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Apr 25, 2022, 25 tweets

So, meine Lieben.
Ich bin zurück, nun kann´s mit News wieder losgehen.
Zuallererst natürlich ein Blick auf die aktuellen Entwicklungen in der #Ukraine , darunter zwei Hauptthemen:
- #Azovstal wird nicht gestürmt;
- Russ.Militär nennt die Ziele der "zweiten Phase".
Thread👇
(1/25)

Die Stadt #Mariupol ist de facto eingenommen, nur noch das Industriegebiet #Azovstal bleibt verschanzt.
Lange Zeit gab es Spekulationen, ob und wie das Werk gestürmt wird.
Die Verluste einer frontalen Erstürmung des riesigen Stahlwerkes wären sicherlich immens.
(2/25)

#Azovstal ist ein klassisches Riesenwerk der Sowjetzeit, gegründet 1930.
Im Prinzip eine Stadt in der Stadt.
Es ist weit untertunnelt, mit eigenen Bunkeranlagen, Lagerräumen, Schutztunneln etc.
Einige unterirdische Bereiche sollen sogar atombombensicher sein.
#Mariupol
(3/25)

Eine frontale Erstürmung dieses "Ameisennests", wie einige Kriegsreporter es auch nennen, wäre lang und verlustreich.
Wenig überraschend ist daher, dass der russische Generalstab auf einen Frontalsturm verzichtet.
Stattdessen soll das Werk "nur" komplett blockiert werden.
(4/25)

Heute erklärte der russische Generalstab hierzu, dass man alle Kampfhandlungen rund um #Azovstal eingestellt habe.
Man werde dort keine Militäraktivitäten unternehmen.
Alle dort eingekesselten Menschen wurden zur Evakuierung aufgerufen und sollen das Werk unbewaffnet verlassen.

Zugleich warf Moskau dem #AzovBattalion vor, die Zivilisten dort als "Geiseln" zu halten und sie als "lebende Schutzschilde" einzusetzen.
Azov verhindere gezielt die Evakuierung von Zivilisten, wie dies in anderen Bezirken der Stadt durchgeführt werden konnte, so Moskau.
(6/25)

Der offiziell mitgeteilte Grund für einen Verzicht auf den Sturm des Stahlwerkes war dabei, dass es keinen Sinn mache, "diese Katakomben" zu erstürmen.
So soll vor allem "das Leben der Soldaten und Offiziere" geschont werden, hieß es hierzu aus dem Kreml.
#Mariupol
(7/25)

Unter Konfliktbeobachtern werden aber auch zwei weitere Gründe für den Verzicht auf eine Erstürmung von #Azovtal diskutiert.
Zum einen sollen so Truppen möglichst schnell entbunden werden, um in den #Donbass für die vermutlich bevorstehende "Generaloffensive" verlegt zu werden.

In der Tat zogen kurz nach dem Befehl zum Sturmverzicht große Militärkolonnen aus #Mariupol ab in Richtung Norden an die Donbass-Front.
Generell wurde schon zuvor erwartet, dass die Offensive erst dann beginnt, wenn Mariopol fällt, sodass die dort gebundenen Truppen freikommen.

Der andere Grund für den Verzicht auf einen Sturm sei laut Konfliktbeobachtern aber auch, dass das blockierte Stahlwerk für Selenski ein viel größeres innenpolitisches Problem darstellt, als ein erstürmtes.
Schon seit Wochen fordern breite Bevölkerungsschichten eine "Deblockade".

Mit jedem Tag, an dem #Azovstal weiter ausharrt, dürften die Forderungen nach einem "militärischen Deblockierungsvorstoß" weiter wachsen und schärfer werden.
Bereits jetzt musste Selenski öffentlich einräumen, dass eine solche Deblockade einfach unmöglich sei.
(11/25)

Vorwürfe an die ukrainische Regierung, sie hätte #Azovstal "bewusst abgeschrieben" oder "aus politischem Kalkül geopfert", klingen dennoch immer öfter.
Zahlreiche Videos kursieren im ukr.Internetsegment, wie Ukrainer ihren Unmut über das Ausbleiben eines solchen Vorstoßes äußern.

