Hedwig Richter Profile picture
Historian. Loving old-fashioned theories. UniBw München. Currently Fellow at @wiko_berlin. * 330 ppm.
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Sep 24, 2022 19 tweets 8 min read
Russland lässt in den besetzten Gebieten Scheinreferenden durchführen. Was hat das zu bedeuten? Manipulierte Massenabstimmungen/-wahlen haben eine hochinteressante Geschichte, die darauf verweist, welche unterschiedlichen Funktionen Wahlen haben können.🧵
zeit.de/politik/auslan… Diese „Wirklichkeitsrituale“ (Foucault) werden aus Sicht liberaler Demokratien treffend als „Scheinwahlen“ bezeichnet, doch entwickeln sie innerhalb des Systems einen eigenen Sinn. Zentral: Die Bevölkerung zu mobilisieren und zu einem performativen Akt der Unterwerfung zu zwingen
Jul 3, 2022 5 tweets 4 min read
Äh, doch, die Zeiten sind besser geworden. Zumindest für Menschen, die keine weißen Männer sind. Lese grade einen „Stern“ von 1969 (Nr. 23, 8.6.69). Umfassend sexistisch und rassistisch. Hier einige Höhepunkte. ImageImageImage Darf nicht fehlen, der „frühreife Sprößling“, heißblütige „Orientalen“ (die Pferde mehr als Frauen lieben hehe). ImageImageImage
Sep 26, 2021 14 tweets 8 min read
Woher kommt eigentlich unsere Wahl-Technik mit Zettel, Urne, Kabine etc.?
Ihre Entwicklung war für die Demokratiegeschichte zentral, weil erst sie eine geheime (und damit gleiche u faire) Stimmabgabe ermöglicht hat.
Dazu heute ein Thread.
(Bundestagswahl 1949, Quelle: bpb) Jahrzehntelang waren moderne Wahlen (mit einem Anspruch auf Allgemeinheit) durch Bestechung, Alkohol (!), Gewalt, Repressionen geprägt gewesen.
Berüchtigt waren etwa die Gewalttätigkeit und florierende Korruption bei den Wahlen in England und in den USA
(USA 1844+1859;Engl 1836)
May 23, 2021 16 tweets 5 min read
Thread über das Grundgesetz <3
(das wesentlich dazu beigetragen hat, dass wir mit der Bundesrepublik das beste Deutschland haben, das es je gab) Der große, große Auftakt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“: ein deutliches Eingeständnis des Versagens & der Bereitschaft, aus der Vergangenheit des NS-Terror zu lernen.
Jan 1, 2021 31 tweets 17 min read
Heute vor 150 Jahren begann das Kaiserreich, der 1. deutsche Nationalstaat. Dazu ein kurzer Thread.
Auffällig ist die Diskrepanz zwischen der Forschung, die seit langem (30, 40 Jahre) ein differenzierteres & positiveres Bild zeichnet, u dem öffentlichen Diskurs.
(Wannsee ca.1910) Meine Kollegen hatten recht, als sie mir entsetzt vom verkürzten Blick des (sonst sehr geschätzten) Bundespräsidenten auf das Kaiserreich erzählt haben -in seiner Rede zum 3.10. Das ist nichts als Pickelhaubengeschichte & ignoriert alle Aufbrüche der Zeit.
bundespraesident.de/SharedDocs/Red…
Nov 3, 2020 15 tweets 6 min read
WAHLEN in AMERIKA!
Heute einige Tweets zu einem Phänomen, über das Europa schon immer gestaunt und sich gewundert hat.
Und zwar aus historischer Perspektive mit dem Schwerpunkt im 19. Jahrhundert. „County Elections“ von George C. Bingham (1852) ist wohl die bekannteste Darstellung. Es sieht alles ganz harmlos aus. Aber wer genau schaut, sieht die Verletzten, die Korruption, die „Wahlschlepperei“, den Alkohol - und bemerkt die Abwesenheit von Frauen und Afroamerikanern.
Nov 2, 2020 5 tweets 1 min read
Letzte Arbeiten an dem Vortrag heute Abend.
Historisches Wörterbuch d Philosophie, „Nation, Nationalismus“: „Der Begriff ist nur selten eindeutig und ausdrücklich definiert; seine Bedeutung ist häufig schillernd“.
