Thread. Lang.
Ich könnte bloggen, aber ich will es hier lassen, wo es hingehört.
Ich stehe an meiner Bar und sage einen Satz*1, ganz spontan. Der Raum ist voll. Drei Leute setzen sich zu mir, bestätigen mich oder fragen kritisch nach. Wir diskutieren nett. Wir kennen //
*1Tweet
// uns locker, können einander relativ gut einschätzen und fragen bei Unklarheiten interessiert nach. Es kommen noch zwei dazu und spannende Blickwinkel ergeben sich.
Plötzlich kommt einer und brüllt eine Gegenrede. Jemand versucht ihn zu mäßigen, aber zwei weitere stehen ihm //
// bei – einer höflich, einer mit unangenehmem Ton. Letzterer ruft ein paar Freunde an und erzählt ihnen von meinem Satz, aber nicht einfach nur so: er bewertet ihn, deutet ihn, ohne mich zu fragen. Seine Freunde am Telefon sind entsetzt. Einer kommt sofort in die Bar gerast //
// und knallt mir sieben schlecht kopierte Artikel auf den Tresen, die er schon vielen gezeigt hat. Ein anderer ruft mich auf dem Festnetztelefon*2 an. Ich höre höflich zu, aber lege dann auf, denn alle vor der Bar reden ja auch weiter mit mir. Ich versuche zu //
*Facebook
// verstehen und zu sortieren.
Nun klingelt und bimmelt auch noch mein Handy. Viele Leute haben den Satz gesagt bekommen, immer mit ein paar wertenden Worten davor. Denn mehrere Barbesucher haben inzwischen Freunde informiert. Weder den Anruf noch die Nachrichten im Messenger //
// kann ich in Ruhe lesen. Im Überfliegen merke ich, dass sie vielfach nichts mit meinem Satz zu tun haben. Er wurde ausgelegt, ohne nachzufragen. Oder er wurde als Aufhänger benutzt, um eigene Themen loszuwerden. Die soll ich mir jetzt auf jeden Fall zu Herzen nehmen, denn sie//
// sind wichtig!!
Die konstruktive Auseinandersetzung mit den ersten fünf Sympathisanten und Gegnern meiner Meinung ist schon lange nicht mehr möglich. Einer der später Hinzugekommenen springt ständig auf und brüllt seine These. Da kommt noch eine Nachricht am Handy an: Ein //
// beruflicher Kontakt fragt nach, was los sei. Ihm wurde von mehreren Personen von meinem Satz berichtet. Einmal war es eine höfliche Nachfrage, wie er dazu stünde, die anderen Male waren es hasserfüllte Beleidigungen. Ich entschuldige mich, versuche zu erklären, aber stoppe. //
// Zu viele reden vor der Theke auf mich ein. Manche sprechen gar nicht mehr mit mir, sondern mit neu dazugekommenen, die teilweise vorsichtig nachfragen, teilweise aber auch brüllen. Manche kämpfen regelrecht für mich, ohne dass ich sie gebeten habe. Bei den meisten, egal von //
// welcher Seite, geht es nicht mehr um den Satz, sondern um meine Person.
Mir ist heiß. Hinter der Menge stehen zwei, drei Menschen, deren Gesicht ich nicht erkennen kann, weil so viele zwischen uns sind. Sie brüllen derbe Schimpfwörter und dass sie mich zerstören wollen. Sie//
//stellen meine bisherige Arbeit in Frage und sprechen von Fertigmachen. Das Telefon klingelt ununterbrochen, fremde Gesichter brüllen durchs Fenster*3 und durch die Küchentür*4. Ich schaue wieder auf mein Handy: die Nachricht eines Unbekannten*5.//
*3 Instagram
*4 E-Mails
*5 DM
//Er fragt sehr nett, ob es sein könnte, dass ich meinen Satz auf diese Art gemeint habe, und weist mich daraufhin, dass er durch den einen Begriff falsch verstanden worden sein könnte. Ich bin dankbar und antworte ihm, dass es genauso war, wie er es schreibt.
Da schlägt mir //
//jemand auf den Arm und mein Handy fällt hin. „Hör mir zu!“ brüllt er. Einer der ersten Gesprächspartner schiebt seinen Arm weg und klettert zu mir hinter den Tresen. Gemeinsam verlassen wir die Bar durch die Hintertür. Ich schließe sie ab, stelle mein Handy aus*6.//
*6 Block
//Mehrere sind uns hinterhergelaufen, hämmern an die Tür: „Hör mich an!“, „Schlampe!“, „Immer wieder machst Du das!“, „Das ist doch alles Kalkül!“, „Ich bin eine angesehene Person, mir musst Du zu hören!“ usw.
Wir laufen weg, setzen uns auf eine Bank, atmen durch. Ich sortiere//
//meine Gedanken.
Nach einer unruhigen Nacht, in der ich kaum geschlafen habe, schaue ich durch ein kleines Fenster wieder in die Bar. Fast alle sind noch da. Einige schimpfen noch über mich, andere stehen vor anderen Leuten, die einen Satz gesagt haben, und beschimpfen diese,//
// ohne ihnen zuzuhören. Und wieder andere machen ganz andere Dinge: lesen, reden friedlich, malen was, telefonieren und quatschen übers Wetter.