Einige Azow-Kämpfer versprachen sogar, dem ukr. Präsidentenberater Arestovitsch "die Fresse zu polieren" für seine selbstgerechten Aussagen, dass die Blockade von Azovstal ein "Sieg für die Ukraine" sei.
In ukr.Foren gingen die Drohungen weit über "Fresse polieren" hinaus
(13/25)

Kurzum: innenpolitisch könnte das blockierte #Azovstal für Selenski von Tag zu Tag zu einem größeren Problem werden, so einige der Interpretationen.
Schwer zu sagen, inwiefern das stimmt.
Selenski erklärte das Halten vom Stahlwerk zuvor jedenfalls zu seiner "roten Linie".
(14/25)

Selenski nannte nämlich zwei "rote Linien", wegen den die ukr.Regierung sofort alle möglichen Friedensverhandlungen verlassen würde:
- der Fall von #Azovstal ;
- die Durchführung jeglicher "Referenden" in den besetzten südlichen Gebieten.
(15/25)

Mit dem zweiten Punkt kommen wir auch zum zweiten Thema des Threads.
Moskau hat die offiziellen Ziele der "zweiten Phase der Militäroperation" bekanntgegeben.
Diese seien die Einnahme des #Donbass und der gesamten südlichen #Ukraine mit anschließendem Erreichen von Transnistrien.

Insgesamt solle dadurch eine Landbrücke sowohl zu Transnistrien erreicht werden, wo seit 1990-ern rus. Truppen stehen, als auch zu der Halbinsel Krim.
Insbesondere das Ziel "Landbrücke Krim" ist ein recht dehnbarer Begriff.
Genau genommen, gibt es diese Brücke jetzt schon
(17/25)

Die "echte" Landbrücke wäre nach Darstellung einiger russ. Konfliktbeobachter aber die Einnahme der direkten Eisenbahnverbindung Moskau-Charkiw-Zaporizhja-Semfiropol.
Dies würde implizieren, dass die anvisierte Offensive weitaus größere Gebietseinnahmen zum Ziel haben müsste
(18/

So oder so, Kiew befürchtet, dass in den besetzten Gebieten nun "Unabhängigkeitsreferenden" durchgeführt und "Volksrepubliken" ausgerufen werden könnten, so ähnlich wie dies im Falle der "Donezker Volksrepublik" und "Lugansker Volksrepublik" passierte.
(19/25)

In der Provinz Herson, die derzeit vollständig von rus.Truppen kontrolliert wird, sind diese Gerüchte besonders stark im Umlauf.
Der ukrainische Generalstab warnt schon seit Wochen, dass eine entsprechende "Volksabstimmung" für die nächsten Monate vorbereitet werde.
(20/25)

Gerüchte, dass nach dem gleichen Prinzip dann eine ganze Reihe von "Referenden" in den südlichen Territorien geplant wird, sind in Russland derzeit immer stärker im Umlauf.
Die neuen "Republiken" würden die besetzten Gebiete dann administrativ einbinden.
(21/25)

In der Theorie könnte Moskau sogar einen Zusammenschluss dieser "Republiken" zum bereits seit langem kursierenden Gebilde "Neurussland" orchestrieren - ein Konzept, das seit dem 18. Jhd. existiert und zuletzt immer stärker "gepusht" wird.
(22/25)
de.wikipedia.org/wiki/Neurussla…

Auch "Teillösungen" wurden bereits im russ. Parlament vorgeschlagen, wie etwa die Wiederausrufung des "Gouvernement Taurien"...dies würde eine "Angliederung" der Südukraine an die Krim bedeuten.
Auf der Krim begrüßte man bereits diese Idee, allein schon wegen der Wasserversorgung

Auch das Erreichen von Transnistrien ist brisant.
Moldau befürchtet, dass Moskau in diesem Fall die selbst erklärte Republik offiziell anerkennen könnte.
Aus dem russischen Parlament sind entsprechende Signale bereits gekommen.
Chisinau bestellte den russ.Botschafter ein.
(24/25)

Kurzum:
Sollte die Offensive im Donbass und im Süden tatsächlich so erfolgen, könnte der Kreml die Landkarte nach mehreren Szenarien, die bereits stark in den Umlauf gebracht wurden, umkrempeln.
Oder man nutzt diese Szenarien als "Verhandlungsmasse" gegenüber dem Westen.
(25/25)

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