Hanau war kein Einzelfall!

Gestern gingen wir auf die Straße, um den Ermordeten, Überlebenden und Hinterbliebenen des rechtsterroristischen Anschlags von Hanau zu gedenken. Dieser kostete zehn Menschen das Leben. Neun Menschen wurden aus rassistischen Gründen ermordet. (/1)
Sie wurden von einem deutschen Rassisten und Rechtsextremen aus dem Leben gerissen. Die Hinterbliebenen und Angehörigen wurden mit dem Rassismus der deutschen Behörden und der deutschen Gesellschaft konfrontiert, mit ihrer Ignoranz und Feindseligkeit. (/2)
Sie müssen auf sich selbst gestellt als Hauptzeug*innen des Geschehens um Erinnerung, Aufklärung und Gerechtigkeit kämpfen, während sie sich nicht mehr sicher fühlen können in einer Gesellschaft, in der so etwas passieren kann und die es großteils einfach so hinnimmt. (/3)
Das Attentat ereignete sich nicht in einem luftleeren Raum, es war auch kein Einzelfall, sondern die Zuspitzung einer Normalität und einer mörderischen Ideologie, die tief und fest in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft verankert ist. (/4)
Eine mörderische Ideologie, die auf den gesellschaftlichen Strukturen der Abwertung und Ausgrenzung aufbaut. (/5)
Eine mörderische Ideologie, die sich vor allem in Deutschland und Österreich auch immer gegen Jüdinnen und Juden richtet und die als traditionsreich gepflegter und historisch gewachsener Antisemitismus in Auschwitz im weltgeschichtlichem Maß kulminierte. (/6)
Es ist diese Lebensrealität eines Großteils Jüdinnen und Juden, die nicht nur von Antisemitismus betroffen sind, sondern die durch ihr Aussehen, durch ihre Nachnamen und ihre Biographien tagtäglich mit einem Alltagsrassismus konfrontiert werden. (/7)
Genau diese Lebensrealität wurde von einer Rednerin bei der gestrigen Gedenkdemonstration zu Hanau in Wien verharmlost und negiert. (/8)
Ihre Rede von der vermeintlichen „Privilegiertheit“ von Jüdinnen und Juden macht den omnipräsenten Alltagsrassismus und Antisemitismus unsichtbar, mit denen sich so viele auf zermürbende Art und Weise herumschlagen müssen. (/9)
Mit diesem Argument wird selbst ein vorherrschendes antisemitisches Stereotyp reproduziert, das Jüdinnen und Juden als dominierende und mächtige Unterdrücker*innen konstruiert. Es ist eine schwarz-weiß Malerei, die offensichtlich agitatorischen Zwecken dient. (/10)
Eine Rede, die das Gedenken an Hanau für eine eigene politische Agenda instrumentalisiert. Eine Agenda, die nichts mit Hanau zu tun hat, und von einer gewollten Unkenntnis und Ignoranz gegenüber jüdischer Lebensrealität in Deutschland und Österreich zeugt. (/11)
Dabei würde es alleine genügen, den Überlebenden des Anschlags auf die Synagoge in Halle zuzuhören, die in ihren Statements zum Abschluss des Prozesses eindrucksvoll schildern, dass ihnen der Anschlag: (/12)
„sowohl uns als Juden und Jüdinnen widerfahren ist, aber auch uns als Migrant_innen, Frauen, Personen, die von Rassismus betroffen sind und als Mitgliedern der Gesellschaft, in der es möglich war." Eine Überlebende meint weiter: (/13)
"Für mich persönlich reihte sich dieses Ereignis in bereits seit Jahren bestehende Muster des rechten Terrors, das in Wellen mal aggressiver mal subtiler doch immer in meiner Wahrnehmung präsent war." (/14)
"Sowohl für mich als Jüdin aber auch für eine Person mit einem unmissverständlich slawisch klingenden Namen.“ (Anastassia Pletoukhina, Überlebende des Anschlags von Halle) (/15)
Es ist einfach nur schockierend, wenn das Gedenken an die Opfer rechten Terrors für eigene politische Zwecke instrumentalisiert wird. Vor allem der in der Rede geäußerte Vorwurf des „jüdischen Faschismus“ an die Überlebenden der Shoah ließ uns fassungslos zurück. (/16)
Hier muss es einen hörbaren Widerspruch geben, um solche Aussagen nicht durchgehen zu lassen. Gerade auch, weil Menschen aufgrund der Rede die Kundgebung verlassen haben. (/17)
Was uns ebenso wütend und fassungslos macht, ist, dass durch solche Aussagen vom eigentlichen Thema abgelenkt wird: Der Erinnerung an die Opfer rechten Terrors und Gewalt. (/18)
In Solidarität mit jenen, die der extremen Rechten als Feindbild dienen, führen wir den antifaschistischen Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, Antifeminismus und Nationalismus weiter. Damit sich weder die Ereignisse von Hanau, noch die von
Halle wiederholen können! (19/19)

