Weil jetzt gerade wieder dieses rührselige #toennies-Märchen erzählt wird, dass wir hier dringend Menschen und Tiere all ihrer Würde berauben müssen, weil sonst die gesamte Fleischproduktion ins Ausland wandert: Das ist nicht der Fall.
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In Deutschland werden Sauen 21 Wochen im Jahr in Kastenständen gehalten. Ihre einzige Bewegungsoption in dieser Zeit: Aufstehen, hinlegen. Weil das für die Tiere genauso ätzend ist, wie es klingt, wurde diese Haltungsform in Schweden bereits 1988 verboten.
1995 ist Schweden dem liberalisierten Binnenmarkt der EU beigetreten, wodurch dänische und deutsche Schweinefleischerzeuger durch die hiesige Kastenstand-Quälerei einen Wettbewerbsvorteil hatten. Die schwedische Selbstversorgungsquote ist dadurch von 102% auf 70% gesunken.
Ja, das ist ein Einbruch, anschließend ist sie aber wieder auf 83% gestiegen, indem die entsprechenden Verbände das Verbraucherinteresse geweckt haben. Das schwedische Fleisch ist etwas teurer, entsteht aber eben auch unter besseren Bedingungen.
Es wird hier dennoch gerne als mahnendes Beispiel genommen und als offizielle Begründung für allerlei fragwürdige Zustände genutzt, von der betäubungslosen Kastration von Ferkeln bis zu besagten Kastenständen. Ist Deutschland also das Schweinehalterparadies? Nope:
2015 musste ein mittelgroßer Betrieb 167 Euro investieren, um ein Schwein auf Schlachtgewicht zu bringen. Der Schlachthof zahlte ihm dafür 147 Euro. Auch ohne BWL-Studium erkennt man das Problem.
Die Zahl der Betriebe sank von 200.000 im Jahr 1996 auf 23.500 (12%) in 2017.
Die Zahl der Betriebe sank von 200.000 im Jahr 1996 auf 23.500 (12%) in 2017.
Die Devise war: Vergrößere dich oder geh' pleite. Die großartige deutsche Erfolgsgeschichte hin zu 250 Gramm Schnitzel für Eur 1,99 ist aufgebaut auf dem Konkurs von knapp 90% der Betriebe und der Machtkonzentration einiger weniger Schlachtkonzerne mit ihren Kampfpreisen.
Kampfpreise, gegen die auch das Ausland nicht immer ankommt, D. exportiert 4,5 Mio. Tonnen Fleisch pro Jahr, weil es so billig produzieren kann. Weil hier ArbeitnehmerInnen ohne Rechte in Baracken untergebracht sind, in denen Kontaktbeschränkungen nicht eingehalten werden können.
Weil SchweinemästerInnen immer mehr Tiere pro Betrieb auf engem Raum halten müssen, um zu überleben. Weil Gerichtsurteile zu Kastenständen von 2015 ignoriert werden. Weil Mensch und Tier erbarmungslos an und über die Belastungsgrenze getrieben werden.
Unsere LandwirtschaftsministerInnen sind nun mal seit Jahren eine Art Wurmfortsatz der Agrarlobby, warnen vor "zu teurem" Fleisch und ignorieren barbarische Zustände in ihrer Zuständigkeit. Das geht so weit, dass wir jetzt Schulen schließen, weil bei Tönnies Corona ausbricht.
All das, um hier, in der viertgrößten Volkswirtschaft des Planeten, Fleisch immer noch billiger herstellen zu können. Ja, wenn wir die Bedingungen verbessern, werden ein paar Leute eher Billigfleisch aus Dänemark oder den Niederlanden kaufen. Und? Wer soll denn damit anfangen?
Seit wann ist unser Anspruch denn, der zweitschlechteste zu sein? Wir sind ein Hochtechnologieland, die Forst- und Landwirtschaft macht gerade mal 0,9% der Bruttowertschöpfung aus und bietet immer weniger Arbeitsplätze. Dafür leisten wir uns Corona-Hotspots, Regenwaldrodungen,
Schulschließungen, unfassbares Tierleid, Menschen ohne Arbeitnehmerrechte, das Risiko multiresistenter Erreger und gigantische Flächen voller Insektenvernichter für Futtermais? Das hilft niemandem, außer einer kleinen Elite von Firmenbossen und ihren Verbündeten.
Please stop it.
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Nachtrag:
Ich arbeite spendenbasiert und leider reicht es noch nicht ganz für den Lebensunterhalt mit drei Kindern. Wenn ihr diesen Thread cremig fandet und denkt, ich sollte davon mehr machen, könnt ihr mich hier unterstützen:
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Nachtrag 2: Ich bin zu doof, um meinen eigenen Spendenlink in den Tweet zu kopieren. Mein BWL-Dozent von damals würde in Tränen ausbrechen...
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