Der Teaser von ichbinsophiescholl legt nahe, dass die Figur aus ihrem Leben erzählt. Wir sind dabei, wenn sie sagt "Deutschland wird kapitulieren", "es gibt Widerstand in München", "wir werden noch mehr Flugblätter drucken". Das funktioniert im Film, aber doch nicht als Insta?
Wie soll ich mir das vorstellen in der Diktatur? Sie wird nicht sofort denunziert? Der Insta-Acc nicht gesperrt? 10 Monate plaudert sie vor ihren Follower:innen vor sich hin, zeigt den Keller, in dem Flugblätter gedruckt werden - & es passiert nichts? #SophieScholl
Es gab & gibt so viele Vereinnahmungen von Sophie Scholl, gerade auch in jüngster Zeit. Da wünschte ich mir 1 Projekt, das Einblicke ins Leben der Person mit dem Bewusstsein für Rezeption verknüpfte. #SophieScholl
"Dabei nutzt Sophie auf ihrem Kanal @ichbinsophiescholl alle Tools, die Instagram bietet, zeitversetzt in die NS-Diktatur."
"Zeitversetzt" finde ich 1 absolut schräge Formulierung: Welches Bild der NS-Diktatur wird hier vermittelt?#SophieScholl swr.de/unternehmen/ko…
Die Handynutzung ist komplett ahistorisch. Soweit so offensichtlich, aber man muss das sagen, denn: Nach der Verhaftung sind wir nicht mehr dabei, weil ihr dann das Handy abgenommen werde. Das soll dann "historisch korrekt" sein? #SophieScholl
Der Ansatz, den "Digital Natives" Geschichte auf digitalen Plattformen zu vermitteln, ist völlig okay. Darum geht es bei der Kritik aber auch überhaupt nicht, sondern um das Wie. Um über #SophieScholl auf Insta zu erzählen, braucht es keinen Insta-Account in der NS-Zeit! Image
Okay, wenn das nach Aussage des Regisseurs der einzige Mehrwert ist - "Es gab sie wirklich! Auch in Farbe" -, dann wären die Filme doch ausreichend gewesen. #SophieScholl
br.de/kultur/sophie-… Image
Und hier das Problem in Kurzform:
"Während im Jahr 1943 Flugblätter für Aufmerksamkeit sorgten, werden politische Forderungen heute über Social-Media-Kanäle geteilt. So kann diskutiert werden, ob Sophies Kampf heute ein anderer gewesen wäre."
kinofenster.de/filme/neuimkin…
Lachen oder weinen? "Sophie" verkündet auf Insta die "Top 3 der verbotenen Bücher", die sie nun lesen wird. Image
Und was verkündet ihr heute so auf Insta, was verboten ist und was ihr heimlich tun werdet?
"Der Krieg macht männlicher", uff, und als nächstes wieder Schuhputzen-Anleitung posten?
Ein solches Projekt muss einordnen. Wie wichtig das wäre, zeigen gerade auch viele Reaktionen der User*innen.
Hier aus dem Thread von @Herstory_pod der Hinweis auf ein Gespräch zum Projekt Sophie Scholl.
Die Interaktion der User*innen mit den Inhalten & mit "Sophie" - die antwortet! - ist 1 zentrales Problem des Projekts. Das hat u.a. @fabiana_ku hier beschrieben: fabiana-kutsche.com/2021/05/17/eri…
Habe "Sophie" übrigens gefragt, ob sie 1 Antwort, die lautet 'immer noch gibt es Nazis bloß heißen die jetzt Zionisten' - gepostet vor 2 Tagen -, tatsächlich unkommentiert stehen lassen möchte. Schauen wir mal.
Dieser Kommentar wurde nun entfernt. Gut! Andere dagegen nicht, & es wurde bisher auch nicht moderiert, wenn Kritiker*innen angegriffen wurden (war bei mir nicht der Fall, aber ich habe es gesehen).