Eine historisch angemessen komplexe Definition! Johann Georg Zimmermann,1783: „Nationalstolz“, das "Bewußtseyn des wahren Wertes seiner Nation“, sei „eine politische Tugend von grosser Wichtigkeit“, müsse aber immer zu "edlen Handlungen“ forciert werden, um nicht in feindselige Vorurteile gegenüber anderen Nationen abzugleiten
Jul 22, 2020 11 tweets 2 min read
Egal ob ob wir seine Verfechter oder Verächterinnen sind: Warum ist der Kapitalismus so unfassbar erfolgreich? Die Antwort ist natürlich zu schwierig für Twitter. Aber ein Blick auf die Zeit des Kaiserreichs, als er so richtig abhob, hilft vielleicht weiter. So wie die Plausibilisierung des Gleichheitsgedankens nicht ohne Nation möglich gewesen wäre (Dieter Langewiesche bezeichnet Nation als "Gleichheitsvehikel“), so hätte die Massenpolitisierung ohne den Kapitalismus und seine Auswirkungen kaum stattfinden können.
Jun 16, 2020 11 tweets 5 min read
Das moralische Entsetzen gegenüber der Geschichte erscheint mir für den Nationalsozialismus angemessen, ja gar nicht anders möglich. Er war der Bruch mit aller Menschlichkeit & Zivilisation. Aber als Historikerin diese Haltung auf den Rest der Geschichte auszudehnen?
1/x (Es geht in diesem Thread nicht darum, jemandem „Säuberungen“ u. ä. vorzuwerfen, denn die Diskussion um Straßennamen, Denkmäler etc. ist so wichtig. Es geht mir darum: Wie sinnvoll ist es, normative Fragen in der Geschichte grundsätzlich in den Vordergrund zu stellen.)
Apr 13, 2020 12 tweets 5 min read
Thread.
Weil es hier einige kluge Leute gibt, denen Quote & Gleichstellung merkwürdig erscheinen (HABEN WIR JETZT NIX BESSERES ZU TUN 😤), hier eine Erläuterung.
Anlass ist nicht zuletzt der viel diskutierte Artikel von @jana_hensel:
1/
zeit.de/gesellschaft/z…… via
@zeitonline 2/
Hauptargument gegen die Quote ist (soweit ich sehe), dass man a) objektiv über Qualität urteilen kann & daher b) Geschlecht keine Rolle spielen darf. Es ist die Annahme, dass wir unabhängig von allem - von Geschichte, Erfahrung, Strukturen etc. - denken.
Seriously?
Mar 23, 2020 9 tweets 3 min read
Aus welcher Zeit stammt eigentlich unser medizinisches System? Die Autorität der Medizinerinnen und Mediziner? Entscheidende wissenschaftliche Grundlagen?
Thread Wie so vieles, was unsere Welt prägt, stammt es aus dem Kaiserreich. Medizinische Berufe professionalisierten sich (Männer=Ärzte= Studium= absolute Autorität // Frauen= Schwestern/Hebammen etc.-> ohne Studium).
Jan 24, 2020 21 tweets 11 min read
Ich höre und lese immer wieder, in Deutschland gäbe es nur eine sehr geringfügige demokratische Tradition.
It is not so (und jeder Nazi hätte es besser wissen können).
(Thread) Die Behauptung der schwachen deutschen Demokratietradition wurde nach 1945 bes laut- wohl auch, um das eigene Versagen zu entschuldigen. 1 Bsp. dafür findet sich in dem Tondokument eines "Dialogs über den deutschen Wiederaufbau nach 1945" im RIAS 1947:
deutschlandfunkkultur.de/vor-70-jahren-…
Jan 4, 2020 14 tweets 4 min read
Warum sind #aufschrei oder #MeToo eine großartige Sache? Warum haben sie unserer liberalen Demokratie geholfen - und warum ist es (imho) wenig sinnvoll, sie als Verbotskultur schlecht zu machen?
(Thread) Zunächst: Demokratie ist ein bürgerliches Projekt ist, im Wesentlichen von Bürgern & einigen Bürgerinnen erdacht u mit dem Bürgertum seinen Aufstieg im 19. Jh nehmend. D.h. Demokratie lebt von Bildung, von Selbstbeschränkung/-kritik, vom Kommunikativen, vom SichZurücknehmenKönnen
Oct 17, 2019 24 tweets 5 min read
Ich habe grade die Gelegenheit, viel mit Frauen um die 80 zu reden. (Bei Kaffee, Rosenthal und stattlichen Sahnetorten.) Und es ist unglaublich, was die aus ihrem Leben erzählen.
Ein Thread. Die Lebensverläufe von Frauen aus unterbürgerlichen Schichten erscheinen mir besonders krass, aber auch bürgerliche Frauen hatten bemerkenswert wenig Chancen.
