Meine Rede von der heutigen Schüler*innendemo Gegen Abschiebungen:
#Thread
Letzte Woche war ich vor Ort bei der Zinnergasse 29A, als mitten in der Nacht, von Wega-Beamten und Polizeihunden umzingelt, zwei Familien mit teils jungen Kindern abgeschoben wurden. Stundenlang standen wir dort in eisiger Kälte und haben protestiert.
Um 5 Uhr haben die Polizistinnen und Polizisten plötzlich begonnen, runterzuzählen. 3, 2, 1. Die Sitzblockaden wurden brutal aufgelöst und binnen 30 Sekunden waren die Familien weg. Die Szenen, die ich dort gesehen habe, waren eines Landes wie Österreich unwürdig und beschämend.
Es waren Szenen, mit denen ich als 16-Jähriger eigentlich nicht konfrontiert werden sollte. Erst recht aber waren es Szenen, die kein Kind und überhaupt kein Mensch am eigenen Leib erfahren sollte. Mich hat diese Nacht nicht kalt gelassen. Ich wollte und musste etwas dagegen tun.
Gemeinsam mit über 60 Schulen aus Ostösterreich habe ich dann in einem Statement klargestellt, dass wir Schüler:innen diese menschenfeindliche Politik nicht mittragen können und werden.
In Artikel 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern ist festgehalten, dass das Wohl des Kindes bei allen Maßnahmen eine vorrangige Erwägung sein muss. In Österreich müssen alle Kinder sicher und ohne Angst leben können.
Kein Kind darf sich fürchten müssen, dass in einer Nacht plötzlich ein Dutzend bewaffneter Polizeibeamter vor der Tür steht, um einen aus der eigenen Wohnung zu reißen. Niemandem darf einfach so seine Zukunft gestohlen werden. Kindeswohl muss ausnahmslos Vorrang haben!
Wir Schüler:innen dürfen nicht länger zusehen, wie unsere Rechte mit Füßen getreten werden. Und wir sind viele. Wer diese Kinder aus ihrem Leben reißt, der reißt auch einen Teil von uns heraus! Wer sie angreift, der greift uns alle an!
Wenn der Innenminister sagt, Recht muss Recht bleiben, kann ich nur erwidern: Auch Kinderrecht muss Recht bleiben! Und auch wenn die negativen Asylbescheide der Familie rechtens waren, war es die Abschiebung selbst nicht. Denn das Kindeswohl war nicht vorrangig.
Und das schlimme ist ja: Politiker wie Innenminister Nehammer wissen das ganz genau. Sie wissen, dass diese Abschiebungen gegen Kinderrechte verstoßen haben. Es ist ihnen nur einfach egal. Denn so können sie aus dieser Situation am besten Kapital für ihre Partei schlagen.
Hier dürfen Politiker:innen nicht feig Parteipolitik über humanitäre Verantwortung stellen. Dabei ist für uns alle klar, was verantwortungsvolle Entscheidungsträger:innen jetzt tun könnten. Es braucht wieder eine unabhängige Härtefallkommission mit Einbindung von Bezugspersonen.
In der Verfassung festgeschriebene Kinderrechte müssen endlich ernsthaft berücksichtigt und befolgt werden. Und es braucht eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, damit alle Kinder, die hier geboren werden, auch ein Anrecht darauf haben, Österreicher:in zu sein.
Damit sich solche Fälle, wie letzte Woche um 5 Uhr Nachts in eisiger Kälte in der Zinnergasse, nie mehr wiederholen! Abschließend möchte ich noch eines sagen: Die Frage, ob man Kinder mit Heimat in Österreich abschieben darf, sollte keine parteipolitische Frage sein.
Nein, es ist in Wirklichkeit eine Frage von Haltung und Menschlichkeit. Es ist nicht parteipolitisch motiviert, was wir hier heute tun. Es ist schlicht unsere humanitäre Pflicht. Wir können das so nicht zulassen. Und es wird unsere Pflicht bleiben.
So lange, bis eine Mehrheit in diesem Land hinter uns steht. Bis eine Mehrheit in diesem Land es mitträgt, die Asylgesetze zu lockern und nicht zu verschärfen. Der Weg dahin wird steinig. Umso wichtiger ist es aber, dass wir alle auf diesem Weg bleiben.
Dass wir keine Kompromisse eingehen, wenn es um unsere menschlichen Grundwerte geht. Ich bin überzeugt davon, dass wir gemeinsam einen Unterschied machen können. Das hier, das ist erst der Anfang. (Sorry, dass es so lang geworden ist, wollte es aber auch hier teilen :)) /Ende

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7 Nov 20
@Natascha_Strobl Könnte ein bisschen länger werden...
1) Schaffung eines Sicherheitsgefühls. Wir sitzen jetzt seit Monaten in Klassenzimmern ohne Abstand, ohne Maske und in großen Gruppen - Hat alle Voraussetzungen zum Superspreader.
@Natascha_Strobl Mir und vielen anderen Schülis reicht es nicht, zu sagen, es ist eh Wurscht, wenn wir uns anstecken, weil wir fast nur milde Verläufe haben. Wir wollen uns gar nicht erst anstecken! Corona-Infektionen können ja auch enorme mentale Belastung sein, das wird einfach in Kauf genommen
@Natascha_Strobl Und dabei wäre es so leicht gewesen, sich Konzepte für Schutz vor Ansteckubgen auszuarbeiten, sie hatten Monate Zeit... Weder wurden externe Gebäude wie in Italien angemietet, noch gibt es Masken höherer Schutzstufen für alle Schülis.
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