Thread by @ralphruthe

CN Tod

Über die folgende E-Mail hab ich mich sehr gefreut, deshalb möchte ich sie gerne mit euch teilen:

"Hallo Ralph!
Vielen Dank vorab für die Zeit, die du dir zum Lesen meiner Zeilen nimmst. Vielleicht erinnerst du dich noch vage an mich, ich bin der Rettungssanitäter ...

der bei deiner Live-Tour im Dezember 2019 einen ausgemusterten Notarztkoffer zum Verschönern mitgebracht hat. Damals, als sich Deutschland über die kommende Bonpflicht aufgeregt hat und Corona nur als Biersorte bekannt war.
Vieles hat sich seitdem verändert ...

vor allem aber für all jene, die im Gesundheitswesen arbeiten. Schon zuvor arbeiteten alle am Limit, Wirtschaftlichkeit und Gewinnmaximierung sind die erklärten Ziele, der hilfsbedürftige Mensch und das Personal gehen in diesem System leider immer mehr unter. Mit der Pandemie ...

wurde unsere systemrelevante Arbeit noch härter, vor allem bei der Arbeit mit an COVID-19 erkrankten Patienten unter Vollschutz. Tagtäglich hatten und haben wir (auch mit Impfung) Angst, uns selbst und damit auch Kollegen und unsere Familien anzustecken. Täglich kämpfen wir ...

für schwer erkrankte Patienten um deren Leben, leider in nicht wenigen Fällen vergeblich. Freilich tragen all meine Kolleginnen und Kollegen auf den Intensivstationen einen wesentlich längeren und intensiveren Kampf aus als wir im Rettungsdienst, doch für deren Arbeit legen ...

wir den Grundstein mit unserer Versorgung in den Wohnungen und Altenheimen der Patienten. Vor allem in der zweiten Welle mussten wir mit solch schwer erkrankten Patienten teilweise Transportwege von gut 100 Kilometern zum nächsten freien Intensivbett überstehen, weil ...

die Stationen personell und materiell schlichtweg überlastet waren.
Nun, warum schreibe ich dir davon? Das sind ja alles Fakten, die in der Presse zu genüge ausgeschlachtet wurden. Aber genau hier in der zweiten Welle hat der Notarztkoffer mit dem von dir gezeichneten ...

Sensenmann eine ganz besondere Rolle bekommen. Eine befreundete Haus- und Notärztin kannte meinen Koffer noch ohne die Verschönerung und bat mich im September darum, ihr diesen für ihre Visiten auf einer Corona-Station in einem Altenheim auszuleihen, weil er wesentlich besser ...

zu desinfizieren ist als ihre Arzttasche. Eigentlich ist dieser ausgemusterte Koffer schon seit gut 15 Jahren nicht mehr der aktuelle Stand der Technik und fristete sein Dasein nur noch für kleinere Notfälle in meinem eigenen Haushalt, deshalb habe ich auch ohne zu zögern ...

zugesagt und ihn noch am selben Abend zu ihr gefahren. Tatsächlich habe ich in der Hektik vergessen, dass er ja mit niemand geringerem als dem Sensenmann selbst geschmückt ist, bis ich den Koffer übergeben habe.
Humor steht und fällt immer mit der persönlichen Einstellung ...

eines jeden Einzelnen. Alle im Gesundheitswesen haben eine riesige Portion schwarzen und makabren Humor, war auch ein Stück weit unsere Art ist, belastende Situationen verarbeiten zu können - doch unsere Patienten teilen diesen Humor leider nicht immer. Wir waren uns deshalb ...

nicht sicher, ob diese Zeichnung ausgerechnet auf einer Corona-Station in einem Altenheim gut ankommen würde, doch mangels Alternativen und unter Zeitdruck hat die Ärztin den Koffer am nächsten Morgen zur Visite mitgenommen. Tatsächlich aber hatte jeder, ja wirklich jeder ...

Einzelne, von den rüstigen Bewohnern aus dem betreuten Wohnen über die dauerhaft bettlägerigen und dementen Patienten bis hin zu jedem Mitarbeiter ein Lächeln im Gesicht! Keiner echauffierte sich über diese leicht makabre Zeichnung, ganz im Gegenteil, jeder freute sich, wenn ...

die Ärztin wieder vorbeischaute und die Spielverderberin des Sensenmannes mimte. Und so begleitet der Sensenmann die Ärztin bis heute tagtäglich zu den Corona-Patienten, von denen zwar recht viele überlebt haben, doch leider auch in der zweiten und dritten Welle etwa 30 ...

gestorben sind.
Im Dezember 2019 hätten wir nicht gedacht, dass uns eine Pandemie derart in unserem Leben einschränken könnte. Genau deshalb wollte ich dich wissen lassen, dass deine Zeichnung so vielen Menschen in ihrer Krankheit und sogar kurz vor ihrem Tod zum Lachen ...

verholfen hat und deine Arbeit in meinen Augen genauso Systemrelevant ist wie die unsere am Patienten. Schließlich ist und bleibt Lachen die beste Medizin!
Vielen lieben Dank nochmal für diese wundervolle Zeichnung, ich hoffe wir können uns gesund...

bald wieder auf der Zugabe für deine Live-Tour sehen!
Herzliche Grüße T"