Mir ist gerade das erste Mal so wirklich bewusst klar geworden, was ich an der Auskunft und Beratung im Bereich Open Access (OA) als so anders und so viel anstrengender und frustrierender empfinde, als in anderen Bereichen.
Getriggert wurde diese Erkenntnis durch die folgende Nachfrage eines Unbeteiligten zu einem Beratungstelefonat, das ich eben hatte:

"Konntest Du den Wissenschaftler wenigstens glücklich machen?"
Meine ehrliche Antwort lautete:

"Ja. Also nein. Also ja, ich konnte ihm seine Fragen beantworten und ihm bei der Lösungsfindung helfen, aber nein, ich konnte ihn nicht glücklich machen, eher unglücklich, denn er hat jetzt mehr Arbeit."
Es ging um die Tatsache, dass der Wissenschaftler seine fertige Publikation laut der für ihn gültigen Richtlinie Grün OA machen muss, wenn sie nicht Gold OA ist. Also recherchierte ich die Zeitschrift, erklärte ihm, dass Grün dann sein Weg sei und sich das ...
... über sein Accepted Manuscript in einem Repositorium regeln lässt. Ich erklärte ihm auf Nachfrage was Accepted Manuscript und Repositorium sind, wie er das Repositorium bedient, ...

Am Ende hatte er alles was er brauchte. Am Ende war er aber nicht glücklich, eher frustriert.
Das alles ist nämlich Arbeit für ihn. Zum einen das Verstehen und Verarbeiten und zum anderen das Umsetzen. Mehr als nachvollziehbar.

Es bleibt bei ihm so übrigens auch ein latent negatives Gefühl OA gegenüber, weil es kompliziert ist und Arbeit macht. Aber das nur nebenbei.
Mir bleibt hingegen, dass ich dem Wissenschaftler zwar helfen, ihn aber nicht glücklich machen konnte.

Nun ist es prinzipiell ja auch nicht meine Aufgabe Wissenschaftler:innen in der Beratung glücklich zu machen - das Wording ist schon unpassend, "zufrieden" trifft es eher - ...
... aber dennoch ist dieses Berstungsergebnis anders als z.B. das einer Rechercheberatung. Bei letzterem verlassen die Wissenschaftler:innen die Beratung oft mit dem Gefühl, dass ihnen Arbeit erleichtert oder sogar abgenommen wurde. Bei der OA-Beratung ist es meist umgekehrt.
Mir ist klar, dass das nicht pauschal gilt. Das möchte ich klar sagen. Es gibt in die eine und die andere Richtung Ausnahmen. Definitiv. Die OA-Beratungen mit richtig positivem Feedback und die Rechercheberatung mit richtig negativem Feedback, z.B. weil Mehrarbeit.
Meine langjährige Erfahrung in der OA-Beratung fühlte sich jedoch sehr von der Nachfrage da ganz oben am Anfang dieses (viel zu) langen Threads getriggert.
Ja, eine erfolgreiche Beratung hat nicht direkt etwas damit zu tun die beratene Person glücklichen oder zufrieden zu machen, aber glückliche oder zufriedene Personen geben positiveres Feedback und wie Beratungswesen sind auch nur Menschen, die sowas ab und an einfach brauchen.

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10 Dec
Einige Menschen sollten sich dringend mal mit der aktuellen Forschung zum Thema "Predatory Publishing" befassen. So einfach, wie die sich das machen wollen, ist es nämlich nicht. Im Gegenteil. Leider stört das aber beim Polemisieren 🙄 Den Schaden hat am Ende die Wissenschaft.
"Das ist nicht Elsevier, das muss Predatory sein."

Wow, Sven-Torben, auf welcher Werbeveranstaltung hast Du Dir denn das so unreflektiert eintrichtern lassen?!
"Den Verlag kenne ich nicht, der muss Predatory sein."

Nein, Hans-Günter, nur weil ein Verlag keine Zeitschrift in Deinem Forschschubgsgebiet herausgibt, ist er nicht automatisch Predatory, aber Deinen Tellerrand siehst Du noch, ja?
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15 Apr
Ja, ja, ich weiß, über Paywalls vor wissenschaftlichen Artikeln habe ich schon oft geredet und Ihr wisst alle wie scheiße das ist, gerade jetzt. Aber wisst Ihr auch schon was für einen Spaß man mit Büchern haben kann, wenn man in einer wissenschaftlichen Bibliothek arbeitet?
Ein Beispiel? Heute gab es den folgenden Dialog in meinem Postfach:

Nutzer: "Ich hätte gerne Buch X von Verlag Y als PDF/E-Book."

Ich: "Es tut uns leid, Verlag Y stellt Buch X nicht als PDF/E-Book für Bibliotheken bereit."
Ja, richtig gehört, denn wenn die von Verlag Y angebotene Lizenz es nicht hergibt, können wir es nicht kaufen und unseren Nutzern bereitstellen. Meist gibt es nur Einzelplatz-Lizenzen, also nur ein Mensch darf es lesen, d.h. wir dürfen es nicht zentral speichern und verlinken.
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