2/x
Sep 26, 2019 8 tweets 4 min read
Weil oft gesagt wird, Frauen seien in der männlichen Form selbstverständlich mitgemeint - schon immer. Historisch gesehen: Nein.
Hier einige Beispiele:
Die "Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen", gerne als "Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte" übersetzt: Für die Revolutionäre bestand 1789 kein Zweifel, dass mit Fraternité & Égalité allein Männer gemeint waren. Auch die Frauen wussten das. Olympe de Gouges lancierte daher 2 Jahre später die "Déclaration des Droits de la Femme et de la Citoyenne".
Faksimile:
gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt…
Sep 1, 2019 34 tweets 12 min read
Heute ein Thread über Wahlen im Sozialismus.
Allerdings: Das ist (natürlich) keine Aktualisierung. Thank God: Wir leben in einer liberalen Demokratie. Und trotzdem ist es interessant, sich die unterschiedlichen Funktionen von Wahlen zu verschiedenen Zeiten anzuschauen. Warum sind Wahlen in der DDR interessant, wenn doch ohnehin ein Ergebnis von knapp ca. 97 % herauskommen würde? Warum wurde gewählt? Kaum jemand war so verblendet und glaubte im Ernst daran, dass hier das Volk *wählte*. Eher wirkten Wahlen in dieser Hinsicht delegitimierend🧐
Aug 4, 2019 21 tweets 7 min read
Es gibt eine große #Holocaust-Forschung (lange fand sie kaum statt - Raul Hilberg gehörte zu den wenigen Ausnahmen! -, wurde dann etwa seit den 80ern u. 90ern intensiv aufgenommen).
Ich will hier einige (altbekannte) Befunde bringen, die wohl besonderer Aufmerksamkeit wert sind. Jedes 4. Opfer des Holocaust war ein Kind, 1,5 Millionen Kinder unter 14 Jahren. Viele Jüdinnen und Juden hofften, die Nazis würden die Kinder schonen, doch oft wurden sie zuerst ermordet.
Jun 22, 2019 26 tweets 12 min read
Der Pazifismus war 1914 eine Macht in Frankreich und in Deutschland. Der Krieg war nicht schlicht kollektiv herbeigesehnt.
Auf dem Weg zur Friedensdemo mit 100.000 Teilnehmenden im Treptower Park Berlin, 28. Juli 1914 Dazu gehört auch die Schrift „The Great Illusion“ des Briten Norman Angell (1910) mit der Botschaft, dass ein kommender Krieg allen schaden und unvorstellbare Verheerungen anrichten werde. Das Buch wurde innerhalb 1 Jahres in 15 Sprachen übersetzt und fand weltweit Anerkennung.
Mar 24, 2019 68 tweets 23 min read
Habe ein Angebot bekommen: Kreuzfahrt von Hongkong bis Singapur gegen zwei Vorträge - und weitgehend ohne Internet. 😱😱
Bis April werde ich Länder bereisen, von denen ich vermutlich nix begreife. 😱
('Relax' said the night man,
'We are programmed to receive‘.) Image Also, Hongkong ist ziemlich irrsinnig. Die Reiseführerin aus Hongkong erzählt von Immobilienpreisen und größtem Containerhafen der Welt und größten Malls und dass hier die „Kreditkarte glüht“. Nix von Geschichte (oder Demokratie)

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Dec 27, 2018 19 tweets 6 min read
Großer Fund! Artikel in der "Illustrirten Zeitung", 9. Sept. 1843: "Die Armuth und der Communismus". Armut wird nicht länger den Betroffenen als Schuld angerechnet. Die Illustrationen wecken das Mitleid der bürgerlichen Leserinnen und Leser. Holzstich von armer Familie mit fünf Kindern, zerschlissener Kleidung, Vater trinkt. Dass das Bürgertum im 19. Jh. die "Soziale Frage" rein aus Angst vor der Revolution angegangen habe, ist nicht plausibel. Der Artikel der Illustrirten Zeitung zeigt andere Motive auf.
Nov 8, 2018 17 tweets 3 min read
Weil es gestern so heftige Diskussionen um den US-Senat gab, hier ein paar historische Erwägungen zur "Ersten Kammer" (als die sie ursprünglich meistens gedacht war). Keine Frage: Die Erste Kammer (neben der gewählten) war klar ein Instrument, um Demokratie einzuhegen - wie ja überhaupt die Geschichte der Demokratie die Geschichte ihrer Einhegung ist.