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Sep 19, 2020 26 tweets 4 min read Read on X
Am Freitag sollte im #Assange-Hearing eigentlich Khaled el-Masri aussagen, aber leider hat die Videoverbindung nicht funktioniert. Deshalb konnte nur sein schriftliches Statement vorgetragen werden, ich fasse es hier zusammen.

(Thread - Achtung Gewalt, Folter)
El-Masri ist deutscher Staatsbürger. Er war Ende 2003 im Bus durch Europa unterwegs, als es er an der Grenze von Mazedonien ohne Angabe von Gründen inhaftiert wurde. Er wurde für 23 Tage ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten und schwer misshandelt.
Zu den Vorkommnissen in Mazedonien führt der EGMR aus: "Diese Maßnahmen wurden vorsätzlich angewendet, um das Ziel zu erreichen Herrn Masri starke Schmerzen und Leiden zuzufügen und dadurch Informationen zu erhalten. Nach Ansicht des Gerichts war diese Behandlung Folter."
Am 23.01.2004 wurde er in Handschellen und mit verbundenen Augen zum Flughafen von Skopje gebracht.

Dort wurde er von mehreren schwarz gekleideten Männern schwer geschlagen. Er wurde ausgezogen und ihm wurde ein Gegenstand anal eingeführt.
Ihm wurde eine Windel angelegt und ein Trainingsanzug angezogen. Gefesselt und mit Kapuze unter völliger sensorischer Deprivation, wurde er gewaltsam zu einem CIA-Flugzeug geführt.
Dieses Flugzeug brachte ihn nach Afghanistan, wo er fortlaufend verhört und in einem CIA-Gefängnis ohne Kontakt zur Außenwelt in einer kalte Betonzelle eingesperrt wurde. Er hatte nur eine dünne, dreckige Decke und einen Eimer als Toilette.
Er wurde gedemütigt, nackt ausgezogen, beleidigt und bedroht. Die Verhöre wurden uA von einem deutschen Muttersprachler durchgeführt. Nach mehreren Wochen trat er in einen Hungerstreik. Nach 34 Tagen Hungerstreik wurde er durch eine Nasensonde zwangsweise ernährt.
Später hat er herausgefunden, dass dem CIA damals bereits bekannt war, dass eine Verwechslung vorlag. Im Mai 2004 hat ihm ein Amerikaner, der sich als Psychologe vorgestellt hat, seine baldige Freilassung in Aussicht gestellt.
Als Bedingung für seine Freilassung wurde er gewarnt, dass er nie erwähnen sollte, was mit ihm passiert sei und dass es Konsequenzen geben würde, wenn er darüber spreche.
Ende Mai wurde er dann mit verbundenen Augen und an seinen Sitz gekettet ausgeflogen. Er wurde von dem deutschen Muttersprachler begleitet, der ihn vorher verhört hat. Ihm wurde gesagt, dass er in ein europäisches Land gebracht wird und schließlich nach Deutschland kommen wird.
Nach der Landung wurde er in ein Fahrzeug gesetzt und über kurvige Bergstraßen transportiert. Als das Fahrzeug stoppte, wurden Augenbinde und Handschellen entfernt. Ihm wurde sein Koffer und sein Pass gegeben.
Er wurde aufgefordert, der Straße zu folgen, ohne sich umzudrehen. Es war dunkel und menschenleer. Er ging davon aus, dass er von hinten erschossen und auf dieser Straße sterben wird. Nach einer Kurve standen drei bewaffnete Männer in Uniform vor ihm.
Sie haben ihn nach seinen Papieren gefragt und wieso er sich illegal in Albanien aufhalte. Er sagte ihnen, dass er keine Ahnung hätte, wo er sei. Er befand sich in Albanien in der Nähe der mazedonischen Grenze.
Er wurde zum Flughafen in Tirana gebracht und nach Frankfurt geflogen. Bei der Passkontrolle wollte man ihm nicht glauben, dass er die Person auf dem Foto sei, weil er abweichend davon lange Haare und Bart hatte sowie 18kg verloren hatte.
Zuhause angekommen war sein Haus verlassen. Seine Frau war mit den Kindern in den Libanon gezogen. Nachdem ihm Freunde eine Kontaktnummer gegeben haben, rief er sie an. Er konnte nur mit ihrer Mutter reden, weil seine Frau nicht sprechen konnte.
Er kam ursprünglich aus dem Libanon, hatte aber schon 20 Jahre in Deutschland gelebt. Die traumatisierenden Geschehnisse setzten sich in Deutschland fort. Der damalige Innenminister Schily (SPD) wurde im Mai 2004 vom US-Botschafter über den Fall informiert.
Die Bundesregierung hat trotzdem keinen Kontakt zu ihm aufgenommen. Er hatte Angst davor, öffentlich über den Fall zu sprechen. Seine Aussage hat er aufgenommen und an unterschiedliche Menschen geschickt, für den Fall, dass er wieder verschwinden würde.
Er hat sich mit dem Sachverhalt an einen Anwalt gewandt, der ihm anfänglich nicht glauben wollte. Weil die Beteiligten Staaten versucht haben, alles zu vertuschen, war es unglaublich schwierig, irgendwelche Umstände an die Öffentlichkeit zu bringen.
Nur mit der Unterstützung unabhängiger Journalisten, die mit Wikileaks kooperierten, und später von Menschenrechtsermittlern und Anwälten konnte er langsam seine Glaubwürdigkeit aufbauen und
Beweise sammeln, die seine Darstellung unterstützen.
Eine besondere Rolle hatte dabei John Goetz. Über einen anderen Fall in Spanien konnten die Namen von 13 beteiligten CIA-Agenten herausgefunden werden. Goetz hat versucht, diese in den USA zu interviewen.
Nach seinem Bericht in Panorama auf ARD, hat die Münchener Staatsanwaltschaft Haftbefehle gegen die Beteiligten CIA-Agenten erlassen.
Durch die spätere Veröffentlichung von diplomatischen Unterlagen (Cablegate) durch WikiLeaks wurde bekannt, dass die US-Regierung Druck auf die Bundesregierung ausgeübt hat, keine Auslieferung zu beantragen. Vorher wurde versucht, die Untersuchung an sich zu behindern.
In jeder Phase, in der er über seinen Fall gesprochen hat, haben sowohl seine eigene Regierung als auch diejenigen, die eine direkte Rolle spielten, versucht, seine Glaubwürdigkeit zu diskreditieren, und auf verschiedene Weise versucht, ihn zum Schweigen zu bringen.
Es waren immer Journalisten und Ermittler, die auf Grundlage von Wikileaks-Dokumenten durch ihre sorgfältige Arbeit seine Geschichte bestätigten und seine Glaubwürdigkeit wiederherstellen konnten.
In den USA hat der Vorfall keine Konsequenzen nach sich gezogen. Seine Ersuchen auf Gerechtigkeit blieben erfolglos. Nach CIA-Ansicht seien solche Fehler zu erwarten und die CIA-Führung müsse sich hinter ihre Mitarbeiter stellen.

de.wikipedia.org/wiki/Khaled_al…

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