Eine Perspektive, die in den Debatten um Weltoffenheit, JDA und jetzt das Zeit Essay kaum zu Wort kommt, ist die politische Bildungsarbeit, gleichwohl sie in diesen Debatten andauernd attackiert wird. Ich hab den Text am Sonntag gelesen, während ich über 1/n
den Fall eines jüdischen Künstlers geschrieben habe, der von BDS zur Absage einer Veranstaltung gedrängt wurde, da er sich sonst an vermeintlichen israelischen Verbrechen beteilige. In unseren Fortbildungen und Workshops berichten Lehrkräfte und Pädagog*innen andauernd 2/n
von antisemitischen Übergriffen in pädagogischen Kontexten, seitens der Schüler*innen, aber auch seitens der Lehrkräfte selbst. Der sogenannte Nahostkonflikt ist hierbei eine Deckfolie, hinter welcher Antisemitismus vielmals nicht mehr wahrgenommen wird. 3/n
BDS ist EINE der Organisationsformen, die dieser Deckfolie einen Namen gibt, wenngleich die dahinterstehende Denkform ungleich viel weiter verbreitet ist. Neben der Verharmlosung dieser Umwegkommunikation, wie auch der theoretisch schwachen, aber 4/n
alltagspopulären Subsumption von Antisemitismus unter Rassismus, ärgert mich an dem Essay mal wieder die eilig zusammengeschusterten Angriffe gegen die Bildungsarbeit, z.B. gegen @nikolaslelle und die @AmadeuAntonio . Es wird behauptet, diese vertreten einen 5/n
geschichtslosen Antisemitismusbegriff und würden vermeintlich Harmloses neben offen gewalttätigen Judenhass stellen. Niko Lelle hat über den Begriff der Deutschen Arbeit promoviert, geschichtlich herausgearbeitet, wozu dieser dient und wie er antisemitisch aufgeladen. 6/n
Anhand eines Tweets von Niko, in dem er sagt, er ist der nächsten fruchtlosen Antisemitismusdebatte überdrüssig, wird versucht dessen Arbeit zu delegitimieren. Es wird sich hier ein easy target rausgepickt, jemand, der in einem Metier arbeitet, das keine 7/n
Möglichkeit auf 12-seitige Thinkpieces in Deutschlands größter Wochenzeitung hat. Mir ist das jetzt auch schon mehrfach passiert und auch wenn sich die Hassmails bei mir nach solchen Artikeln in Grenzen halten, ist es ziemlich ätzend diesem Meinungsbildungsprozess über einen 8/n
passiv beobachten zu müssen.

Politische Bildungsarbeit wird durch solche Debatten erschwert. Sie schaffen ein Klima, indem ein Bewusstsein für sämtliche Formen des Antisemitismus als übersensibel gilt, während unsere Aufgabe darin besteht, Sensibilität herzustellen. 9/n

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26 Mar
Ich finde es extrem befremdlich, dass Lina E. sich jetzt seit Monaten in Haft befindet und offenbar außerhalb der linken Szene in Leipzig relativ wenig darüber gesprochen wird. Auf dem Bild sieht man die 25-jährige Studentin wie sie 1/n
Ende letzten Jahres mit einem Helikopter nach Karlsruhe geflogen wurde, um dort angeklagt zu werden wegen der angeblicher Gründung einer terroristischen Vereinigung (§129). Konkret vorgeworfen wird ihr, Rädelsführerin eines Überfalls auf eine Neonazi-Kneipe und den 2/n
Betreiber zu sein, ein Neonazi, der Kampfsportevents organisiert und nach Recherchen Kontakte zur "Atomwaffen Division" hat. Die Indizien, die der Öffentlichkeit präsentiert wurden, scheinen mal wieder ziemlich mau zu sein: Hämmer in der Wohnung, Perücken, Mobiltelefone. 3/n
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17 Nov 20
In den letzten Monaten werden bei uns sehr viele Workshops und Vorträge zu Verschwörungstheorien angefragt und so gut das auch oft ist, sich mit den Leuten über deren Funktionsweisen zu unterhalten, kommen praktisch immer Geschichten auf, die so unglaublich frustrierend sind. 1/n
Menschen im Nahumfeld, Freund*innen, Familienangehörige oder auch Partner*innen fallen den Verschwörungsmythen anheim. Oft beginnt es mit einer Skepsis, die ja auch erstmal nichts verwerfliches hat, und landet dann über zahlreiche YT-Clips, dubiose Artikel von Rubikon et al. 2/n
und dem Kontakt zu ideologisch gefestigteren Leuten in einer Mentalität, bei der kein Durchkommen mehr ist. Mit missionarischem Eifer beginnen Leute, die einem nahestehen, andere von der Existenz finsterer Mächte, die im Hintergrund die Fäden ziehen, überzeugen zu wollen. 3/n
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14 Oct 20
Was in der Polizei in den letzten sechs Tage so passiert ist:

Am 14.10. ging die Meldung raus, dass 26 Studienanfänger*innen der Polizei Berlin in einer Chatgruppe waren, in der menschenverachtende Inhalte ausgetauscht wurden.
Seit dem 13.10. macht in den Sozialen Netzwerken ein Ausbildungsbuch der Polizei NRW von 2012 die Runde mit dem Titel "Türken und Araber verstehen" und vernehmen, darauf abgebildet ein Mann mit wütend verzerrtem Gesichtsausdruck.
Ebenfalls am 13.10. gibt die Polizei Ulm bekannt, dass sie gegen zwei Beamte wegen Verdacht auf Rechtsextremismus ermittelt.

Am 12.10. veröffentlichte die Rhein-Neckar Zeitung einen Bericht über neonazistische Umtriebe in der Heidelberger Burschenschaft Normannia. Egon Manz,
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14 Oct 20
Da dieses sehr schlecht informierte Bahnhofsranking der Vice gerade die Runde macht, gebe ich hier mal on popular demand eine fachgerechte Einschätzung ab. Ein Ranking wird es allerdings nicht geben, das ist unprofessionell und wird von uns Bahnhofsexpert*innen nur belächelt.
1. Der Hannoveraner Hbf ist ein Shithole, das seinesgleichen sucht. Die Imbisse sind allesamt widerwärtig (ich habe jedes einzelne ausgetestet), der Anschluss an die Regios extrem verwirrend, allerdings gibt es davor eine (furchtbare) Partymeile. Wird der Stadt nicht gerecht!
2. Göttingen: Ein Nichtbahnhof, es ist unmöglich etwas davon in Erinnerung zu behalten, man steht am Gleis, dann steht man draußen. Dort gibt es allerdings im Winter gute Stände mit Bratwurst und solchem Zeug. Also nicht ganz unangenehm.
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12 Oct 20
Diese geschichtslosen Einfaltspinsel schnallen immer nicht, dass die von ihnen so geliebten Architekten der klassischen Moderne oft Linke waren, die versucht haben mit den günstigsten Materialien (Stahl & Beton) demokratisch menschenwürdiges leben zu ermöglichen. 1/2
Gebäude wie dieses hier👇sollten zunächst keine Luxusbauten sein, sie wurden dazu umgedeutet, obwohl ihre Materialkosten niedrig sind. Letztendlich ist also mal wieder der Kapitalismus verantwortlich, dass wir in Löchern hausen müssen und nicht in lichtdurchfluteten Palästen. 2/2
Lektüreempfehlung: Vennemans völlig übertriebene Abrechnung mit dem Fotographen Shulman, dessen Fotos Vennemann für die Fetischisierung der klassischen Moderne verantwortlich macht. Vielleicht wäre alles besser geworden, wenn man hier Arbeiter beim Feierabendbier abgebildet hätte
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19 Jul 20
Das neue von W. Benz herausgegebene "Streitfall Antisemitismus" ist bemüht, systematisch Debatten über Antisemitismus der letzten Jahre zu entschärfen, indem der "Streitfall" einfach für abgeschafft erklärt wird. Dem Kampf gegen AS sind derlei Verharmlosungen sehr abträglich
In der politischen Bildungsarbeit müssen wir sehr viel Zeit und Anstrengung darauf verwenden, derlei Verharmlosungen zu irritieren. Wenn "Expert*innen" solche Apologien liefern, macht das die Sache noch mühseliger.
Auch interessant: In der Einleitung behauptet Benz, es ginge im Buch nicht um Polemik, sondern "um wissenschaftlich geführte und belegte Problemanalyse". Sechs Seiten zuvor schimpft er über die "kleingeistige Enge nörgelnder Kritiker" des ehemaligen Direktors vom JM Berlin
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