Thread by @Engel_Re

CSU-Generalsekretär Markus Blume ist ein Rechtspopulist.

Wie ich darauf komme und was das mit der Partei, deren Geschicke er lenkt, macht - ein Thread.

https://twitter.com/MarkusBlume/status/1281970738682003456

Wir erinnern uns: Als wir anfingen, von strukturellem Rassismus bei den Sicherheitskräften zu sprechen und @EskenSaskia der Polizei "latenten Rassismus" attestierte, waren Blume und seine Wadenbeißer Florian Hahn und Stephan Müller zusammen mit der AfD an vorderster Front:

Über einen "Generalverdacht gegen UNSERE Polizisten" wurde sich echauffiert, Saskia Esken wurde sogar "Antifa-Populismus" (was auch immer das sein soll) unterstellt.

Inhaltliche Auseinandersetzung mit der Kritik an den Sicherheitsbehörden? Keine. Und ich meine KEINE.

Das ist eine typische Strategie von Rechtspopulisten - bewusste Eskalation und Derailing (also das zum Entgleisen bringen von Debatten), um nicht in die inhaltliche Auseinandersetzung (in der Blume natürlich rein gar nichts vorzuweisen hätte) gehen zu müssen.

Diese Taktik wendet Blume bevorzugt an - als 'Die Linke'-Politikerin Barbara Borchardt zur Landesverfassungsrichterin in Mecklenburg-Vorpommern ernannt wurde, twitterte er ein gephotoshopptes Bild von ihr neben Josef Stalin!

Bitte vor Augen führen, was ein Mitglied des deutschen Bundestages hier tut: Er stellt eine politische Gegnerin auf die gleiche Stufe wie einen Massenmörder.

Was man von Borchardt und ihrer Eignung für dieses Amt hält, spielt in diesem Zusammenhang gar keine Rolle, denn es geht hier nicht um das Äußern von Kritik - es geht darum, die Debatte zu zerstören.

Denn: Wo soll man diskursiv denn ansetzen, wenn das Gegenüber so anfängt?

Der nächste Schritt in Blumes Werkzeugkasten der politischen Schäbigkeit: Die Schuldumkehr.

Nachdem #Seehofer mit seiner angekündigten Anzeige gegen @habibitus erfolgreich "Agenda-Cutting" betrieben hatte (s. Link), legten Blume & Stefan Müller nach:

spiegel.de/netzwelt/netzp…

Sie stellten (vollkommen unzulässig) einen direkten Zusammenhang zwischen der TAZ-Glosse sowie Eskens Aussagen und den Ausschreitungen in Stuttgart her.

Plötzlich sprach niemand mehr über Deutschlands #Polizeiproblem - Mission Accomplished.

(Nebenbei bemerkt: @smuellermdb könnte auch ohne wenn und aber für die AfD im Bundestag sitzen, das würde wirklich niemandem auffallen.)

Auf Kritik reagieren Rechtspopulisten wie Blume und Müller immer gleich, nämlich in etwa so: "Sie finden Gewalt gegen die Polizei wohl gut?!?"

Das ist auch schon das nächste Instrument in ihrem Schrank - das Strohmann-Argument.

Sie unterstellen ihrem Gegenüber etwas, das sie oder er nie gesagt hat und arbeiten sich dann daran ab. Das kann man sehr gut bei den ermüdenden Sozialismusdebatten hier auf Twitter beobachten. Sofort wird stets unterstellt, man würde z.B. die DDR und deren Unrecht gutheißen.

Der nächste (und sehr erfolgreiche) Taschenspielertrick, den vor allem auch die Alt Right Bewegung verwendet: Das Besetzen und Umkehren von Begriffen, um den politischen Gegner*innen die Sprache zu nehmen. Zu sehen hier:

Blume versucht hier, den Begriff "systemischer / institutioneller Rassismus" zu entwerten, indem er ihm ein eigenes Konzept entgegenstellt - vollkommen sinnfrei, denn welches "System" soll hinter mangelndem Respekt stecken?

Ob es Sinn ergibt oder nicht, spielt aber keine Rolle:

Wir erinnern uns daran, wie Donald Trump der "Alt Right" die nicht existente "Alt Left" entgegenstellte. Kritik an der rechtsradikalen Alt Right Bewegung wurde fortan mit dem Verweis auf die ebenfalls schlimme (aber eben fiktive) Alt Left gekontert.

Ein bekanntes Beispiel im deutschen Diskurs ist der rechte Kampfbegriff "rot- (oder wahlweise grün-) lackierte Faschisten" für Linke, SPDler bzw. Grüne.

Diese Übernahme + Umdeutung von Begriffen führt dazu, dass sie ihre Bedeutung und Wirkmacht verlieren.

Jemand wird als Faschist bezeichnet? Das Gegenüber ist dann eben ein Linksfaschist. So sind beide diskreditiert - oder eben nicht, weil die Begriffe zu Kampfbegriffen politischer Lager geworden sind und nichts mehr bedeuten.

(Bevor ein Schlaumeier kommt: Ja der Begriff "rotlackierte Faschisten" wurde vom Kurt Schumacher bekannt gemacht, aber bitte einmal anschauen, wer ihn heutzutage benutzt)

Nun könnte es uns eigentlich relativ egal sein, was jemand wie Markus Blume ins Internet hustet. Außerhalb der CSU und der Twitter-Blase interessiert sich niemand für ihn.

Nun?

Auftritt Horst #Seehofer.

Die mit den oben aufgezeigten Mitteln von Blume und Konsorten herausposaunte Niedertracht erntet (natürlich) Widerspruch, im besten (bzw. schlechtesten) Fall entwickelt sich eine gesellschaftliche Debatte darum.

Seehofer verwandelt diese Stimmung dann in handfeste Politik:

Die Studie zu Racial Profiling in der Polizei? Wird es nicht geben.

Das Lagebild Rechtsextremer in öffentlichen Dienst? Vorerst abgesagt.

Das ist kein Zufall das sind keine Pannen das ist genau. so. gewollt.

Natürlich ist der Rechtspopulismus in der CSU kein brandneues Phänomen:

Unvergessen, mit welch menschenverachtender Rhetorik die CSU versuchte, 2018 vor der Landtagswahl in Bayern zu punkten.

Damals rief sogar der Präsident des @BVerfG die CSU zur verbalen Mäßigung auf - er sah "die Grundannahmen der pluralen Demokratie" in Gefahr.

Die Grundpfeiler unserer Demokratie - gefährdet von? Einer Regierungspartei.

Grüße an CSU-Freund Viktor Orbán.

dw.com/de/r%C3%BCffel…

(Die sich sonst als Law And Order Partei gerierende CSU hat diesen Aufruf zu Law and Order damals übrigens zurückgewiesen mit den Worten, Voßkuhle solle nicht "Sprachpolizei" sein.)

Blume selbst gibt heute vollkommen ungeniert zu, dass der einzige Grund, warum die CSU damals von ihrer menschenfeindlichen Rhetorik abgerückt ist, der Verlust von Wählerstimmen war.

Oder, in Blumes Sprache: "Du kannst ein Stinktier nicht überstinken"

zeit.de/2020/24/markus…

Heute betreibt die CSU eine gesplittete Kommunikation: Blume und der Parteiaccount größtenteils traditionell menschenfeindlich, Markus "Asyltourismus beenden" Söder darf seit 2018 den geläuterten Landesvater geben.

Und die Umfragen zeigen: Das funktioniert.

Dabei stecken in dieser Partei weiter die gleichen Köpfe (Dobrindt, Friedrich, Seehofer usw. usf.), die gleichen schlechten Konzepte, die gleichen verkommenen Werte wie eh und je. Sie sind nur besser verpackt.

/Ende

Nachtrag: Ein wichtiges Stilelement, das man auch regelmäßig bei der AfD beobachten kann, habe ich vergessen:

Die stetige Grenzüberschreitung, um a) Aufmerksamkeit (meist durch Widerspruch) zu generieren und b) den Diskurs immer weiter nach rechts zu verschieben.

Wenn man es mit dieser Grenzüberschreitung dann übertreibt und der Gegenwind zu stark wird, dann wird zurückgerudert. Nur um beim nächsten Mal direkt dort wieder anzusetzen.

Diesen Tweet z.B. musste Blume nach scharfer Kritik löschen (Unkenntlichmachung von mir):

Hass und Hetze von einer Regierungspartei gegen eine Journalist*in. Es fehlte nur noch das Fadenkreuz auf dem Gesicht. Selbst bei der BILD hätten manche (nicht alle) da zumindest einmal geblinzelt.

Was hier deutlich werden soll: Markus Blume hat keinen Funken Anstand und keinen moralischen Kompass. Ihm und seiner CSU ist JEDES Mittel Recht, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Und das wird in Richtung Bundestagswahl 2021 eher schlimmer denn besser. Brace yourselves.

Ernsthaft: Uns muss klar sein, mit wem wir es zu tun haben & wie eklig es werden wird. Ich hoffe dieser Thread konnte zeigen, dass dieser Stil kein Versehen & diese Grenzüberschreitungen keine Ausrutscher sind oder Blume halt mal übers Ziel hinaus schießt.

Nun aber ins Bett. 👋