Thread by @PeynGitta

1) Puh. Die Polarisierung intellektualisiert fortsetzen, sich auf Luhmann beziehen und dann dieser Satz: "Denn keines der gesellschaftlichen Funktionssysteme, um mit dem Systemtheoretiker Niklas Luhmann zu sprechen, ist noch intakt:"
"intakt"? Waren sie vorher "intakt"?

2) Wann und unter welchen Voraussetzungen sind sie "intakt"?

Funktionssysteme ausdifferenzieren sich an Paradoxien, wenn Gesellschaft daran ein Interesse hat. Und sie differenzieren sich aus, wie sie sich ausdifferenzieren und das tun sie via Kommunikation.

3) Wann ist Kommunikation "intakt"? Wenn ich mir das vorstelle? Du? Karlheinz? Anneliese?

Alle komplexen autopoietischen Systeme informieren sich selbst und ausdifferenzieren sich, indem sie kontinuierlich Unbestimmte reorganisieren.

4) Wir können sagen, dass sie das mal besser oder mal schlechter machen, aber sie machen es immer, wie sie es machen. Und wir dürfen davon ausgehen, dass sie es in Krisen anders machen als im Wohlstand, und wenn gesagt wird, was in Wohlstand passiert, ist "intakt",

5) auch, wenn dieser Wohlstand die Krise(n) überhaupt erst mit ausgelöst hat, stelle ich mir noch mehr die Frage, was hier eigentlich gemeint sein soll.

Der Punkt ist: Corona ist eine Metakrise.
Sie sortiert unter sich weitere Krisen und JEDES Funktionssystem ausdifferenziert da

6) eigene FORMen, informiert sich selbst und macht was damit - und zwar sein eigenes.
Kunst ist nicht kaputt, weil Gesellschaft bestimmte Kunstformen derzeit nicht erlaubt. Sport ist nicht mehr oder weniger "intakt", nur weil die Fußballbundesliegaspiele ausgesetzt sind.

7) Wir reden hier über KOMMUNIKATION. Über Funktionssysteme IN Kommunikation. Und die sind nicht nur IMMER alle beteiligt, sondern sie differenzieren sich unter unterschiedlichen Bedingungen unterschiedlich aus.
Gewiss, Kunst kann in faschistischen Systemen nicht so gut florieren

8) Aber hat das Künstler davon abhalten können Kunst zu machen?

Wohlstand hat viele Innovationen ausgebremst. Soll ich als jemand, der das erlebt hat, behaupten, Wirtschaft sei "nicht intakt" gewesen, weil unser Innovationsvorschlag erst die Zeit reifen sehen musste?

9) Wir machen das hier gerade verdammt gut. Unsere Börsen reagieren auf unsere Stimmung und zeigen uns unsere Macht. Statt voll in den Keller zu gehen, lernen wir gerade etwas über die Macht unserer Erwartungshaltungen: Sie bleiben verhältnismäßig stabil.

10) Wirtschaft, Familie, Wissenschaft, Bildung, Kunst, Sport, Medien, Politik ... alle sprechen unterschiedliche Sprachen, haben sich informationell unterschiedlich spezialisiert. Und nun ausdifferenzieren sich alle neu und unterschiedlich an dem, was mit Corona kommt.

11) Sind einige stur und wollen sich veränderter Faktenlage nicht anpassen? Klar! Das ist Teil funktionierender Kommunikation. Erst wenn wir nicht mehr kommunizieren, ist da was nicht "intakt", denn dann ist was gestorben.
Doch sehen wir uns um: Künstler bemalen Masken,

12) empfundener Individualitäts- und Ausdrucksverlust wird kompensiert, neue Ideen tauchen auf, neue Chancen werden entdeckt, neue Kommunikationsinseln bilden sich, Menschen lernen nach einander zu fragen.

13) Natürlich ist es auch anstrengend, aber das Anstrengendste sind die Polarisierungen.
Symmetrische Konflikte bringen keine neuen Ideen, keine Innovation und keine neuen Chancen hervor. Sie sind tatsächlich nichts anderes als Reproduktionen bereits etablierter Reorganisationen.

14) Insofern würde ich augenblicklich nicht nach denen schauen, die nur in einfachen Polarisierungen denken können.
Ich würde auch nicht nach denen schauen, die ihre Modelle stets nur danach aufsetzen, was sie der Bevölkerung nicht zutrauen.

15) Ich würde vielmehr auf diejenigen setzen, die der Bevölkerung mehr zutrauen wollen und können und die anhaltend danach fragen, wie konstruktiv kommuniziert werden kann, so dass wir als Sozialgemeinschaft die Krisen besser bewältigen.

16) Gehört dazu zu berücksichtigen, dass Familien an ihre Grenzen kommen, wenn sie wochenlang in 3-Zimmer-Wohnungen aufeinander hocken mussten? Sicher.
Gehört dazu, an all die Kleinunternehmer und Freiberufler und Selbständigen zu denken, die fürchten ihr Lebenswerk zu verlieren

17) Auch. Ja. Und an die Künstler denken und an die Wissenschaftler, die besorgt ihr Anliegen vortragen, an die Politiker, die versuchen den Wald trotz all der Bäume noch zu sehen und so weiter.

Das hier ist ein Marathon. Und wir laufen ihn zusammen.

18) Die Funktionssysteme sind nicht intakt und waren nie intakt. Sie funktionieren. Mal besser, mal schlechter. Und sie funktionieren immer anders, weil wir uns ständig verändern.

19) Nicht nur was getan wird, spielt dabei eine Rolle, sondern auch WIE kommuniziert wird.
Konstruktive Konflikte berücksichtigen das Meinen des/der Anderen. Sie zeigen nicht mit dem Finger und fördern so Abgrenzung, sondern sie bemühen sich um energie-effiziente Atmosphären.

20) Kriegssprech wie "Gesellschaft in Trümmern" - wohin soll das führen? Es ist nicht nur verhältnismäßig, es hilft auch nicht weiter.

Article in question:
spiegel.de/politik/deutsc…