Journalismus und Wissenschaft haben durch Corona eine seltsame Beziehung zueinander entwickelt. Die funktioniert in etwa so: Ein Wissenschaftler schreibt am Wochenende ein Dokument über Corona. Er übertreibt seine Ergebnisse maßlos, speichert ein PDF und läd es hoch. 1/n
Weder muss er Meinung und wissenschaftliche Befunde strikt trennen, noch unterliegt sein Dokument irgendeiner Qualitätskontrolle. Er ahnt allerdings, dass es ein dankbares Publikum für seine meinungsstarken wenngleich wissenschaftlich belanglosen oder falschen Worte gibt. 2/n
So muss er nur noch darauf warten, dass dieses Publikum sein Dokument entdeckt, oder er hilft ggf etwas nach. Sobald sein Geschreibsel in einem Tweet auf "Studie findet: Lockdowns..." vermarket wurde, ist er aus dem Schneider: confirmation bias macht alles zum Selbstläufer. 3/n
Journalismus, mit der einen oder anderen Agenda, hilft dabei natürlich kräftig mit, denn starke Meinungen bringen Klicks, je platter, desto besser. Eine Qualitätskontrolle findet hier also erst recht nicht statt, sondern wird unterlaufen, mit wenigen Ausnahmen. 4/n
Im Ergebnis erhalten somit "Studien", die eher als wissenschaftliche Placebos zu bezeichnen sind, die meiste Aufmerksamkeit und die Öffentlichkeit wird überdurchschnittlich schlecht "informiert", was ihre Spaltung weiter aufpeitscht. 5/n
Gegengift? Gibt es nicht. Die qualifizierte Minderheit, die lieber richtige statt aufregende Informationen konsumiert und zwischen den beiden trennen kann, wird immer das bleiben: Eine Minderheit. Freut euch auf die Impftermine, Leute! 6/n
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1) Ich finde die Rolle des Interviewers in diesem Gespräch mit @JanJosefLiefers sehr misslungen. Allerdings ist die Unterhaltung auch sinnbildlich für viele Corona-Diskussionen, spätestens als JJL 'andere' Studien zu Lockdowns anführt. Kurze Erklärung:
2) Viele Mitmenschen möchten ihrer Meinung zu Corona dadurch mehr Gewicht verleihen, indem sie sie auf "Die Wissenschaft" stützen. Legitim. Allerdings haben wir inzwischen auch gelernt, dass unter dem Label "Studie zeigt..." alles von "seriös" bis "seriöser Mist" verkauft wird.
3) Das führt dann dazu, dass wie hier ein Schauspieler und ein Journalist mit "Der Wissenschaft" hantieren, ohne die Studien aber kritisch einordnen zu können, mit Verlaub. So wird dann eine letztendlich wissenschaftliche Frage nicht-wissenschaftlich diskutiert. Das bringt nix.
Man kann auch verstehen lernen, dass eine rationale Abwägung zwischen "Freiheit jetzt, ohne Impfschutz, bei hohem Infektionsrisiko" und "Freiheit in zwei Monaten, mit Impfung, und hoffentlich niedriger Inzidenz" möglich ist. Aber diese Woche war mal wieder besonders denkfaul.
Ist 'Habt Verständnis für die Merkel-Schafe' das neue 'Raus aus dem Schützengraben'?
.@ulfposh Nennen Sie doch bitte einfach das oder die beste(n) Argument(e) für Ihre Abwägung, da diese sich im Ergebnis ja anscheinend von meiner unterscheidet. Dann hätten wir schon mal eine wichtige Diskussionsgrundlage. Danke für die Wünsche, ebenso.
1. What's wrong with the "Great Barrington Declaration"? It's lopsided, it's downplaying risks, it rests on wrong assumptions, and it has already failed the test of reality. It's a not-so-great declaration, if you will. Thread, with quotes from the declaration's text:
2. The GBD laments the bad consequences of vaguely defined lockdowns - but compared to what? That's one-sided complaining of costs without contrasting them with the severe cases and deaths avoided by controlling the epidemic until vaccines arrive.
1. Warum ist die Argumentation der "Great Barrington Declaration" falsch? Sie ist einseitig, verharmlost Gefahren, geht von falschen Annahmen aus und ist bereits an der Realität gescheitert. Aber der Reihe nach:
2. Die GBD beklagt schlimme Folgen durch (nicht näher definierte) Lockdowns - aber verglichen zu was? Hier werden einseitig die Kosten beklagt, ohne diesen die durch eine Eindämmung der Pandemie vermiedenen Toten und Schwerkranken gegenüberzustellen.
3. Auch diese Betonung der Lockdown-Folgen für die 'Arbeiterklasse' und die Unterprivilegierten blendet aus, dass insb. in den USA sozial Schwache auch überdurchschnittlich von Corona betroffen sind (Arbeitsplätze mit hohem Infektionsrisiko, schlechte Krankenversicherung,...).
Auch in den USA gibt es Ökonomen, die trotz ihrer Nähe zu Liberalismus und Libertarismus nicht auf den ideologischen Anti-Lockdown-Zug aufgesprungen sind. @tylercowen zum Beispiel lässt bei @EconTalker kein gutes Haar an der Great Barrington Declaration:
"A lot of the people connected with that institution have made very dubious predictions and not backed down from them. They've told us that a lot of the cases are phony. It will all be over by--fill in the month. But, it's typically some time that was a while ago."
"Very passive attitudes or even hostile attitudes toward vaccines. And, making lockdown the only issue. I think when you look at the overall entire framing of Great Barrington, it's been extremely harmful. It has led libertarian and conservative movements in the wrong direction."
1) Good thread on the potential U.S. pandemic endgame. Carl is stressing the importance of "overshooting"; that the wave does not miraculously collapse once Herd Immunity Threshold (HIT) is reached but still has enough steam to go above 60% infected. Below a more optimistic take.
2) Carl makes it very clear that he's using the basic SEIR model for his account, which features only one large wave along which the HIT is reached and the wave starts declining - entailing many more infections though. What changes if we have had multiple waves instead of one?
3) That's my crappy MSWord depiction. The U.S. has had several waves (red) that together with vaccines have brought the level of immunity to maybe 50% now (the cumulative curve in black). So we're hopefully close to the HIT and current infections are low (for U.S. standards).