Mich macht traurig und wütend, wie viele in unserer Community zwangssterilisiert wurden und nicht entschädigt werden. Mich macht wütend, dass Sterilisation in Medizin und Justiz bis heute unsere Lebensrealitäten prägt.
Warum? Thread 👇
Die Weigerung, trans, inter und nichtbinäre Personen in Gespräche um Schwangerschaft einzuschließen, gefährdet deren Gesundheit, weil es ihnen Aufklärung und Forschung verweigert. Aber es macht auch mitschuldig am "Sterilisationsparadigma":
Mit "Sterilisationsparadigma" meine ich den Teil transfeindlicher Vorstellungen, der seine Wurzeln in der Eugenik des letzten Jahrhunderts hat. Die Forderung, dass trans, nichtbinäre und inter Menschen keinen Zugang zu Reproduktion haben.
Sterilisation war bis 2011 juristische Voraussetzung für die Vornamens- und Personenstandsänderung, und ist bis heute Teil unserer Lebensrealitäten. Wie wirkt sich dieses "Sterilisationsparadigma" auf unsere Körper und Lebensentwürfe aus?
Bei der Hormontherapie werden Medikamente verschrieben, die sterilisierend wirken. Diese Medikamente wurden nicht für Körper wie unsere entwickelt und es gibt kaum Forschung zur Wirkung dieser Hormone an Körpern wie unseren.
Ich nehme beispielsweise Androcur, das dazu entwickelt wurde, um sog. Triebtäter zu sterilisieren. In illegalen Experimenten wurde das Medikament in den 70ern in einem südbadischen Heim Menschen mit Behinderung zwangsverabreicht.
Denn Sterilisation ist nicht nur die Realität von trans, inter und nichtbinären Communities, sondern auch von vielen anderen Marginalisierten. Eugenik ist ein Erbe des sozialdarwinistischen Konsens in der Wissenschaft.
§ 4 des "Gesetzes über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden" von 1969 ist in erster Linie auf die Behandlung mit Androcur zugeschnitten. Das Gesetz wird bis heute an Menschen im Knast angewendet.
Daneben galt das nationalsozialistische "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" von 1933 bis 1974 in der BRD und wurde erst 1998 endgültig aufgehoben.
Wie viele andere trans Menschen wurde ich nicht über die sterilisierende Wirkung des Medikaments aufgeklärt (auch nicht über das Krebs-Risiko) oder über Möglichkeiten von Kryokonservierung. Ich hätte das ohne trans Friends nicht gewusst.
Die Krankenkassen übernehmen - anders als bei vielen "cis" Diagnosen und Therapien - bei Hormontherapie keine Kryokonservierung (Einfrieren von fruchtbaren Zellen).
Auch im NS wurden Menschen zwangssterilisiert oder kastriert. Nach dem Krieg wurde z.B. der Entschädigungsantrag von Hilmar Damita mit der Begründung, dass Sterilisation und Haft ja aufgrund von Kriminalität erfolgten.
Liddy Bacroff wurde zur Kastration gezwungen (bis heute mögliche Praxis zur Strafminderung) und dann auf Empfehlung der behandelnden Ärzte inhaftiert und im KZ Mauthausen ermordet.
Anträgen von trans Menschen, die bis 2011 sterilisiert wurden und den Forderungen nach einem Entschädigungsfond der Betroffenen-Verbände wurde bis heute nicht stattgegeben. Der Sterilisationsparagraph war Teil des sogenannten TSG.
Erst 2019 fragte The Economist seine Leser_innen, ob trans Leute sterilisiert werden sollten. Einen Artikel von @buzzaldrinsblog findet ihr hier: vice.com/de/article/vbw…
Wenn verneint wird, dass trans, inter und nichtbinäre Menschen schwanger oder an Elternschaft beteiligt sein können, ruft das dieses "Sterilisationsparadigma" ab, das aus der Zeit der eugenischen Forschung stammt und bis heute wirksam ist.
Hier könnt ihr die Forderung nach Entschädigung unterstützen: t1p.de/nf0a und t1p.de/nf0a
Hier könnt ihr lernen, wie ihr geschlechtliche Selbstbestimmung unterstützen könnt: allegutendinge.jetzt
Spendet an den Trans Emergency Fund: facebook.com/transfundmunic…
Finanzielle Unterstützung ist oft die einzige Möglichkeit, Sterilisation zu umgehen, und eine Kryokonservierung zu bezahlen. Viele von uns haben keine Jobs oder nur schlecht bezahlte.