Wenn man etwas an #IchbinSophieScholl lernen kann, dann, dass das Angebot emotionaler Nähe dankend angenommen, aber Wissen oder Reflexion über die historische Situation dabei als vollständig nebensächlich wahrgenommen werden:
Beispiel: "Sophie" sagt, wie sehr sie Fritz vermisst. Der Krieg trennt sie. Reaktion: 'Die armen Wehrmachtssoldaten, die in den Krieg gezwungen wurden!' Fritz hat die Offizierslaufbahn eingeschlagen & war Berufssoldat. Das Team #IchbinSophieScholl stellt das nicht richtig.
Lob wird dankend angenommen von #IchbinSophieScholl, aber die vielen Projektionen, die Schuldentlastungen befördern, in keiner Weise kommentiert. Es geht ganz viel um die wahre Liebe, die man genießen solle. Und dass sie auf ihr Herz hören soll... Widerstand meets #Schmonzette
#IchbinSophieScholl müsste jetzt überarbeitet werden mit Blick auf die Anschlusskommunikationen, die es ermöglicht & den Umgang damit. Diese Kurskorrektur wäre 1 angemessene & hilfreiche Reaktion für die #Erinnerungskultur!
"Sophie" nahe zu kommen, meint: Kontexte werden ausgeblendet. Historisches Geschehen ist begrenzt auf ihre Briefen & Tagebücher. Daher lädt das Projekt zu geschichtsrevisionistischen Anschlüssen ein. Das hätte man vorhersehen & 1 Kommunikations-Strategie entwickeln müssen.
Hallo, @SWRpresse, gibt es 1 Chance, dass nicht nur wahrgenommen wird, dass viele Menschen das Projekt #IchbinSophieScholl wunderbar finden, sondern auch, warum das so ist? Wie sie darauf reagieren? Welches Bild von NS-Geschichte in den Kommentaren entsteht?#Erinnerungskultur
In diesem Thread gibt es 1 gute Reflexion über den Umgang mit Quellen & davon ausgehend 1 Kritik von #IchbinSophieScholl
Wie es für #IchbinSophieScholl leider weitergehen könnte, wenn keine neue Kommunikationsstrategie gewählt wird, sondern man die Schmonzetten-Begeisterung einfach mitnimmt als Zeichen dafür, dass ' doch gut läuft':
Es laufen wissenschaftliche Begleit-Projekte zu #IchbinSophieScholl. Wie verstehen sie sich? Als stille Beobachter:innen, die nach Abschluss was sagen? Oder als Teil 1 Öffentlichkeit, die gerne möglichst zeitnah vielfältige Expertise hören würde? #wisskomm
Und weiter geht es. Das Team #IchbinSophieScholl moderiert nur ganz zögerlich politische Kommentare. Nicht mal Verharmlosungen der NS-Diktatur (Völkischer Beobachter-Vergleiche mit Medien in der Demokratie) werden gelöscht oder richtiggestellt.. Image
"Man sieht es an den Followerzahlen" etc. "Die Kommentare geben uns Recht" - solche Aussagen hört man von Mitwirkenden des Projekts #IchbinSophieScholl
Das ist schon verstörend.
Dr. Maren Gottschalk findet die "Kritik spannend", weil es zeige, wie ernsthaft Leute das Projekt #IchbinSophieScholl wahrnehmen. Und reklamiert die Kritik am Projekt sogar indirekt für sich, weil das Projekt 'das anstoße'. Ich kann gar nicht sagen, wie absurd ich das finde.
Es werde "klug moderiert", wie die User:innen reagieren, behauptet Maren Gottschalk. Allein dieser Thread hat genügend Beispiele, die das Gegenteil beweisen. Ich bin baff. Zitat aus diesem Gespräch. #IchbinSophieScholl
Hier geht es zu 1 weiteren Artikel mit Selbstauskünften der Beteiligten zu deren Intentionen. Aufschlussreich.
Für die #wisskomm fände ich zentral, den Umgang mit Quellen & die Nicht-Präsentation von Quellen & Material zu reflektieren. Ich stimme dieser Einschätzung zu:

