Israel ist am 18. Sept. in den 2. Lockdown gegangen, am 29. stoppte der Anstieg der Neuinfektionen. Jetzt, knapp 5 Wochen später, nähern sich die Neuinfektionen wieder den 50/100.000/Woche und es wird gelockert. ourworldindata.org/coronavirus-da…
Tschechien hatte ab dem 5. Oktober den Notstand ausgerufen und Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht und Teilschliessungen von Schulen, Kultur- und Sporteinrichtungen verfügt, aber allgemeine Schul-, Betriebs- und Grenzschliessungen ausgeschlossen.
Am 21. Okt. wurden dann doch alle Schulen, Bars, Gastronomie, Hotels und Einzelhandel außer Lebensmittel dicht gemacht, nächtliche Ausgangssperre und Maskenpflicht im Freien und auch in PKWs verhängt; am 28. Okt. war dann der Höhepunkt erreicht, seitdem stagnieren Neuinfektionen.
An den Beispielen sehen wir, dass sich ein erfolgrecher Lockdown so nach 10-12 Tagen bemerkbar macht und es weitere 3-4 Wochen braucht, um Inzidenzen unter 50 zu bekommen, allerdings mit einem deutlich härteren Lockdown, als das, was wir ab morgen bekommen.
Bei uns sind allerdings die Inzidenzen niedriger als zu den Zeitpunkten, als Israel und Tschechien in den Lockdown gegangen sind.
Als wahrscheinlichstes Szenario sehe ich, dass die Neuinfektionen in Deutschland die nächsten zwei Wochen stark weiter steigen und nicht sinken werden, bevor aus Panik weitere Verschärfungen wie Schulschliessungen und Ausgangssperren beschlossen werden.
Mit etwas Glück sind wir dann kurz vor Weihnachten wieder bei Inzidenzen unter 50, so dass ab Mitte Dezember Lockerungen möglich sein werden. So in etwa wird es laufen, wenn es keine Überraschungen gibt und das Virus nicht auf neue Ideen kommt.
Leider wird das alles von insgesamt 200.000-300.000 neuen Infektionen und 1000-3000 Toten begleitet sein, und wir werden in einigen Gegenden unschöne Bilder von überlasteten Kliniken sehen.
Es kann allerdings alles noch viel kommen, nämlich, wenn die Schüler nicht einsehen, dass sie im Klassenverband zusammenhocken sollen, aber sich in der Freizeit nicht treffen dürfen, und viele Malocher nicht einsehen, dass sie nur arbeiten und nicht feiern sollen.
Der neue Lockdown, der vor allem Freizeitaktivitäten einschränkt, könnte auf deutlich begrenztere Akzeptanz stoßen, als das derzeit angenommen wird, auch, weil er widersprüchliche Signale sendet mit all den Aktivitäten, die weiter erlaubt sind, solange sie kein Spass machen.
Anekdotisch habe ich aus Gesprächen mit jungen Leuten den Eindruck gewonnen, dass die meisten von ihnen null Angst vor Corona haben, und sie haben, was ihr eigenes Risiko betrifft, nicht ganz unrecht.
Wahrscheinlich wird der Lockdown aber Wirkung zeigen, und wir werden um Weihnachten herum eine “Verschnaufpause” haben, aber bei der jetzigen erklärten Strategie werden wir nicht ohne weiteren Lockdown im März oder April durch den Winter kommen. Wenn alles gut läuft.
Mit Vorhersagen ist es aber nicht leicht, dieser Virus ist immer für Überraschungen gut, und die Reaktion der Politik scheint mir bei der neuen Welle nicht wesentlich ausgefeilter zu sein als bei der 1. Welle, sondern vor allem etwas verzagter, was nicht hilfreich ist.
Das ist alles gegen die Erkenntnis, dass ein früher und harter Lockdown kürzer und epidemiologisch und wirtschaftlich besser ist, wenn man die Kontrolle verloren hat, so wie das bei uns fast überall im Land der Fall ist.
