Hatte gerade den Gedanken, dass wenn man das konkrete Gehirn eines bestimmten Menschen simulieren könnte, diese Person weitgehend manipuliert werden kann, indem jemand drittes am Modell verschiedene Manipulationen beliebig oft ausprobiert und einübt.
Also eine Vielfalt von Szenen, Argumenten, Formulierungen, Umgebungen und Settings daraufhin prüft, ob sie zu einer gewünschten Reaktion führen, bevor man sie dann an der realen Person anwendet. Das Ganze kann natürlich auch in einem Simulator automatisch passieren.
Analysiert man auch noch, welche dauerhaften Veränderungen im Gehirn passieren, also Lerneffekte oder Überzeugungänderungen, kann so eine Maschine einen Menschen sehr weitgehend programmieren, indem sie einfach eine Person anruft und mit ihr redet, und der Angerufene hat...
...praktisch keine Chance, die Manipulation oder Programmierung zu erkennen oder zu verhindern. Ein solcher Anrufer hätte praktisch die komplette Macht über eine andere Person, die dadurch völlig machtlos wird.
Das ist natürlich ein Extremszenario, aber es macht das Prinzip sehr deutlich, wie hilflos man Manipulationen durch jemandem ausgesetzt ist, der vorher genau weiß, wie man auf bestimmte Ansprache reagieren wird.
Die beste existierende Maschine, um die Reaktion anderer zu simulieren, dürfte ein anderes Gehirn sein, und wir haben die Fähigkeit, einen anderen Verstand in unserem Kopf zumindest ein stückweit zu simulieren, was uns befähigt, andere auch zu manipulieren.
Wir haben daher gelernt, Manipulationsversuche zu erkennen oder abzuwehren, und bei Werbung, Propaganda oder versuchtem Trickbetrug haben wir oft feine Antennen, aber auf unsere "Firewall" im Kopf, die uns vor Manipulation schützen soll, ist nicht wirklich Verlass.
Tatsächlich erkennt unser Rechtssystem auch das Prinzip an, dass Daten und Informationen über eine Person deren Autonomie einschränken und anderen Macht über sie verschaffen können.
Autonomie halte ich für einen besseren Begriff als Freiheit oder freien Willen, die meiner Meinung nach eher verwirren. Wir können nämlich nicht wirklich frei entscheiden. Wir fahren aber in unserem Kopf eine ständige Realitätssimulation, und die basiert auf...
...unserer Erfahrung und den aktuellen Sinneseindrücken, und das alles machen wir erst mal, um unser Wohlbefinden zu erhalten. Mischt sich nun von Außen jemand in diese Simulation ein, besteht die Möglichkeit, dass es zur Steigerung das Wohlbefindens von jemand anderem...
...dient und das eigene Wohlbefinden beeinträchtigen kann. Nirgendwo in diesem System kommt Freiheit oder freier Wille ins Spiel. Alle Akteure sind mehr oder weniger selbstbestimmt oder fremdbestimmt - autonom oder heteronom.
Unser Rechtssystem sieht uns alle als im Zustand der Selbstbestimmung befindlich, auch so eine nützliche Fiktion. Der tatsächliche oder effektive Autonomiegrad, in dem wir uns befinden, kann stark variieren, aber Autonomie scheint ein wichtiges Grundbedürfnis zu sein.
"Das Bedürfnis nach Autonomie beschreibt dabei die tief im Organismus verwurzelte Tendenz zur Selbstregulation der eigenen Handlungen und Kohärenz seiner Verhaltensziele." de.wikipedia.org/wiki/Autonomie
Individuell, nach selbst gesetzter Maxime und allgemeinen Gesetzen leben und nicht nach den Launen eines Herrschers, das verstanden schon die Griechen unter autonom oder selbstbestimmt.
Auf dem Prinzip der Autonomie basiert die Selbstbestimmungstheorie, die ich ganz brauchbar finde. Sie identifiziert Autonomie, soziale Eingebundenheit und Kompetenz als drei permanente und kulturübergreifende psychologische Grundbedürfnisse. de.wikipedia.org/wiki/Selbstbes…
Selbstbestimmung ist dabei eine Dimension von Motivation, die verschiedene Formen von Regulierung und damit zusammenhängenden Steuerungsprozessen unterscheidet, die vom Autonomiegrad abhängt. Ein hilfreiches Modell, finde ich: Image
Unklar, ob und wann wir jemals ein komplettes menschliches Gehirn simulieren können, aber grundsätzlich spricht nichts dagegen. Davon, jedes einzelne Neuron zu simulieren, sind wir weit entfernt, aber das dürfte auch nicht nötig sein, im Gehirn ist viel Redundanz.
Wir brauchen aber gar nicht in die Zukunft zu blicken, um uns um den Grad unserer Autonomie zu sorgen. Wie selbstbestimmt sind wir tatsächlich, wie fremdbestimmt und woher kommt unsere Motivation - das finde ich eine nützliche Frage, die man sich häufiger stellen kann.

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7 May
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5 May
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