber das sind nur wenige. Bei anderen haben wir einen indirekten Effekt insofern als das mehr Eigenkapital dazu beiträgt ihre Kreditwürdigkeit zu erhöhen und die Kreditkosten zu senken. 6/29
Liquiditätsmaßnahmen können also insofern helfen als sie Finanzierungsprobleme der Unternehmen adressieren. Die empirische Frage ist also: Ist es der beschränkte Zugang zu Finanzmitteln, der die Unternehmen in ihren Investitionen derzeit deutlich einschränkt? 7/29
Hierzu gibt es Daten. Beispielsweise befragt die EZB Unternehmen in der Eurozone wie ihr Zugang zu Finanzierung aussieht. Fragt man die Unternehmen der Eurozone nach ihren Hauptproblemen ergibt sich folgendes Bild: 8/29 Image
Die EZB schreibt dazu: „Enterprises of all sizes reported that the lack of skilled labour and rising input costs were the major concerns for their business activity, while access to finance remained among the least-reported major concerns“ 9/29 ecb.europa.eu/stats/accessto…
Firmen, die auf Bankkredite angewiesen sind haben ebenfalls, und vor allem in Deutschland, keine größeren Probleme diese auch zu erhalten. Insgesamt enthält die Befragung noch viele andere interessante Details, aber es drängt sich insgesamt ein Eindruck auf: 10/29 Image
Die Finanzierungsbedingungen verschlechtern sich fast nur über die Finanzierungskosten (steigende Zinsen). Das lahmende Kreditwachstum ist daher nicht darauf zurückzuführen, dass Banken keine Kredite anbieten, sondern, dass Firmen weniger Kredite nachfragen. 11/29
Das ist der intendierte Effekt der Geldpolitik. Der höhere Zins sorgt dafür, dass der Gegenwartswert von Investitionen sinkt und daher weniger investiert wird. Es passt also voll zu der Priorität von #Lindner: Bekämpfung der Inflation statt Wachstum. 12/29 br.de/nachrichten/de…
Auch die Bilanzstatistik der deutschen Bundesbank spricht die gleiche Sprache, ist aber leider aktuell nur bis zum Jahr 2021 verfügbar. Es ist auffallend, dass die deutschen Unternehmen selbst in den Jahren der Pandemie ihre Liquiditätslage verbessern konnten. 13/29
Der Liquiditätsgrad stieg ebenso wie die Eigenmittel. Der Verschuldungsgrad ist gesunken. Die Innenfinanzierung überstieg die Bruttoinvestitionen und die Unternehmen bildeten sogar mehr und mehr Geldvermögen. 14/29 bundesbank.de/resource/blob/…
Die makroökonomischen Daten 2022 zeigen keine signifikante Verschlechterung. In den Sektorkonten der VGR weiterhin gute und stabile Gewinne und der Unternehmenssektor insgesamt hat einen positiven Finanzierungssaldo. 15/29
Normalerweise lernt man ja im VWL-Studium, dass Haushalte sparen und Unternehmen sich verschulden. In Deutschland sparen aber die Unternehmen im Aggregat (Deutschland hat insgesamt einen positiven Finanzierungssaldo = Exportüberschuss). 16/29
@gaborsteingart schrieb im Spiegel zur #Kindergrundsicherung : „Der deutsche Sozialstaat hat viele Probleme. Der Mangel an Geld gehört nicht dazu.“ Abgewandelt passt es besser: „Die deutsche Wirtschaft hat viele Probleme. Der Mangel an Geld gehört nicht dazu.“ 17/29
Auch die Stückgewinne sind in Deutschland in den letzten Jahren stärker gestiegen als die Lohnstückkosten. Ich möchte hier und jetzt nicht in die Debatte um #greedflation einsteigen, aber zumindest temporär scheint die Profitabilität zu steigen. 18/29 ecb.europa.eu/pub/economic-b…
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Feld kritisiert, dass die degressive Abschreibung nur einen Liquiditätseffekt darstelle. Das ist richtig, ist bei einer verbesserten #Verlustverrechnung aber genauso. Mit dem Unterschied, dass die Abschreibung eine #Investition voraussetzt, die Verlustverrechnung nicht. 19/29
Es ist also beides eine konjunkturpolitische Maßnahme, zumindest, wenn man das konjunkturell mit vorübergehend übersetzt. Die Abschreibung hat – weil nur für Investitionen und zeitlich befristet – eine deutlich bessere Chance auf einen gewissen Wachstumseffekt. 20/29
Es ist aber nicht Konjunkturpolitik, weil nicht kreditfinanziert (#Schuldenbremse). Die Steuersenkungen erfolgen zulasten anderer Staatsausgaben. Der Multiplikator von Steuersenkungen ist aber geringeer als bei Ausgaben. Empirisch z.B. hier: 21/29cepr.org/system/files/p…
Also Nettoeffekt = geringeres Wachstum. Ist die #FDP also dumm? Nein aus zwei Gründen nicht. 1. deutet Lars Feld ja an, was er eigentlich will: eine angebotsorientierte Steuerreform also echte #Steuersenkungen für Unternehmen. 22/29
Die Idee: das erhöht die Nachsteuerrendite von Investitionen und damit auch das Wachstum. Also #Angebotspolitik. Die Wachstumseffekte solcher Steuersenkungen sind empirisch bestenfalls gering oder gar nicht vorhanden. Siehe @heimberger: 23/29boeckler.de/pdf/v_2021_10_…
Wenn man aber dran glaubt, passt es auch zur Priorität auf Bekämpfung von Inflation. Der Nachfrageeffekt wäre negativ und der Angebotseffekt positiv. Kurz bis mittelfristig also Rückgang von Wachstum und Inflation, aber langfristig höheres Wachstum ohne Inflation. 24/29
Selbst die #FDP hatte aber gar keine solche #Steuersenkung vorgeschlagen. Also doch zweiter Grund: Inflationsbekämpfung statt #Wachstum, was übrigens eine legitime Position ist, wenn ehrlich geäußert. 25/29
Die Änderungen bei der #Forschungszulage und die #Investitionsprämie sind tatsächlich eher geeignet einen geringen aber positiven Effekt zu entfalten. Meine Bewertung zur Investitionsprämie findet sich hier: 26/29
Die strukturellen Probleme bestimmter Sektoren (Automobilindustrie, energieintensive Industrie) werden aber gar nicht adressiert. Das passt zur ordoliberalen Position, dass man nicht auf selektive Maßnahmen wie #Subventionen zurückgreifen sollte, weil marktverzerrend. 27/29
Der Plan von #Biden ist das exakte Gegenteil: Investitionszulagen/Steuergutschriften für ganz bestimmte Investitionen und kreditfinanziert, und gleichzeitig eine Erhöhung des Unternehmenssteuersatzes. Die Zahlen sprechen bislang für ihn. 28/29 Image
Wir sollten aber abwarten. Angebotspolitische Reformen brauchen bekanntlich Zeit, um zu wirken. Die Imaginären sogar besonders lange 😉Meine Meinung zur # Kindergrundsicherung findet ihr hier: 29/29
#Bidennomics #econtwitter #Habeck #Lindner #Scholz #Steuersenkungen #Wachstumschancengesetz #Meseberg @SDullien @MFratzscher @AchimTruger @BachmannRudi @MonikaSchnitzer @PhilippaSigl @fiscalfuture_de @lisapaus @kathabeck @Zeitschrift_WD @MakronomMagazin
@KeineWunder @pat_kaczmarczyk @MauriceHoefgen @OleUndWolfgang @vieuxrenard @philipbanse @KatjaRietzler @ClausMichelsen @chris_breu @TiloJung @schieritz @olk_julian @MartinGreive @HGoebel @CHulverscheidt @ale_notbeer @flodiek
@gaborsteingart Korrektur es war nicht Gabor Steingart sondern @NikolausBlome in diesem Artikel: Die Verwechslung tut mir sehr leid.spiegel.de/politik/deutsc…
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Sep 10
Seit der Energiekrise kursiert eine einfache Erzählung: „Die Energiewende hat teuren Strom gemacht → die Industrie ist deshalb schwach.“ Dieses Narrativ ist weit verbreitet — aber stimmt es? Ich habe Daten geprüft. 🧵👇#Industrie #Strompreis #Energiepolitik #Reiche 1/8
Erstes Ergebnis: Energieintensive Wirtschaftszweige entwickelten sich schon lange vor der Energiekrise schlecht. Ihre Produktion entwickelt sich schon seit ca. 2007 schlechter als bei der übrigen Industrie. Damals war Strom noch ganz überwiegend fossil. 2/8 Image
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Aug 24
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Seit ein paar Jahren gibt es die Option zur Körperschaftsteuer. Damit gibt es für viele Personenunternehmen die Wahl sich wie eine Kapitalgesellschaft besteuern zu lassen. Nachzulesen in § 1a Körperschaftsteuergesetz. 2/9
Für die Anderen gibt es schon lange § 34a Einkommensteuergesetz. Das sind bei Thesaurierung 28,25% plus Soli und damit ungefähr dass was eine Kapitalgesellschaft mit Körperschaftsteuer, Soli und Gewerbesteuer zahlt. Die kommt zwar bei Thesaurierungsoption noch dazu. 3/9
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May 30
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Das Ziel der #CDU scheint mir zu sein, dass man damit Wirtschaftswachstum schaffen will. Zumindest scheint mir das so, angesichts von Äußerungen von #Merz, dass sich mit Work-Life-Balance der Wohlstand nicht zu halten sei. 2/ ndr.de/nachrichten/me…
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Erstens, ist sie sogar falsch, weil sie den wahren #Spitzensteuersatz, die sogenannte #Reichensteuer ausblendet. Diese greift 2023 ab einem zu versteuernden Einkommen von 277.825 Euro. Das ist definitiv viel mehr als das 1,3-fache des Durchschnitts. 2/
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Mar 26
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Dass die #CDU von der Schuldenbremse aber fast nichts übrig lassen würde hat dann auch mich überrascht. Und es war natürlich nicht die #SPD, die das durchgesetzt hat. Es war von der #CDU schon seit Herbst vorbereitet. Siehe diese Recherche. 3/32
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