Die Obergrenze von 50 Fällen/100.000 wurde gewählt, weil das die Grenze ist, wo die Gesundheitsämter noch mit dem Tracken und Isolieren noch halbwegs mitkommem. Schaut man sich die aktuellem Inzidenzen an ist klar, dass wir in 80% der Landkreise die Kontrolle verloren haben.
Wo die Politik aus meiner Sicht weitgehend versagt hat ist, neue Handlungsoptionen zu eröffnen und auf den Winter hin zu planen, was das mindeste gewesen wäre, als man gelockert hatte. Stattdessen jammern alle Politiker, wie ungern sie die neuen Maßnahmen beschließen.
Die Maßnahmen sind dabei nicht neu, sondern ein bekannter Ausdruck von Hilflosigkeit. Und was ist eigentlich Plan C, nachdem Plan A und Plan B nicht funktioniert haben und wir deshalb Plan B wiederholen, weil er so halb funktioniert hat.,
Wieso sollte Plan B, der uns eine neue Welle beschert hat, uns keine weitere Welle im Winter bescheren? Was wir gerade machen, ist nicht nachhaltig, sondern eine Notmaßnahme, exzessiv und alternativlos, die sich wiederholen wird, wenn wir diesmal nicht etwas anders machen.
Was wir diesmal anders machen könnten ist, langsamer zu lockern und Gebiete im Lockdown zu belassen und abzuriegeln, die die Ausbreitung nicht im Griff haben, und im Griff haben heisst, dass die Zahlen stetig sinken, bis sie einstellig sind.
Ich rechne aber damit, dass auch diesmal zu schnell und zu früh und zu großflächig gelockert werden wird, weil man dem Druck nicht standhalten wird. Wo bleibt eigentlich die Strategie, Unpopuläres in Europa zu beschließen und sich rauszureden, man könne nicht anders weil Europa?
Ich bin jedenfalls alles andere als glücklich darüber, dass wir die Erfolge, die wir bei der ersten Welle schmerzhaft erzielt hatten, so schnell verspielt haben. Ja, wir stehen noch besser da als viele Nachbarn, aber Norwegen, Finnland und jetzt auch Dänemark sind besser.
Als EU haben wir derzeit auch eine fast doppelt so hohe 7-Tage-Inzidenz wie die USA und es sterben auch mehr Menschen bei uns, auch wenn wir bei der Gesamtzahl der Infizierten und Toten noch besser dastehen, weil wir die erste Welle besser bekämpft haben.
Es ist auch unklar, wie sich die Winterwelle in den USA entwickeln wird, wo sie nun auch mit Verspätung loszurollen scheint. Auf jeden Fall gibt es keinen Grund, als Europäer auf die USA herabzuschauen, denn die EU-Zahlen sehen gerade schlechter aus, und die deutschen bald auch.
Ich würde mir wünschen, dass man sich jetzt EU-weit oder meinetwegen auch erst mal der Schengen-Raum zusammensetzt und sich auf eine Strategie einigt, die nicht 450 Millionen Menschen periodisch in Lockdowns schickt, unterbrochen von halbgaren Phasen der Lockerung.
Ideen dazu gibt es viele, und auch genug Beispiele, wie es denn gehen kann, aber Lernen vom Ausland war seit über 100 Jahren nicht wirklich eine deutsche Stärke. Ich hoffe dennoch, dass wir Corona ohne 3. Lockdown in den Griff kriegen, aber erst mal müssen wir durch den 2. durch.
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Gerade einen anekdotischen Bericht aus einem tschechischen Dorf bekommen. Jeder hat Freunde oder Verwandte, die infiziert sind, aber im Alltag verhalten sich die Leute, als gäbe es Ansteckung allenfalls unter Fremden.
Die Familie besucht munter übers Wochenende die Grossmutter, obwohl, obwohl die Freundin vom einen Enkel und Klassenkameraden vom anderen infiziert sind.
Die Großmutter besucht alle zwei Tage Freunde und Verwandte, um zu erzählen und zu hören, wer sich jetzt wieder alles angesteckt hat oder im Krankenhaus liegt oder tot ist.