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More from @geierandrea2017

May 6, 2023
Schreibaufgabe im Rahmen von „Holocaust-Erziehung“:
„Ein SS-Angehöriger berichtet seinem Freund am Abend von seiner Ausbildung in Dachau. Schreibe diesen Dialog.“
Ratet, zu wessen Erfahrungen in Dachau es keine Aufgabe gibt, die derartiges „Sicheindenken“ & „-fühlen“ verlangt. Image
Das Arbeitsmaterial bietet auch Textstellen, in denen Erfahrungen von Opfern geschildert werden. Doch aus dem Bericht der Überlebenden wird dann nur 1 Aspekt vertieft. Schüler:innen sollen sich in 1 „weinenden“ Lagerposten, der Tagebuch schreibe, hineinversetzen. Image
Solche Aufgaben finden sich in 1 „Lehrerheft“ zu „Der Junge im gestreiften Pyjama“. Ich arbeite gerade 1 Menge solcher Materien durch & habe damit bisher nur noch mehr Gründe für 1 Dekanonisierung dieses Schulklassikers. #Erinnerungskultur Image
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Apr 6, 2023
"Koeppen sollte als Nachkriegsliteratur gelesen werden, in der auch Rassismus thematisiert wird. Geprüft, wie gut „Tauben im Gras“ dafür geeignet ist, wird nicht." Darüber sollte mehr gesprochen werden: Wie & was ist zu überprüfen? taz.de/Debatte-ueber-… via @tazgezwitscher
1. Frage: Pflichtlektüre vs. Wahllektüre. Ich bin mindestens für 1 zeitweiligen Stopp als Pflichtlektüre. Die derzeitige Debatte muss ernst genommen werden.
2. Es braucht 1 Auseinandersetzung über die Frage, mit welchen Zielen welche Texte im DU-Unterricht gelesen werden.
3. Aus 2 folgt auch: Der DU-Unterricht muss in diesem Szenario ernst genommen werden. Allgemeine pädagogische Zugänge zum Thema Rassismus sind z.B. noch keine Hilfe für DU-Lehrkräfte, wie man über rassistische Texte im Unterricht mit Schüler*innen spricht. Umgang mit Zitaten etc.
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Jul 10, 2022
Christian Boltanski hat zwei Erinnerungsorte in der Völklinger Hütte geschaffen. Beide finde ich sehr gut. #Weltkulturerbe
Erinnerung an die Zwangsarbeit in der Völklinger Hütte während des Zweiten Weltkrieges. Man geht durch 1 kurzen Gang in 1 engen Raum, hört verschiedene Stimmen & kann bald einzelne Namen identifizieren. Auf den Kästen stehen Nummern. #Weltkulturerbe #Boltanski
Die Spinde aus Holz oder Stahl erinnern an die Arbeitsbedingungen in der Völklinger Hütte. Auch hier: denkbar einfaches Konzept, aber es funktioniert sehr gut. #Weltkulturerbe #Boltanski
Read 4 tweets
Jul 7, 2022
Wissenschaftskommunikation in den Geisteswissenschaften - jetzt mit Fokus auf differentielle Didaktik im #wisskomm SE. Übersetzt: "Lernende sind verschieden", Heterogenität von Gruppen -> Binnendifferenzierung, individuelles Fordern & Fördern erfordert entsprechende Diagnostik.
Transfer zur konkreten Seminarorganisation: Versuch, in der Lernplattform zu differenzieren & verschiedene Angebote zu machen, wurde im Beispielfall kaum angenommen, z.B. persönlicher Lerndialog. Zu viel Differenzierung kann also auch demotivieren.
Beispiel universitäres Projekt "Von der Digitalisierung von Differenzierung": Eigentlich positiv, Seminarreihe zum digitalen Unterrichten, aber stark auf Naturwissenschaften ausgerichtet. Geisteswissenschaften kommen kaum vor.
Read 4 tweets
Apr 5, 2022
Morgen startet #RelevanteLiteraturwissenschaft ins neue Semester! Hashtag #RelevanteLV22. Im Angebot ist 1 Mischung aus neuen & bekannten Themen wie z.B. #Kanon (also das übliche Baukastenprinzip).
Wichtig: Es finden wieder Gastvorträge statt, & ihr seid herzlich eingeladen!
5 Gastvorträge + Diskussion erwarten euch! Jeweils ab 16.15 Uhr #RelevanteLW22

1) 18.5. Iulia-Karin Patrut: Diskurskritik und Theorieimpulse in der Literatur

2) 1.6. Lena Wetenkamp: Trauma und Postmemory. Literarische und literaturwissenschaftliche Zugänge zum Gedächtnis
3) 15.6. Thomas Ernst: Studien der Subversion. Warum man 'politische Literatur' breiter verstehen sollte

4) 22.6. Sandra Beck: Von Terrorismus, Gewalt und vom Schmerz. Erinnerungen an die Rote Armee Fraktion in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur

#RelevanteLW22
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Apr 3, 2022
Universitäten wollen (möglichst viel) Lehre in Präsenz im Sommersemester, & das kann gut gelingen mit Maskenpflicht, Abstand & 3G-Regeln. Was ist nun von Beiträgen zu halten, die sagen: 'Aber das IfSG gibt das nicht her?' & 'Präsenz wird in jedem Fall angeordnet'? #Thread
Erste Antwort zum IfSg: Das mag sein. Das darf Universitäten nicht abschrecken zu tun, was sie für sinnvoll & nötig halten, & es darf nicht als Ausrede genutzt werden. Es gehört zur institutionellen Verantwortung, angemessene Studienbedingungen in der Pandemie zu ermöglichen.
Maskenpflicht, Abstand & 3G über das Hausrecht zu regeln ist 1 wichtiges Signal an alle Mitarbeiter:innen & Studierende, dass Präsenz im erwünschten Umfang nur unter diesen Bedingungen gefordert & verantwortlich geleistet werden kann. Motto: Präsenz, aber sicher! Denn,
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