Ich nutze mal die neue #unter3 Folge, um ein paar Zeilen zu "Wahlprogrammen", Logiken des Parteienwettbewerbs u Themen threadmäßig zu formulieren... @NadineSchoen hat in der Folge gesagt, dass es mitunter auf Ziele, nicht unbedingt auf detaillierteste Maßnahmen ankomme. (1/x)
Das sozialpsychologische Modell des Wähler*innenverhaltens - Klassiker! - würde erst einmal sagen, dass es Determinantentrias gibt: Langfristige Parteibindungen (die in Verbreitung u Prägekraft aber rückläufig sind) sowie kurzfristige Kandidat*innen- u Themenorientierungen (2/x)
Da mag man erst einmal zu recht sagen: WOW. Und doch ist das alleine in diesem Wahljahr spannend: Wie entscheiden sich nämlich Wähler*innen mit "cross pressures", die also zB Scholz als Kanzler gut finden, aber die Grünen wg Klima u die Union wg Regierugnserfahrung? (3/x)
Wie entscheiden die sich am Ende? Welcher Faktor ist am Ende ausschlaggebend? Ändern sich vllt die Kriterien, je näher der Wahltag rückt? Da spielen auch Medien eine wichtige Rolle, die über ihr Agenda-Setting die Kriterien mitprägen (siehe zB TV-Duelle 2017). (4/x)
Aber es sollte ja hier um Wahlprogramme/Themen gehen. Die Wahlforschung würde hier erst einmal eine Trennung zwischen Valenz- u Positionsissues vorschlagen. Bei Valenzissues sind sich alle im Ziel einig ("besseres Klima", "weniger Arbeislosigkeit", "Corona muss weg") (5/x)
bei Positionsissues sind die Positionen selbst umstritten ("EU - ja oder nein?", "Erbschaftssteuer - ja oder nein?", "Schuldenbremse - ja oder nein"?).
Damit Themen wahlentscheidend sein können, müssen sie Differenzierungsmöglichkeiten zwischen Parteien bieten. (6/x)
Das können BEIDE Typen - also auch solche, in denen eigentlich Parteien u Politiker*innen im Ziel übereinstimmen. Alle Parteien werden zustimmen, dass "sozialer Zusammenhalt" wichtig ist, dass wir "Modernisierung brauchen", "Klimaschutz wichtig" ist. (7/x)
Differenzierungsmöglichkeiten sind dann aber: 1) Die (relative) Wichtigkeit des Themenfelds relativ zu anderen 2) Die zugeschriebene Kompetenz 3) Die Überzeungskraft der vorgeschlagenen Maßnahmen zur Zielerreichung (wo es dann häufig verschiedene POSITIONEN gibt) (8/x)
Bei Positionsissues ist die Sache vermeintlich einfacher: Was sind meine Positionen zu umstrittenen Sachfragen? Was die Positionen der Parteien? Wo ist der Match am größten? Der Wahlomat ist ein typisches Beispiel für positionale Logiken von Themen u ihrem Einfluss (9/x)
Aber auch komplexere Modellierungen von Wahlprogrammen, etwa die Analysen von @DebusMarc auf Basis von Wordscores u ExpertSurveys von und zu WAhlprogrammen, sind hier möglich. Siehe zB hier: link.springer.com/book/10.1007/9… (10/x)
In Wahlkämpfen spielen häufig EINIGE WENIGE POSITIONEN eine wichtige Rolle (Irak, Benzinpreis, Veggie Day, Rente mit 67, Steuersätze), darüber aber vor allem auch Themenkonjunkturen u die zugehörigen Kompetenzen u Salienzen: Wer löst unsere Probleme? Wem traue ich das zu? (11/x)
WIE SICH ABER GENAU DIE FOLGENDEN WOCHEN IN DIESER HINSICHT GESTALTEN WERDEN, WISSEN WIR NICHT. WIE WICHTIG THEMEN ÜBERHAUPT SEIN WERDEN, WELCHE THEMEN HOCHKOCHEN, WELCHE POSITIONEN PLÖTZLICH KONTROVERS DISKUTIERT WERDEN, IST STAND HEUTE NICHT KLAR. (12/x)
Und (auch) das macht dieses Wahljahr so spannend. Die Wirkungswege von Themen sind komplex, mitunter folgen sie gänzlich anderen Logiken. Schön wäre aber in jedem Fall, wenn die wichtigen Themen den Wahlkampf prägen würden, keine Nebensächlichkeiten. (13/x - and over).
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.@aiko_wagner und ich haben mit famoser Unterstützung von @nekton0 Anfang d Jahres eine experimentelle Studie zur Frage der Kanzlerkandidat*innenfrage 2021 gemacht. Rund 3.000 Menschen haben an unserer nicht repräsentativen, experimentellen Studie mitgemacht - THREAD-ALERT (1/x)
Uns haben weniger exakte Randverteilungen (Markus Söder wollen X Prozent, Armin Laschet Y) interessiert, sondern Mechanismen und Zusammenhänge. Zunächst haben wir versucht, die Menschen in ein bestimmtes Wahlkampf-Setting zu beamen, indem wir zB folgendes zeigten (2/x)
Also in Gangelt wurden 1000 (an einigen Stellen heißt es "mehr als 1000") Leute untersucht, dies aus 400 Haushalten. Ausgewertet wurden bisher (zufällige Auswahl?) 509 Personen. Lassen wir mal die Haushaltsthematik außen vor für den Moment.
Bei 15% der Untersuchten gab oder gibt es eine Infektion. Das ist wohl der Punktschätzer für Personen, also wohl 0,15*509=76 Infizierte.
(Da es keine ganz unwichtige Frage, sondern eine von Leben und Tod ist, sollten wir für ein Konfidenzintervall vllt α=0.01 setzen, das Konfidenzintervall liegt bei 509 Befragten zw 11 u 19%).
Quelle: Amos Tversky and Daniel Kahneman,
The Journal of Business, Vol. 59, No. 4, Part 2: The Behavioral Foundations of Economic Theory (Oct., 1986), pp. S251-S278
Es ist eine experimentelle Studie mit zwei strukturgleichen Gruppen. Beide Gruppen werden vor ein Entscheidungsproblem gestellt, das sich im Kontext eines unbekannten „Asian Disease“ (ja, das stimmt tatsächlich...) stellt.