Ich winke einigen der Personen, die gestern zuerst zu mir an die Theke gekommen waren. Sie klettern durchs Fenster zu mir //
//hinaus*7 und wir reden wieder. Ich finde heraus, was an meinem Satz nicht gut war. Sie stellen fest, was an ihren Kritikpunkten überzogen war und wo sie mich falsch verstanden hatten.
Da drückt sich eine Nase von innen an das kleine Fenster. Es ist einer von //
*7 entblocke
// denen, der gestern vollkommen unbeteiligte Kumpel angerufen und zum Mitmachen animiert hatte. Er brüllt: „Du musst uns anhören! Sonst bist Du ein schlechter Mensch. Und ignorant!“
Nein. Muss ich nicht. Bin ich nicht.
Es geht mir nicht um mich oder um Mitleid. Ich wünsche mir Obacht im Umgang miteinander. Auch in der Fehlerkultur.
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Ich fand den Begriff "toxische Menschen" lange irgendwie doof. Das schien mir zu krass und auch irgendwie inflationär verwendet. Inzwischen habe ich mich näher damit beschäftigt und kann mit den Definitionen durchaus etwas anfangen:
grenzüberschreitend und übergriffig, //
// ignorieren deine Privatsphäre, tun ohne Reue Dinge, die ihnen nicht zustehen und ohne rechtliche Grundlage,
besitzen kein Schuldbewusstsein und sind nicht zum Eingeständnis von Fehlern fähig,
nehmen nur dann Rücksicht auf deine Gefühle und Bedürfnisse, wenn es ihrem eigenen //
// Vorteil dient,
provozieren aus Banalitäten Streit, obwohl die Angelegenheit mit einem kurzen Gespräch leicht zu klären wäre,
haben eine übersteigerte Anspruchshaltung, ohne dafür eine geeignete Gegenleistung zu erbringen,
sind missgünstig und eifersüchtig auf alles, was dir //
Hast Du ein schüchternes Kind? Fällt Dir die Begleitung manchmal schwer oder macht Euch das Umfeld den Alltag anstrengend, weil das Kind ständig in Frage gestellt wird? Es müsste doch mutiger, lauter, selbständiger...sein?!
Dann ist mein Buch für Dich gedacht.
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Was kannst Du tun? Was solltest Du lassen? Und wie lenkst Du den Fokus auf das, was alles ganz wunderbar ist an Deinem Kind?
"Mein wunderbares schüchternes Kind" erscheint am 20.02.2021 im @humboldt_verlag und kann jetzt schon überall vorbestellt werden.
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Kosten: Buchpreis plus Porto und Versand, auch ins Ausland möglich, regeln wir individuell.
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"[Es] bieten sich in Kita und Schule eine Reihe von Möglichkeiten, das [durch Elterntrennung] in Bedrängnis geratene Bedürfnis eines Kindes oder Jugendlichen nach Anerkennung zu stärken, worunter natürlich nicht das im pädagogischen Alltag häufig anzutreffende Wechselspiel //
// zwischen Lob und Tadel gehört. Vielmehr geht es darum, Verhaltensauffälligkeiten nicht, wie dies häufig geschieht, als 'Störung' zu betrachten, sondern als einen zunächst adäquaten, also durchaus passenden Ausdruck der Gefühlslage des Kindes."
(C. Koch)
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// Diesen Blick auf die Möglichkeiten von Kita und Schule finde ich spannend; da ist noch viel Potenzial.
Aber auch die Formulierung ist großartig: "Aufmerksamkeit wollen" ist so negativ beladen. Wir sollten es positiv oder zumindest neutral betrachten: Das Kind zeigt sich.
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CN Missbrauch
Der Verein Bindungs(t)räume setzt sich für gesunde Eltern-Kind-Bindung und gewaltfreie Kindheit ein. Ein Projekt wie der Film „Und ruhig fließt der Rhein“ ist ein entscheidender Baustein auf dem Weg in eine Zukunft, in der Kinder bindungsstark und ohne Gewalt //
// großwerden können. Glücklicherweise legen immer mehr Eltern Wert auf eine bedürfnisorientierte und beziehungsreiche Begleitung ihrer Kinder, was die Basis ist für grundlegende gesellschaftliche Veränderungen auf diesem Feld – aber es gibt noch viel zu viel Leid und viel zu //
// viel zu tun. Wir hoffen, der Film trägt weiter zur Enttabuisierung und Sensibilisierung bei.
➡️ Der Dokumentarfilm ist ein intimes Porträt über einen außergewöhnlichen Menschen, der sich den Dämonen der Vergangenheit stellt und eine neue Zukunft findet. Es ist eine //
Thread:
Wie es mich nervt, dass ich von allen Seiten diesen Textausschnitt geschickt bekomme, dass eine Mutter ihrem Kind die Klobrille warm föhnt!
Ich verstehe ja: klingt lustig bis irre, total verwöhnte Kinder & sich selbst aufgebende Eltern sind für keinen gut.
Aber:
Das wird nicht nur als kurzer Spaß ausgestellt, sondern an vielen Stellen als hämische Kritik. Dabei ist es wie so oft: 1. Wir kennen die Umstände nicht. 2. Und wer zieht die Grenzen fürs Verwöhnen?
Vielleicht ist diese Mutter allein mir dem Kind, muss morgens pünktlich wegsein, das kalte Klo ist täglich Streitfaktor hoch zehn, das ist ihre momentane Lösung. Warum nicht? Vielleicht sind dafür Anziehen, Frühstücken, Zähneputzen ohne weiteres Trara möglich?