-24 Tage. Die USA wählt. Wegen der Pandemie entscheiden sich heuer so viele Amerikaner:innen für eine Stimmenabgabe per Brief wie noch nie. Und gerade deswegen könnten 1.03 Millionen ihre Stimme verlieren -- in einer historischen Wahl. Wie kommen wir auf diese Zahl?
Wir haben uns angesehen, wie Amerika 2016 gewählt hat, um herauszufinden, wie viele Briefwahlkarten 2020 abgelehnt werden könnten. Der große Unterschied: Wenige wählten damals per Brief. Hinzu kommt, unerfahrene Briefwähler:innen machen häufiger Fehler beim Wählen.
Das erhöht das Risiko, dass ihre Stimme nicht gezählt wird. Es beginnt damit, dass jeder US-Bundesstaat andere Regeln hat. In Pennsylvania muss die Wahlkarte in einen "privacy" Umschlag, der wiederum in ein 2. Kuvert gesteckt wird. Wird das vergessen, ist die Stimme ungültig.
Wisconsin verlangt die Unterschrift eines Zeugen, um die Identität der Wähler:innen zu bestätigen. Alabama verlangt 2. Hilft dir jmd. beim Einsenden der Wahlkarte drohen Geldstrafen in Conneticut & strafrechtliche Anklagen in Texas mit bis zu zwei Jahren Haft.
Es gibt all diese kleinen Regeln, sagt Jan Combopiano. Verwende ich den richtigen Kugelschreiber? Darf ich das Kuvert mit Klebeband versiegeln? Brauche ich eine 2. Unterschrift? Sie nennt das "voter suppression by process" quasi Wahlunterdrückung ausgelöst durch den Vorgang.
Ein einziger Fehler = ungültige Stimme. Die Pandemie erschwert das Ganze. Im April als die Covid-19 Fälle stiegen, hielt Wisconsin dennoch Wahlen ab. Wer per Brief wählt, braucht eine Zeugenunterschrift. Kranke&Senioren waren davon nicht ausgenommen, die Risikogruppe für Covid-19
Die Covid-19 Fällen nehmen wieder zu, Präsident Trump wurde u.a. positiv getestet. Das bringt uns zurück zu den 1.03 Mio. verlorenen Stimmen. Wählen 50% der Amerikaner:innen per Brief -- ein durchaus realistisches Szenario -- könnten derart viele Wahlkarten abgelehnt werden.
Steigt die Abweisungsrate von Briefwahlkarten aus 2016 um nur 2% wären knapp 3 Mio. Menschen betroffen. Das sind fast so viele wie alle Einwohner:innen aus Wien & Salzburg oder mehr als Frankfurt am Main, Düsseldorf & Stuttgart zusammen.
Unrealistisch ist das nicht, bereits in den Vorwahlen, den primaries, wurden in einigen Bundesstaaten deutlich mehr Briefwahlkarten abgelehnt als noch vor vier Jahren. Wisconsin z.B. lehnte im April 2020 mehr als 3 Mal so viele Stimmen ab als in der Präsidentschaftswahl 2016.
In einer knappen Wahl könnten ungültige Stimmen entscheiden, wer der nächste Präsident wird. Ein abgelehnter Wahlzettel ist jedoch nicht nur eine abgelehnte Stimme. Je nach Bundesstaat stehen im November zusätzlich mehr als ein Dutzend Gemeinde-, und Länderwahlen zur Abstimmung.
Nicht jede/r ist gleichermaßen von den erhöhten Abweisungsraten betroffen. Die Briefwahlstimmen von Menschen aus Gemeinden mit geringem Einkommen oder BIPOC wurden in manchen Staaten und Bezirken eher abgelehnt als jene aus wohlhabenden oder mehrheitlich weißen Nachbarschaften.
Im diversen New York City -- Brooklyn, Bronx, Queens & Manhattan -- war es 2016 mehr als 2× wahrscheinlicher, dass eine Stimme als ungültig abgewiesen wurde als im Schnitt im ganzen Bundesstaat New York. Ähnliches galt für Latinx Gemeinden in Nevada & Schwarze in North Carolina.
Vieles wäre vermeidbar. Genügend Einwurfkästen für Wahlkarten und die Option Fehler zu korrigieren, könnten sicherstellen, dass mehr Stimmen zählen. Beamte vor Ort wollen ihrer Gemeinde helfen. Oft haben sie jedoch nicht die nötigen Mittel, durch Covid-19 ist das Geld knapp.
Wer mehr darüber erfahren will, wie Wahlvorsteher:innen mit oft zu wenig Unterstützung und Resourcen gegen die Zeit rennen, um allen faire Wahlen zu ermöglichen, hier ist unsere Recherche vom Juli: usatoday.com/story/news/inv…
Das US-Wahlsystem war nie für diese Menge an Briefwahlkarten entwickelt, es ist überstrapaziert. Seit Monaten unterwandert Trump das Vertrauen in d Briefwahl. Viele ungültige Stimmen wären kein Zeichen v. Wahlbetrug, sondern beispielloser Herausforderungen usatoday.com/in-depth/news/…
Ein Nachsatz, wer wissen will mit welchen Daten wir gearbeitet haben und wieso wir auf 1.03 Millionen und andere Zahlen kommen, wir haben unsere Entscheidungen hier zussamengefasst #ddj#methodologypbs.org/wgbh/frontline…
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Vergangene Woche haben wir eine Recherche über das US-Wahlsystem + den Wettlauf gegen die Zeit, Covid-19 und mangelnde Ressourcen publiziert. Wahlvorsteher:innen aus dem ganzen Land haben dafür ihre Sorgen mit uns geteilt. Heute legen wir den Fokus auf Wisconsin. Wieso Wisconsin?
Der US-Bundesstaat wird (mit-)ausschlaggebend dafür sein, wer der nächste US-Präsident wird. Wisconsin ist ein battleground state. Ein Beispiel, 2016 gewann Donald Trump den Bundesstaat mit nur 22.000 Stimmen und sicherte sich damit die Präsidentschaft.
Wisconsin ist auch jener Staat, der trotz der sich ausbreitenden Pandemie an dem ursprünglichen Wahltermin für den Primary, das Bundesgericht etc. festhielt. Am 7. April nach juristischem Hin & Her, das bis vor den obersten Gerichtshof, den U.S. Supreme Court, ging, wurde gewählt
In 16 Wochen wird der US-Präsident gewählt. Ich weiß nicht, inwieweit man sich außerhalb Amerikas vorstellen kann, wie strapaziert das US-Wahlsystem ist. Das heißt, jene Menschen, die die Wahlen hier organisieren & abhalten. Konfrontiert mit +Covid-19 Fällen, zu wenig Geld & Zeit
Wir haben mit Dutzenden von ihnen gesprochen. Viele haben ihre Budgets für 2020 schon jetzt erschöpft. Das zusätzliche Geld über den CARES Act -- ein Gesetz, im März erlassen, mit u.a. $400M Zuschuss für die Wahl im November -- ist ebenfalls bereits ganz oder fast aufgebraucht.
Nehmen wir Forrest Lehman, er verwaltet die Wahlen in Lyoming County in Pennsylvannia, einem ~100k EW Landkreis. $48,000 hat er via den CARES Act erhalten, das hat ihn gerade mal durch den Primary im Juni gebracht. Für November ist nichts mehr übrig.