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30 Jan
Grenzen töten!
Gerade findet in Innsbruck eine antirassistischen Demonstration gegen Abschiebungen und das europäische Grenzregime statt ✊🚩
Die Demonstration wurde jetzt von der Polizei gestoppt und eingekesselt.
Die Innsbrucker Polizei hat die antirassistische Demonstration gegen #Abschiebungen gerade mit Pfefferspray angegriffen und die Menschen dichter zusammen gedrängt.
Grund sollen die zu geringen Abstände sein. Obwohl alle FFP2-Masken tragen eskaliert die Polizei die Situation!
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29 Jan
### GEGEN ANTISEMITISMUS UND CORONA-VERHARMLOSUNG! WAS PASSIERT DIESES WOCHENENDE IN WIEN? ###

Am kommenden Wochenende sollen gleich zwei große Corona-Verharmloser:innen-Demos in Wien stattfinden. Mehr dazu in diesem Thread. /1
Aufgrund der Spaltungen und Zerwürfnisse zwischen den zentralen Protagonist:innen der vergangenen Demonstrationen ruft Jennifer Klauninger und Co. am Samstag den 30. Jänner zu einem "Spaziergang" über den Ring um 13 Uhr vorm Wiener Heldentor auf. /2
In unmittelbarer Nähe wird es von der @offensive_nowkr ab 13 Uhr einen antifaschistischen Gegenprotest am Ballhausplatz geben: fb.me/e/18I1QbnzY

/3
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29 Jan
Heute geht es weiter mit den Protesten gegen #Abschiebungen!

10-16h Aktionstag vor dem Abschiebe-Gefängnis

Abschiebung stoppen! Solidarität mit dem Hungerstreik in Schubhaft!

@ Hernalsergürtel / Ecke Breitenfeldergasse

#zinnergasse #StopDeportations Image
Es gibt Musik, heißen Kaffee und Tee. Und die Möglichkeit, euch zu informieren und Solidarität zu zeigen.

"Stop deportation! Solidarity with the hunger strike in detention pending deportation (See FB event for English)!
Im PAZ Hernalser Gürtel befinden sich momentan mehrere Menschen welche am 31.01 nach Russland abgeschoben werden sollen. Einige von ihnen sind in den Hungerstreik getreten.
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4 Nov 20
Im Anschluss an die morgige Gedenkkundgebung @joehwien, der @EUJS und der @muslimyouth um 15:30 Uhr am Morzinplatz, mobilisieren „identitäre“ Neofaschist:innen um 18 Uhr zum Stock-im-Eisen-Platz, um dann als Demo durch die Wiener Innenstadt zu ziehen. #noib #blockit #nonazis
Lassen wir diese rassistische Stimmungsmache und Instrumentalisierung der Opfer des Anschlags nicht zu! Mehr Infos findet ihr hier: fb.me/e/aZZC5mmzm
Islamismus und Rechtsextremismus sind Brüder im Geiste und im Hass vereint, wie gemeinsame Feindbilder im Antisemitismus, Antifeminismus und die Hatz auf sogenannte gesellschaftliche „Abweichler:innen“ zeigen.
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3 Nov 20
Gestern Abend fand ein Terroranschlag in Wien statt, der uns tief betroffen macht. In unmittelbarer Nähe zur Synagoge, im ersten Bezirk, wurde um sich geschossen. Vier Passant:innen wurden dabei ermordet, viele weitere wurden verletzt und schweben teils in Lebensgefahr. (1/x)
Der Täter ist IS-Sympathisant, das Tatmotiv dürfte also ein islamistisches sein. Ob es weitere Täter gibt, ist nach wie vor unklar. Die kaltblütigen islamistischen Mordanschläge sind kein Importgut einer "fremden Kultur", sondern Ausdruck einer mörderischen Ideologie. (2/x)
Islamismus ist – wie der Faschismus – eine reaktionäre Ideologie. Er teilt mit dem Rechtsextremismus auch dieselben Feindbilder, wie sich im Antisemitsmus, der ständigen Hatz auf vermeintliche und tatsächliche Abweichler:innen oder im Antifeminismus zeigt. (3/x)
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30 Oct 20
Shut down capitalism, not our lives! Wir fordern ein Ende des Lohnarbeitszwangs statt Ausgangssperren!

In Österreich sind neue restriktive Maßnahmen inklusive Ausgangssperren von 20:00 bis 06:00 (wie der Kurier aktuell berichtet) geplant.
Wir sind uns bewusst, dass es in dieser Phase der Pandemie wichtig ist die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Das ist leider notwendig. Als Antikapitalist:innen finden wir es aber bezeichnend, dass der Bereich der Lohnarbeit fast zur Gänze von Restriktionen ausgenommen ist.
Der Bereich der Lohnarbeit wird als unantastbarer Naturzustand verhandelt und hat in der Prioritätensetzung der Herrschenden den Bereich Gesundheit scheinbar schon überholt. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, wird der Lohnarbeitszwang zur Not auch mit Gewalt durchgesetzt.
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