Neues von den Pluralos. Der Beitrag behauptet, dass Ökonomen zu sehr auf Märkte setzen, weil Märkte ja eigentlich ständig scheitern. Angeblich.

Okay, schauen wir mal.

1/
Klar, natürlich dient wieder die Pandemie als Aufhänger. Und die Pandemie zeigt: "Ökonomisierte Gesundheits- und Pflegesektoren kollabieren".

Puh. Der Gesundheitssektor als Beispiel für Marktversagen? Es gibt kaum einen Bereich, der so stark staatlich reguliert ist. 2/
Man muss schon lange suchen, um in diesem "ökonomisierten" Gesundheitswesen überhaupt Nischen zu finden, die als Märkte organisiert sind. "Ökonomisiert" ist ja oft eine Chiffre dafür, dass man sich schon über die Existenz von Budgetrestriktionen aufregt. 3/
Ich wüsste gerne, wo genau der Autor im staatlich choreographierten Zusammenspiel von Leistungsanbietern und GKV ein echtes Marktversagen sieht, aber so weit ins Detail möchte er lieber nicht gehen. 4/
"Lohnarbeiter:innen und kleine Unternehmen kämpfen ums Überleben,"

Ja, das ist so. Wenn man aus nachvollziehbaren medizinischen Gründen ganzen Branchen das wirtschaftliche Handeln untersagt, dann löst das Not aus. 5/
Das staatliche Unterbinden von Marktwirtschaft als Marktversagen zu charakterisieren ist aber doch recht gewagt. 6/
"Und mit der Klimakatastrophe steht ganz nebenbei noch das Ende der Zivilisation am Horizont." Tja, schwierig. Technisch subsumiert man das, was hier haben, tatsächlich als Marktversagen. Weil das Beherrschen des Klimawandels ein reines, globales öffentliches Gut ist. 7/
Und für die gibt es keine Märkte. Nicht-Existenz von Märkten als Marktversagen. Technisch richtig, politisch aber nicht ganz leicht. Öffentliche Güter sind immer Staatsaufgabe. Wir kennen das Klimaproblem seit langer Zeit. 8/
Wer versagt seit Jahrzehnten bei der Lösung des Problems? Die Staaten. Die Staaten, auf deren Problemlösungskapazität die Marktskeptiker von den Pluralos so große Stücke halten. 9/
Könnte zum Nachdenken anregen. Und vielleicht kommen dann auch mal tiefere Gedanken als Anklagen an die böse Wirtschaftslobby und die Neoliberalen, die den Staat angeblich daran hindern, effizienter Problemlöser zu sein. 10/
"lebensrettende Impfstoffe und Medikamente werden durch Profitstreben unnötig verknappt," Nein. Auch hier wieder: Staaten hätten früh die hohe gesellschaftliche Zahlungsbereitschaft für das öffentliche Gut der Pandemiekontrolle äußern müssen und 11/
Kapazitätsaufbau damit anreizen müssen. Brüssel hat lieber gefeilscht. Das war sicher kein Marktversagen.

12/
Ja, schwierig. Wäre interessant, vom Autoren zu hören, wie Gehälter für Pflegekräfte sehr deutlich steigen sollen, wenn der Staat die Ressourcen, die zur Verfügung stehen, für Leistungsanbieter ziemlich planwirtschaftlich deckelt. Wo soll's herkommen? Wo ist der Markt? 13/
Also, für einen angeblich ideologiekritischen Beitrag sind das doch schon große ideologische Scheuklappen. Und wenn der Autor keine besseren Beispiele findet, die tatsächlich eklatantes Marktversagen illustrieren, dann leistet der Markt wohl unterm Strich ganz gute Arbeit. 14/14

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28 Dec 20
Bisher habe ich noch keine Evidenz von irgendwem gehört, dass die Ausweitung der Impfstoffproduktion an fehlenden Lizenzen scheitert.

Ich würde mal vermuten, dass hier gerade mal wieder ein linker Mythos ohne faktische Grundlage zusammengesponnen wird. 1/
Nach allem, was ich bisher gelesen habe, können die Produktionskapazitäten einfach deshalb nicht extrem schnell ausgeweitet werden, weil wir hier über technisch sehr anspruchsvolle Anlagen sprechen, die man nicht über Nacht irgendwo hin rotzt. 2/
Biontech ist aber dabei, die Kapazitäten mit neuen Standorten auszubauen, beispielsweise in Marburg.

giessener-allgemeine.de/hessen/corona-…

3/
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30 Oct 20
Hallo, @joschueck und @correctiv_org. In der @zdfaspekte-Sendung haben Sie zum Thema Wohnungsspekulation eine Kausalkette präsentiert, die zwar populär, aber ziemlich sicher falsch ist. 1/
Diese Kausalkette geht so: Spekulanten kaufen Wohnungen, die Kaufpreise für die Wohnungen gehen in die Höhe, und WEIL die Kaufpreise so hoch sind, erhöhen die neuen Eigentümer dann die Mieten, um das Geld wieder hinein zu bekommen. Klingt plausibel? Naja. 2/
Nehmen wir mal an, ich bin Blackstone, kaufe massenweise Daimler-Aktien und treibe damit deren Preis hoch. Kann ich deshalb durchsetzen, dass anschließend die A-Klasse 20% teurer verkauft wird, damit ich über den Gewinn mein investiertes Geld wieder reinbekomme? 3/
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4 Jun 20
Bevor sich jetzt alle in den Armen liegen und sich freuen, was für ein wunderschönes Konjunkturpaket das ist, muss ich mal ein wenig Wasser in den Wein gießen. Denn natürlich ist das hier auch weiterhin normales politisches Geschäft, also: das Bedienen von Interessengruppen. 1/
Da werden unter Punkt 35h die Mobilfunkunternehmen ein wenig subventionier (150 Mio.), unter 35j gibt's einen Zuschuss für Spediteure und unter 35l gibt's eine Milliarde für Airlines, die neue Flugzeuge kaufen wollen – also wohl für die Lufthansa. 2/
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