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Arschlöcher und die #Psychiatrie: Ein Plädoyer gegen die permanente Stigmatisierung psychisch Kranker in 17 Tweets (1/17):
Liebe Leute, ich habe es satt, permanent auf eine Linie mit Menschen gebracht zu werden, die sich wie Fanatiker*innen oder Arschlöcher verhalten – oder schlicht und ergreifend Nazis sind. (2/17)
Gestern Abend las ich in meiner erweiterten Twitter-Bubble dass Xavier Naidoo ein „Psycho“ ist „in die geschlossene psychiatrische Anstalt“ gehört, weil er aufforderte, Handys in Alufolie zu packen. Und es ist nicht das erste Mal, dass ich diesen Zuschreibungen begegne. (3/17)
Da ich die Diagnose „rezidivierende Depressionen ohne psychotische Symtome“ habe und seit 10 Jahren auf die Psychiatrie angewiesen bin, fühle ich ich mich angesprochen. Denn es geht hier auch um mich. (4/17)
Wer Verschwörungstheoretiker*innen, Nazis oder andere Arschlöcher mit „Psycho“ oder „ab in die #Klapse“ betitelt, sagt damit viel über sich selbst – und noch mehr über Menschen, die in Therapie sind und / oder den Schutz der Psychiatrie tatsächlich brauchen. (5/17)
Für Erkrankte ist die Psychiatrie ein Ort, den sie brauchen, der ihnen psychologischen und medizinischen Schutz bietet – und in manchen Fällen sogar das Leben rettet. Ich persönlich bin in der Klinik am sichersten, wenn meine Krankheit ausbricht und ich suizidal werde. (6/17)
Dieser Umstand wird indirekt gegen mich verwendet, wenn die Psychiarie als Ort für Nazis, Corona-Leugner:innen oder anderen Fanatikern bezeichnet wird. Denn im Umkehrschluss könnte man meinen, dass auch ich diesen Gruppierungen zuzurechnen bin. Welcome to Stigma-Land. (7/17)
Die Psychiatrie ist gesellschaftlich ohnehin ein weitgehend totgeschwiegener und gemiedener Ort, über den sich bist heute diskriminierende und verachtende Vorurteile halten. Ein Blick in zeitgenössische Filme, in denen die Psychiatrie eine Rolle spielt, genügt. (8/17)
Jedoch sprechen wir hier nicht von fucking neutralem Beton, sondern über die Menschen, die sich dort aufhalten. Und NEIN, die Grundvorrausetzung für die Aufnahme in der Psychiatrie ist keine rechtsnationale Gesinnung, sondern eine diagnostizierte, psychische *ERKRANKUNG*. (9/17)
Natürlich gibt es rechte Verschwörungstheoretiker, die *auch* psychisch krank sind – und wegen *letzterem* eine Therapie brauchen. Doch da sitzt der Fehler, wenn Menschen glauben, dass Leute wie Naidoo „in die Klapse“ gehören, weil sie Alufolio um ihr Handy packen. (10/17)
Es ist übrigens ein Narrativ der NS-Zeit, unliebsame Menschen, die nicht unseren Prämissen und Erwartungen entsprechen, in der Psychiatrie „wegzusperren“ – und zwar für immer. Und ich werde auf schräge Art und Weise gerade genau daran erinnert. (11/17)
Außerdem: Während Naidoo, Hildmann und Konsorten ihre Aggression nach außen tragen, wird meine Erkrankung auch „nach innen gerichtete Aggression“ verstanden [Sapolsky, 2009] und Suizidalität gehört auch deshalb zu den Symptomen der Depression. (12/17)
Es ist scheißegal, ob Du feministisch, links, queer, progressiv, christlich, konservativ oder rechtsnational gesinnt bist, wenn Du Menschen mit psychischen Krankheiten auf diese Weise stigmatisierst. (13/17)
Und wenn Du versuchst, mit diesen Worten Menschen wie Naidoo aufs Maximale zu beleidigen, schießt Du übers Ziel hinaus und triffst ernsthaft Erkrankte mitten ins Herz. Warum? (14/17)
Asmus Finzen schrieb 2014 in »Stigma psychische Krankheit«: „Die sozialen Folgen des Leidens müssen als zweite Krankheit verstanden werden, die sich in Diskriminierung und Stigmatisierung niederschlägt. […](15/17)
Es ist nicht die Krankheit, die sie und ihr Leben entwertet. Es sind die Vorstellungen, die Gesunde und Kranke damit verbinden, die sie stigmatisieren.” (16/17)
Und ich habe keine fucking Lust mehr, permanent mitgenannt zu werden, wenn Leute über einen Nazi sagen: „der Psycho gehört in die Klapse“. Denn ich bin ein Psycho in der Klapse – und zwar deshalb, weil ich eine psychische Krankheit habe und regelmäßig in der Klapse bin. (17/17)
- 1/17: Foto: Psychiatrisches Klinikum Heidelberg (dort war ich 2010 4 Wochen lang) de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Psy…
- 12/17: Stanford's Sapolsky On Depression in U.S. (Full Lecture)

- 15 + 16 / 17: Asmus Finzen: Stigma psychische Krankheit: amazon.de/dp/B01M1BVOT8
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