Dass Flecktarn und Kampfstiefel am Schreibtisch albern ist und aussieht, geschenkt. Aber wie zusammengepfercht arbeiten die Leute da? Am Computer sitzend mit Maske, um zu telefonieren?Zusammen in einem Raum? Sind die nicht ganz dicht? Gesundheitsamt?! bz-berlin.de/berlin/mitte/l…
Schaut euch das Bild an. Mindestens einer von den Leuten auf dem Bild ist infiziert - oder wird es fast sicher in den nächsten zwei Wochen sein. Ich würde es ablehnen, unter solchen Bedingungen zu arbeiten, aber das sind ja Beamte und Soldaten, die kann man verheizen.
Die Masken bringen bestenfalls Faktor 10 - statt nach 1 Stunde ohne Maske steckt man sich mit Maske dann nach 10 Stunden an. Und überhaupt, das sind doch überwiegend Tätigkeiten, die man alleine aus dem Home-Office machen kann - wieso hocken die alle aufeinander?
Vor drei Wochen, Anfang Oktober, warnte die Bundeskanzlerin davor, dass es so nicht weitergehen kann und prognostizierte 19.000 neue Infektionen pro Tag bis Weihnachten, wenn sie Zahlen so weiter steigen. Heute hatten wir 18.681. t-online.de/nachrichten/pa…
Im Artikel wurden die Zahlen für zu hoch gehalten, die Verdoppelungsrate sei langsamer, aber alles dennoch bedrohlich. Merkel erwähnte nicht oder glaubte nicht, dass die Zahlen sehr viel schneller und stärker steigen könnten, wobei sie es eigentlich wissen musste.
Sie hat nämlich in dieser Rede von Mitte August darauf hingewiesen, dass die Gesundheitsämter einen wichtigen Beitrag leisten, aber nicht erwähnt, was passiert, wenn diese nicht mehr mitkommen, was jetzt eingetreten ist. bundesregierung.de/breg-de/themen…
Corona-Zahlen-Update Deutschland 30.10.2020: Neuinfektionen auf Rekordhoch, Todesfälle steigen, 7-Tages-R bei 1,4, keine Anzeichen für Verlangsamung des Anstiegs.
Im Ländervergleich auf pavelmayer.de/covid/risks/ jetzt Bremen, NRW und Hessen vor Berlin und Hamburg. Nur noch Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern unter 50 Neuinfektionen/100.000 Einwohner.
In den Top 30 dominiert jetzt NRW mit 11 Landkreisen vor Bayern mit 8. Schaut man sich die Städte an, so steht quasi das ganze Ruhrgebiet in "Flammen". Berlin nur noch mit Friedrichshain-Kreuzberg auf Platz 13 vertreten.
Man kann die Strategien der verschiedenen Länder so klassifieren: 1) Länder, die es in der ersten Welle haben laufen lassen und dann doch zum Teil harte Maßnahmen ergreifen mussten: z.B. UK, USA, Schweden, Brasilien
2) Länder, die die erste Welle mit einem Lockdown halbwegs unter Kontrolle gebracht und dann fühzeitig Maßnahmen zurückgefahren und die Grenzen geöffnet haben: z.B. die meisten europäischen Länder
3) Länder, die die erste Welle mit einem Lockdown gut unter Kontrolle gebracht haben und dann weiter gut aufgepasst haben, etwa China, Neuseeland, Australien, Taiwan und Südkorea
Die Berliner Corona-Ampel zeigt weiterhin grün. Von einem Senat, der es seit Monaten nicht schafft, dieses einfach zu lösende Problem zu beseitigen, kann man auch keine effektive Politik zur Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten.
Es ist für mich ein klares Zeichen, dass die Verantwortlichen nicht verstehen, was vor sich geht und auch nicht lernfähig sind.
Dabei ist es gar nicht so schwierig; im Grunde genommen sogar trivial. Man braucht nur zwei Dinge zu wissen und zu verstehen und eine Regel zu befolgen: