"Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit" - daran habe ich über ein Jahr lang gearbeitet, mein bisher größtes Herzensprojekt. (Und der Grund, warum ich ein paar Monate lang vom Bildschirm verschwunden war.)
Es geht nicht nur um Wissenschaft, sondern auch um Debattenkultur. Über wissenschaftliche Fakten zu Viren wollen wir mit Experten verhandeln, aber an persönlichen Meinungen übers Gendern halten wir fest wie an Naturgesetzen.
Letztes Jahr haben mich die destruktiven politischen Debatten so frustriert, dass ich Talkshows kaum noch sehen konnte. TV-Anfragen habe ich irgendwann alle nur noch abgesagt, weil ich nicht zu Kontroversen beitragen wollte. (And don’t even get me started with Twitter…)
Dabei kann Debatte so viel Spaß machen. Wenn es nicht das Ziel ist, einfach nur Recht zu behalten, sondern gemeinsam nach der besten Lösung zu ringen, streitet man nicht auf der Stelle, sondern vorwärts. Vorwärts irren & vorwärts streiten – das ist die Essenz von Wissenschaft.
Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit ist nicht nur eine Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Ich wollte nicht nur herausfinden, worauf wir uns tatsächlich einigen können, sondern auch - und das ist eigentlich viel spannender -, wo die Fakten aufhören.
Wissenschaftlichkeit bedeutet auch die Grenzen der Wissenschaft zu verstehen und die Bereiche zu erkennen, wo wir andere Meinungen aushalten sollten und vielleicht sogar wieder Spaß daran finden, sie uns gegenseitig sportlich an den Kopf zu werfen, ohne uns dabei zu verletzen.
Ich kann beim Auftakt der #FactoryWisskomm leider nicht dabei sein, ich wünsche allen eine produktive Sitzung! 💪
Wenn wir mehr und gute #Wisskomm haben wollen, müssen wir Wissenschaftskommunikation neu denken - 5 Gedanken im Thread:
1) Wissenschaftskommunikation ist nicht einfach "reden". Gute Wisskomm braucht Training und Ausbildung. Dafür braucht es Zeit und Ressourcen.
2) Wissenschaftskommunikation muss dieselben inhaltlichen Qualitätsstandards erfüllen wie Forschung.
Was ist das Wisskomm-Äquivalent zu bspw. Peer Review?
Und wie geht man mit Wissenschaftler*innen um, die nachweislich Desinformationen verbreiten?
Die F.A.S. nahm den Muttertag zum Anlass, einen kritischen Kommentar über ein überholtes Mutterbild zu drucken. Aufhänger waren diese Illustrationen.
Die Autorin findet diese Käferchen “richtig schlimm”, sie hätten nichts mit ihrem Selbstverständnis als Mutter zu tun. Dasselbe könnte allerdings auch Illustratorin Claire Lenkova sagen, aus deren Feder die Käferchen stammen - welche die F.A.S. bei ihr in Auftrag gab.
Claire Lenkova, selbst moderne Mutter, die gegen Rollenbilder kämpft, kannte weder Text noch Kontext für die bestellten Käferchen und findet es nun ziemlich doof, als Zeichnerin eines überholten Mutterbildes dazustehen.
Thread: #MeinungvsFakten
In einem Leserbrief zu meinem Essay in der ZEIT wurde mir Unwissenschaftlichkeit vorgeworfen. Mein Text ist ein persönlicher Erfahrungsbericht mit vielen offenen Fragen, nicht mehr, nicht weniger. Aber darf ich das als Wissenschaftsjournalistin? (1/5)
Auch in #maiLab Videos teile ich manchmal meine Meinung - deutlich als solche von den Fakten abgesetzt. In den Kommentaren löst das Reaktionen aus wie “Bleib bitte bei den Fakten und behalte deine Meinung für dich.” Interessantes Reasoning. (2/5)
Die Öffentlichkeit ist voll von Menschen, die nicht nur ihre Meinung sagen, sondern sie mit Fakten vermischen, ja sogar als Fakten verkaufen. Darunter Menschen in machtvollen Positionen. Ich bin für klare Trennung zwischen Meinungen und Fakten, und das setze ich auch um. (3/5)