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Wissenschaftlicher Mitarbeiter @TUDarmstadt | Politische Philosophie & Ideengeschichte | Feuilletons für @FAZnet, @DIEZEIT und @SZ | Redakteur @theorieblog
Sep 8, 2023 4 tweets 1 min read
Der Bundesfinanzminister kennt Artikel 14 GG offenbar nur noch als ›Narrativ‹ und im Konjunktiv:

»In unserem Grundgesetz ist das Eigentum, wie Sie wissen, garantiert. Tatsächlich aber hat sich in unserem Gegenwartsdiskurs etwas anderes eingeprägt. Es ist nicht ... ... die Rückgabe oder die Übergabe des Grundeigentums an die Bauern [im 19. Jhdt.], die heute den politischen Diskurs prägt, sondern, umgekehrt, sprechen wir heute eher von dem Narrativ, dass Eigentum verpflichte.«
Aug 31, 2023 7 tweets 1 min read
Die Majorität der französischen und deutschen Liberalen führt 1848/49 vier Dammbruchargumente an, um die grundlegende Anerkennung sozialstaatlicher Prinzipien zu verweigern — allesamt ins Negative gewendete Varianten ihrer fortschrittlichen Geschichtsphilosophie:

… … 1) Rechtlich führt die Erlaubnis, dass der Staat in die bürgerliche Gesellschaft intervenieren darf, tendenziell dazu, dass er wieder zum Polizei- und Privilegienstaat wird

2) Ethisch bedeuten soziale Leistungsrechte, dass den unteren Klassen etwas zusteht, ohne dass sie …
Apr 18, 2023 5 tweets 1 min read
Es ist völlig sinnlos, nach dem ursächlichen Zusammenhang zwischen unserem noumenalen Vermögen und der phenomenalen Welt zu fragen. Denn entweder ist diese Theorie selber empirischer Art, dann hebt sie aber das Denken auf, das sie begründet; oder sie ist noumenaler Art, dann ... ... hebt sie die Welt der Erscheinungen als Gegenstand objektiver Erfahrung auf. Weil unser Verstand mit dieser Differenz zwischen Vernunft und Erfahrung aber schwerlich leben kann, sind wir immer wieder versucht, sie zu schließen und uns in jahrtausendealte Aporien zu stürzen.
Apr 17, 2023 6 tweets 1 min read
These: Dass das Eigentumsrecht immer wieder dasjenige ist, an dem sich Verfassungskämpfe entzünden, hat mit seiner Doppeleigenschaft zu tun: Es ist, erstens, materielle Bedingung fast aller anderen Grundrechte, und, zweitens, inhärent privilegienförmig. Damit ist gemeint, dass man ohne Eigentum viele seiner Freiheiten gar nicht verwirklichen kann — und dass jeder Eigentumsanspruch an sich schon die Mitbürger von der Nutzung des Gutes ausschließt. Andere Grundrechte tun das nicht. Meine Meinungsäußerung schließt deine nicht aus.
Apr 16, 2023 12 tweets 3 min read
Ich glaube meine neue Lieblingslektüre sind amgloamerikanische Konservative und Rechte, die konsistenterweise (!) ihr lang gehegtes Free-Enterprise-Dogma infragestellen. »Political freedom is often downstream from economic freedom. If a critical mass of households remains dependent on the vicissitudes of commercial society, they have little reason to defend a socio-political order characterized by small-r republican institutions«
Apr 16, 2023 5 tweets 1 min read
Ein Determinismus widerlegt sich als Behauptung immer über das Sollen, das er voraussetzen muss. Ein Sollen kann es in einer Reihe von Ursachen und Wirkungen nämlich niemals geben. »Daß diese Vernunft nun Kausalität habe, wenigstens wir uns eine dergleichen an ihr vorstellen, ist aus den Imperativen klar, welche wir in allem Praktischen den ausübenden Kräften als Regeln aufgeben. Das Sollen drückt eine Art von Notwendigkeit und Verknüpfung mit Gründen ...
Jan 4, 2023 5 tweets 1 min read
»Die Geschichtsphilosophie am Ende des 20. Jahrhunderts entwirft ein Bild von der Geschichte, das als dialektische Umkehrung der Geschichtsphilosophien des 19. Jahrhunderts zu verstehen ist. Stand dort die offene Zukunft, der Fortschritt der liberalen – oder sozialistischen – ... ... Gesellschaft einer im Stillstand befangenen Vergangenheit gegenüber, so steht nun eine Gegenwart, die Zukunft als Ressource ihrer eigenen Fortsetzung betrachtet, einer Zukunft gegenüber, die jene Fortsetzung fundamental bedroht und so einen radikal neuen Entwurf der ...
Apr 24, 2021 4 tweets 1 min read
Ulrike Guérot verlässt sich heute im @DLF vor vermutlich hunderttausend Zuhörern auf ihr »Gefühl«, das ihr sagt, dass es »keinen Raum mehr für legitime Kritik« an den Corona-Maßnahmen gibt. Es ist ein Elend. Auch so ein entlarvender Satz von Guérot:

»Aber was noch nicht passiert: die Maßnahmen-Kritik (...) - das darf man zwar alles sagen, das wird diskutiert, da bin ich bei Ihnen - spiegelt sich noch nicht in den Maßnahmen wider«
Apr 23, 2021 5 tweets 1 min read
Nein, #allesdichtmachen formuliert keine Position im demokratischen Ringen um legitimes Entscheiden. Die Pointe der Videos bestand gerade darin, die (mediale & politische) Unmöglichkeit von Kritik zu behaupten. Der einzige Ausweg, den die Aktion noch nahelegen kann: Widerstand. Dass die Initiatoren und Verteidiger sich im Nachhinein auf ihr Recht auf politische Mitbestimmung berufen, um abweichende Vorschläge zu unterbreiten, muss verwundern. War nicht die Klage über dessen Verlust Inhalt der Aktion?
Apr 16, 2021 4 tweets 1 min read
Heuristisch halte ich es mit dem erwähnten Kondylis: »›Konservative‹ sind jene Liberalen, die das sich unter den Bedingungen der industriellen Massengesellschaft (...) vollziehende Abgleiten (eines Flügels) des Liberalismus in Positionen der sozialen Demokratie ablehnen« Sie greifen, nach deren Untergang, auf den Ideenbestand der alten societas civilis zurück (›natürliche Ungleichheit‹), um bestehende Ungleichheiten des realen liberalen Systems gegen dessen ideale Selbstinterpretation (›Linksliberalismus‹ + Sozialdemokratie) zu verteidigen.
Apr 16, 2021 5 tweets 1 min read
Da diese Umfrage die Runde macht: Es gibt gute Gründe, sehr skeptisch zu sein. Vermutlich hat INSA am 15. April den 1007 Befragten eine Frage dieser Art gestellt: »Wen würden Sie wählen, wenn A/B Kanzlerkandidat von Partei X/Y wäre?«. Das erzeugt einen Priming-Bias. (1/5) Die Befragten werden durch die schlichte Erwähnung des Kandidatenkriteriums in der Formulierung des Interviewers dazu bewogen, der Personalfrage größeres Gewicht in ihrer Entscheidung beizumessen. Das könnte den ungewöhnlich großen Effekt erklären. (2/5)
Apr 15, 2021 6 tweets 2 min read
Adam Jentleson über den amerikanischen Teufelskreis: Die republikanische Minderheit spielt die republikanischen Sicherungsmechanismen gegen die demokratischen Elemente des pol. Systems aus. Ergebnis: Oligarchisierung und Demokratisierung gleichzeitig.
theatlantic.com/ideas/archive/… Image Mir fällt gerade auf, dass »republikanisch« und »demokratisch« im amerikanischen Kontext eine Doppelbedeutung haben. Deshalb zur Verdeutlichung: Das erste »republikanisch« meint die GOP, das zweite meint - ebenso wie »demokratisch« - die politiktheoretische Tradition.
Oct 6, 2020 9 tweets 2 min read
Dank @BehrHauke bin ich auf Habermas' Äußerungen zu Ritter in seinem ›philosophischem Diskurs der Moderne‹ gestoßen. Ich denke, die Fehlrezpetion ist wohlbekannt, aber es ist doch erstaunlich, wie viel man über ideologisch-verstellendes Lesen auf so wenig Platz lernen kann (1/) Habermas versteht Ritters Entzweiungsfigur als ›Trennung‹ der Moderne von ihrem ›Zeitbewußstsein‹. Das legt für ihn nun zwei Konsequenzen nahe. (1) die »technokratische Vorstellung [...] unbeeinflussbarer Sachzwänge«. Wieso, fragt man sich? Dass sich die moderne Gesellschaft
Aug 15, 2020 13 tweets 2 min read
Meine (vorläufige) Lektüreerfahrung zum neuesten Manow: Das Buch ist insgesamt recht interessant, reiht sich nicht ein in den gedankenlosen, moralisierenden ›Der-Untergang-der-Demokratie-droht‹-Diskurs, was erfrischend ist. ... So erkennt er im Aufstreben populistischer Parteien mehr als eine Gefahr. Er arbeitet die historische Öffnung der Filterungsstrukturen westlicher Demokratien heraus - die Destrukturierung von Parteien, das Kommunikationsregime des Internets, die Nivellierung von sozialen Codes..
Mar 18, 2020 12 tweets 6 min read
Wem die philosophische Debatte interessiert, die rund um Giorgio Agamben zur Corona-Pandemie ausgebrochen ist, kann hier die einzelnen Beiträge nachverfolgen: (1/X) Los ging es mit einem Agamben-Text auf @quodlibet_, indem er dem Coronavirus keine bedeutend höhere Gefährlichkeit als einer Grippe zuschreibt und die staatlichen Reaktionen als Ausdruck einer Normalisierung des Ausnahmezustands bezeichnet (journal-psychoanalysis.eu/coronavirus-an…)
Jul 5, 2019 14 tweets 3 min read
Ich finde es gut, dass aus Anlass der letzten #hartaberfair-Sendung kontrovers über politische Talkshows diskutiert wird. Ich versuche mit diesem Thread Aufmerksamkeit auf den problematischen Rahmen des Talkshowgeschehens zu richten, der Ausgaben wie diese hervorbringt. (1/14) Zuallererst: es ist schon merkwürdig, wie sich das Format bis heute entwickelt hat. Seine Ursprünge hat es im ›kontradiktorischen Gespräch‹ des Weimarer Radio - 1927 eine Insel des demokratischen Pluralismus - und im ›Gesprächsfernsehen‹ der Nachkriegszeit.