Thread by @sarkusmenn

Na gut aus den Niederungen der Innenpolitik zu den wirklich wichtigen Dingen. Heut ist wieder Zeit für eine 🇺🇸#USAnalyse. Georgia mit ca. 10 Millionen EinwohnerInnen wird morgen über zwei Plätze im US Senat entscheiden. Heute ein bisschen was zur Entwicklung der Wahlergebnisse /1

Man könnte meinen, dass Georgia immer schon fest in republikanischer Hand war. Nach der Zeit des Solid South (endet zur Wahl Kennedys zum Präsidenten) stimmt das bei Präsidentschaftswahlen fast durchgehend. Ausnahmen sind natürlich Jimmy Carter und die 1. Wahl von Bill Clinton.

Und auch ein Third-Party-Candidate (George Wallace) konnte 1968 den Bundesstaat für sich gewinnen. 2020 war der Sieg von Joe Biden hier natürlich eine sensationelle Ausnahmeerscheinung im bisher eher konservativen Süden.

Auf Bundesstaatsebene (also zB Gouverneure) oder Senats-Ebene war aber die Zuordnung von Georgia zu einem klassischen "Red-State" lange nicht so deutlich. Bis 2003 waren die Gouverneure mehr als 100 Jahre lang Demokraten.

Und bis 2003 bzw. bis 2005 waren die Senatssitze fast durchgehend durch Demokraten besetzt. Warum also gleicht es einer kleinen Sensation, dass die Demokraten 2021 sich gleich zwei Senatssitze in Georgia sichern könnten?

Dazu ein Blick in die Biografien der Demokraten, die in Georgia auf Bundesstaatsebene gewählt wurden. Beispielhaft sei hier Zell Miller genannt, der zuerst Gouverneur und danach Senator war. In seiner ersten Amtszeit als Gouverneur hat er noch als gemäßigt gegolten.

Laut Jimmy Carter (ehem. US Präsident aus Georgia) hat sich das in seiner zweiten Amtszeit drastisch geändert und er wurde mehr und mehr konservativ bis hin zu seiner Wahlempfehlung für George Bush im Jahr 2004 (inkl. Auftritt auf der Republican National Convention).

Auch Dinge wie die klare Ablehnung der Ehe für Alle haben ihn zu einem conservative Democrat bzw. am Ende sogar zu einem Republikaner werden lassen. Conservative Democrats sind heute selten, es gibts sie aber in Form des Blue Dog Caucus (18 Mitglieder im Repräsentantenhaus) und

auch auf Senatsebene mit Joe Manchin und am ehesten auch noch Krysten Sinema aus Arizona. Das spannende an den Wahlen in Georgia 2018 (Gouverneur) bzw. 2020 (zwei Senatssitze) ist, dass eben nicht ausgemachte "konservative" Demokraten um den Sieg mitmischen.

So sind sowohl Ossoff als auch Warnock beispielsweise klar Pro-Choice. Etwas, das für die ehemaligen demokratischen Vertreter Georgias im Senat eher undenkbar war. Und auch die NRA bewertet beide Demokraten mit dem schlechtesten Ranking F.

Der konservative Demokrat Manchin aus West Virginia hatte beispielsweise zu Beginn seiner Senatszeit noch das Ranking A bzw. A+ der NRA und bei seiner Wiederwahl vor 2 Jahren immer noch D.

Lange war die Weißheit, dass nur gemäßigte oder eher konservative Demokraten in den südlichen Bundesstaaten gewinnen können. In einem sehr konservativen Staat wie West Virginia macht das natürlich eher Sinn. Und auch die schon angesprochene Krysten Sinema

hat in Arizona 2018 einen eher gemäßigten (leicht konservativen) Wahlkampf geführt und so in einem traditionell republikanischen Staat gewonnen. Allerdings hat mit Mark Kelly ein eher nicht konservativer Demokrat gerade eben ein Sensatsrennen dort gewonnen.

Zurück zu Georgia: Das man kein konservativer Demokrat sein muss, um Siegchancen zu haben liegt natürlich am drastischen Wandel, den der Bundesstaat in den letzten Jahren durchgemacht hat. So waren 1980 noch ca. 75% der EinwohnerInnen weiß (davon ganz wenige Hispanics).

Heute gibt es 60% "Whites" (davon ca. 10% Hispanics) und deutlich mehr Schwarze. Das ist insofern hochrelevant, da Schwarze mittlerweile die treuesten Wähler der Demokraten sind.

Und gerade aus der verstärken WählerInnenregistrierung und der starken Mobilisierung vom "Black Vote" ziehen die Demokraten in Georgia 2021 ihre Siegchancen. Hier spielt natürlich Early Vote (vgl. Briefwahl oder vorgezogene Wahltage in Österreich) eine große Rolle.

Gerade Menschen die an einem normalen Arbeitstag nicht stundenlang in Schlangen stehen können, profitieren von solchen Möglichkeiten. Und vielleicht haben sogar die Angriff von Trump auf diese Wahlmöglichkeiten zur verstärkten Nutzung ebendieser beigetraen.

Ob es sich mit 1 oder sogar 2 Sensationssiegen der Demokraten in Georgia ausgeht, wird man in den kommenden Tagen sehen. Die ersten praktischen Auswirkungen wird es bei Besetzungen von Joe Bidens Kabinett (Abstimmungen im Senat) haben.

Und natürlich regiert es sich mit einer knappen Mehrheit (50:50 mit Tie-Breakerin VP Kamala Harris) zumindest etwas leichter als mit Mitch McConnel als Mehrheitsführer des Senats. Ein divided Government gab es zuletzt beim Amtsantritt von George W. Bush.

Falls es euch interessiert :) @ThomasWalach @tomlangpaul @pablodiabolo