Thread by @GerritKurtz

"Deutschland muss interventionsfähig sein", fordert @MJaegerT @faznet. Beim Lesen stellen sich allerdings einige Fragen. THREAD 1/17 faz.net/aktuell/politi…

Intervenieren, so Jäger, "bedeutet, einen Konflikt durch Einmischung von außen zur Entscheidung zu bringen."

Doch wo ist das in den letzten Jahren gelungen?

Wie Jäger selbst sagt, "die Bilanz fällt zwiespältig aus" 2/

Jäger steigt mit dem Abzug der US-Amerikaner aus #Afghanistan ein.
Ganz genau: Knapp 20 Jahre intensives militärisches Engagement der größten Militärmacht der Erde haben eben keine Entscheidung gebracht. Sonst bräuchte es ja keine Friedensgespräche mit den Taliban. 3/

Jäger kritisiert eine "internationale Aufgabenteilung", nach der die einen kämpfen und die Deutschen lieber "Konfliktmediation und Entwicklungshilfe" machen. Ja, es gab in Afghanistan Unterschiede. Aber auch deutsche Soldaten kämpften - wie vor 10 Jahren im Karfreitagsgefecht. 4/

Seltsam mutet an, dass Jäger "rechtliche Bedenken" gegen Militäreinsätze anführt. Bei der Beteiligung an #Barkhane oder #Takouba geht es aber weniger um Völkerrecht (Einladung der G5 Regierungen), sondern um das Grundgesetz: das verlangt "Systeme kollektiver Sicherheit."5/

Jäger lobt die deutsche Unterstützung für die Kurden im Kampf gegen den IS 2014 als "überaus erfolgreich".

Aber was ist schon Erfolg hier? 2016 sprach die UN Untersuchungskommission zu Syrien von einem laufenden Völkermord gegen die Jesiden. 6/ ohchr.org/FR/HRBodies/HR…

Begrüßenswert, dass Jäger Interventionen zur "Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit" fordert und auf die Verhinderung von Greueltaten wie in Ruanda Bezug nimmt. Doch wer bezweifelt das denn? Findet sich alles in Weißbuch (2016) und Leitlinien (2017). 7/

Es geht also um mehr. "Überhaupt Afrika!" Was fällt einem dazu ein? Genau: "herrschaftsfreie Räume", terra nullius - ein stark kolonial aufgeladenes Motiv. Was ist mit Herrschaft durch nicht-staatliche Akteure?
8/

Es gibt eben keine einfachen Antworten, wie auch Jäger schreibt, wenn er auf die Probleme zu großer militärischer Zurückhaltung in #Syrien verweist. Hier hätte es in der Tat umsetzbare Ideen gebraucht. 9/

Zu den Vorschlägen: Der Bundestag beschließt bereits Auslandseinsätze auf Grundlage europäischer Mandate, siehe EUTM Mali oder die Operation Irini. Oder soll es um Einsätze ohne VN-Mandat gehen? 10/

Im Frühjahr beschloss der BT auch, die Ausbildung in der Sahelzone "bis zur taktischen Ebene" durchzuführen. Mangelhaft ausgestatte und schlecht geführte Armeen wie in Mali in den Einsatz zu begleiten kann man als BT der Bundeswehr gegenüber aber nicht verantworten. 11/

Zur Erinnerung: die malische Armee ist für mehr zivile Tote in der ersten Jahreshälfte 2020 verantwortlich als dschihadistische Gruppen laut MINUSMA.
Ausbildung bleibt wichtig, aber besser auf Distanz (und mit größerem Fokus auf Governance-Fragen).12/
sahelblog.wordpress.com/2020/08/12/mal…

Ähnliche Bedenken gibt es auch bei der Lieferung von Waffen an Kriegsparteien wie die Regierung der Ukraine. Militärisch wird sie den Konflikt im Osten nicht entscheiden können. 13/ deutschlandfunkkultur.de/ukraine-konfli…

Keine Frage, eine Debatte über die Nützlichkeit und Bedingungen von militärischen Auslandseinsätzen ist wichtig. Scheuklappen braucht es dabei nicht, aber auch keine Phantombilder. In der Regel schaffen es externe Akteure eben nicht, Konflikte "zur Entscheidung zu bringen." 14/

Wenn "Konflikte zur Entscheidung" gebracht werden, läuft es zu leicht wie in #SriLanka, wo die Regierung ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung den Bürgerkrieg beendete, mit tausenden Toten.
Ähnlich wirkt der französische Druck auf die Sahelstaaten. 15/ acleddata.com/2020/05/20/sta…

Deutschland tut gut daran, kritisch über Interventionen nachzudenken, gerade auch mit Partnern wie Frankreich. Ja, es braucht mehr deutsche Entschiedenheit, aber eben abgewogen, mit Blick auf die Konsequenzen vor Ort, nicht nur auf die EU-Partner. 16/
internationalepolitik.de/de/sahelzone-w…

Für "resignativen Pazifismus", Jägers Phantombild, stehen auch hierzulande nicht mehr viele ein.
Wir haben zu dieser Debatte beigetragen: boell.de/de/2020/04/28/… 17/17.