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Mar 17, 2022, 20 tweets

Update #Ukraine .
Dieser Thread wird etwas anders sein, als die vorherigen.
Kein Überblick über die Kämpfe, sondern eine Einordnung des russ.-ukr. 15-Punkte-Friedensplans, der derzeit immer weiter Gestalten annimmt.
Das klassische Front-Update kommt heute Abend.
Thread👇
(1/20)

Von beiden Seiten kommen derzeit immer optimistischere Signale, dass ein russ.-ukr. Friedensplan bald ausgehandelt werden könnte.
Aus beiden Delegationen hieß es, man nähere sich einem Kompromiss an.
Dieser soll gewährleisten, dass beide Seiten sich als Sieger präsentieren können

Zur Erinnerung.
Moskau forderte von Beginn an:
- Neutralität der #Ukraine (kein NATO-Beitritt),
- Demilitarisierung,
- Anerkennung der Krim.
Ukraine forderte dagegen:
- kompletten Abzug russ.Truppen hinter die Linie von 2014 und Rückgabe der Krim👇
(3/20)

Auch wenn der Kompromisscharakter betont wird, muss Kiew die deutlich umfangreicheren Zugeständnisse machen.
So steht in dem Entwurfe, dass die #Ukraine tatsächlich auf ihren Nato-Beitritt verzichtet und auch Beschränkungen für Streitkräfte akzeptiert.
4/
ft.com/content/7b341e…

Welche Beschränkungen das genau sind, ist im Moment nicht ganz klar.
Womöglich eine Obergrenze für die Truppen und der Verzicht auf Raketensysteme, die bis nach Moskau reichen könnten.
Zuvor hatte Kiew die Pläne angedeutet, genau solche Systeme entwickeln zu wollen.
(5/20)

Stattdessen soll die #Ukraine umfassende und feste Sicherheitsgarantien erhalten, die von USA, Großbritannien und der Türkei gewährleistet werden mit einem wichtigen ABER:
Es dürfen keine ausländischen Militärstützpunkte oder Waffensysteme in der #Ukraine beherbergt werden
(6/20)

Zudem beinhaltet die Vereinbarung, dass die russischen Truppen "nur" aus den ukrainischen Gebieten abgezogen werden, die seit Beginn der Invasion ab 24. Februar eingenommen wurden.
Sollte das stimmen, wäre es ein de facto Verzicht auf die Krim und den #Donbass .
#Ukraine
(7/20)

Bei der Krim ist es klar, aber auch das Territorium der "Donbass-Republiken" wäre weg.
Zur Erinnerung.
#Putin hatte die LDVR schon am 21. Februar anerkannt und fast sofort rückten da russ.Einheiten ein.
Russ.Truppen kontrollierten den #Donbass also noch vor dem 24. Februar
(8/20)

Also wie gesagt.
Momentan scheint dieser 15-Punkte-Plan vor allem die Forderungen Moskaus zu erfüllen, die zu Beginn der Invasion und zur ersten Runde der Verhandlungen genannt wurden.
Außer vielleicht 2 Sachen:
einmal das extrem schwammige Ziel der "Denazifierung" der #Ukraine .

Was das konkret bedeuten soll, wusste auch in Russland bis zuletzt niemand.
Der Begriff ist so schwammig, dass er von jeder Seite beliebig ausgelegt werden kann und vlt. ja aber auch in dem 15-Punkte-Plan irgendwie erwähnt wird.
Viele Punkte des Plans sind bislang unbekannt.
(10/

Das einzige Ziel, was der Kreml 100% NICHT erfüllt hat und auch nicht mehr erfüllen kann, ist ein Sturz der aktuellen ukr.Regierung.
Ganz am Anfang wurde erklärt, dass das auch eines der Ziele sei.
Das ist aber nicht erreichbar und wird von Moskau nicht mehr angesprochen.
(11/20)

Sollte dieser Friedensplan initiiert werden, werden selbstverständlich beide Seiten sich als Sieger deklarieren.
Und das ist auch so gewollt.
Insider geben offen zu verstehen, dass der Friedensvertrag beiden Seiten die Möglichkeit geben soll, sich als Sieger zu positionieren.
12/

Moskau, weil alle Hauptforderungen erfüllt wurden.
Kiew, weil eine dauerhafte und vollständige Besetzung abgewehrt wurde.
Hinsichtlich des Letzteren hatte Selenski schon zuvor erklärt, dass jeder Ausgang, bei dem die #Ukraine nicht komplett besetzt wird, ein "Sieg" für Kiew wäre.

Zugleich hatte Moskau gleich vom 1. Tag der Invasion an betont, eine dauerhafte und vollständige Besetzung der #Ukraine sei eh nicht geplant. Man werde reingehen, bestimmte Ziele erreichen (ergo neue Sicherheitsordnung nach eigenen Vorstellungen erzwingen) und wieder rausgehen.

Apropos.
Sollte dieser Friedenplan tatsächlich beschlossen und auch umgesetzt werden, würde es bedeuten, dass ich mich zuvor verschätzt habe.
Zur Erinnerung.
Ich bin fest davon ausgegangen, dass russ. Truppen NICHT mehr aus den eroberten Gebieten abziehen, v.A. im Süden.
(15/20)

Im letzten Thread hatte ich darauf verwiesen, dass Moskau immer offensichtlicher Verwaltungsstrukturen in den besetzten Gebieten aufbaut, darunter:
- Einführung des Rubel;
- Auszahlung von Renten;
- Anbindung der Bauern an rus.Düngermarkt.
Mehr dazu hier👇

Für mich waren das Hinweise, dass Moskau sich langfristig in den Gebieten einnistet und nicht nach dem Rein-Raus-Prinzip agieren wird.
Allein schon wegen der Süßwasserversorgung der Krim schien ein Abzug unlogisch.
Einer der ersten russ.Vorstöße ging Richtung Krim-Dnjepr-Kanal.

Kiew hatte ja nach 2014 die Süßwasserversorgung der Krim über diesen Kanal gekappt und die Halbinsel ausgetrocknet.
Das erste Mal seit 8 Jahren fließt nun wieder das Wasser des Dnjepr auf die Halbinsel.
Die Süßwasserstauanlagen der Krim sind erstmals wieder voll.
(18/20)

Es wäre seltsam, wenn Moskau den Kanal einfach wieder räumt und die Gefahr läuft, dass Kiew die Süßwasserzufuhr sofort wieder kappt.
Andererseits könnte die Garantie einer Süßwasserversorgung der Krim natürlich auch einer der bislang nicht genannten Punkte im 15-Punkte-Plan sein.

Nun ja
Wir werden wohl in den nächsten Wochen sehen, welches Szenario sich bewahrheitet.
Die Einschätzung, dass Moskau mindestens den Süden dauerhaft besetzt.
Oder doch die offiziellen Erklärungen des Kreml, dass man keinesfalls eine Besatzung dieser Gebiete plane.
(20/20)

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