ich bin kein Freund offener Briefe.
Wenn ich jemandem die Meinung zu sagen habe, schreibe ich ihm persönlich.
Doch wenn ich Ihnen schriebe, käme der Brief überhaupt bei Ihnen an? Und wenn er ankäme, würden Sie ihn auch lesen?
Angenommen, Sie läsen ihn, würden Sie ihn verstehen? Ich bezweifle alles davon und Letzteres am meisten.
Also schreibe ich Ihnen stattdessen hier. Nicht, dass ich es wagen wollte, mich der Hoffnung hinzugeben, Sie würden diese an Sie gerichteten Worte je lesen. Oder verstehen.
Aber vielleicht lesen sie andere Menschen. Vielleicht sogar sehr viele. Vielleicht mehr, als Sie sich überhaupt vorstellen können.
Um sie an Ihrer statt zu verstehen. Und Ihnen im September gemeinsam die Meinung zu sagen.
Vielleicht verstehen Sie es ja dann.
Ich habe Hunger.
Auf dem Weg in die Küche fällt mein Blick im Wohnzimmer auf etwas, das auf dem Esstisch liegt. Es ist gelb, länglich und leicht gebogen.
»Ach, guck,« denke ich »eine Banane.«
Diesem Gedanken haftet kein besonderes Interesse an, da Bananen nicht unbedingt zu meinem Lieblingsobst gehören. Plötzlich ertönt hinter mir eine ärgerlich klingende Stimme:
»Wieso liegt denn da ein Apfel?!«
Ich drehe mich langsam um. Hinter mir steht ein augenscheinlich sehr aufgebrachter, mir völlig unbekannter Mittvierziger und deutet mit ausgestrecktem Zeigefinger vorwurfsvoll auf die Banane. Dabei fixiert er mich zornig.
Sie wissen, ich bin stets bemüht, auf für mich signifikante Bruchstücke im wachsenden Trümmerhaufen unserer öffentlichen Diskussion zu deuten und auf meine Art zu zeigen, worum es dabei wirklich geht.
Mal mit Humor, ironisch, zynisch oder einfach deutlich.
1/
Nun wachsen diese Trümmer gerade wieder um einen großen Brocken an:
Die nachgemeldeten Nebeneinkünfte der Annalena Baerbock.
Ich traue Ihnen zu, sich von der Art, wie dazu berichtet, diskutiert, kommentiert und polemisiert wird, nicht verwirren oder verunsichern zu lassen.
2/
Ich traue Ihnen zu,
zu begreifen, dass es hier nicht um eine schwarze Kasse geht, oder 20.000,- € Honorar für einen einstündigen Vortrag vor einer Versicherungsgesellschaft, sondern um Weihnachts- bzw. Erfolgsboni und eine Corona Sonderzahlung, die ihr ihre Partei gezahlt hat.
Hello darkness, my old friend
I've come to talk with you again
Because a vision softly creeping
Left its seeds while I was sleeping…
And the vision that was planted in my brain
Still remains
Within the sound of silence
In restless dreams I walked alone
Narrow streets of cobblestone
'Neath the halo of a street lamp
I turned my collar to the cold and damp
When my eyes were stabbed by the flash of a neon light
That split the night
And touched the sound of silence
And in the naked light, I saw
Ten thousand people, maybe more
People talking without speaking
People hearing without listening
People writing songs that voices never share
Ich bin es leid, das Wort »Vorurteil« zu hören.
Was damit gemeint ist, sind nicht Vorurteile. Vorurteile lassen sich revidieren. Was es wirklich ist, ist ein Urteil.
Ihr, und Ihr wisst, wer Ihr seid, fällt Euer Urteil jeden Tag. Und revidiert es nie.
Ich bin es leid, dass Ihr glaubt, Euer Urteil über Menschen aufgrund von Alter, Geschlecht, Statur, Sexualität, Glaube, Herkunft, Hautfarbe, Bildung oder Vermögen fällen zu dürfen. Der Wert eines Menschen bemisst sich am Charakter und am Handeln.
Und Ihr versagt in beidem.
Ich bin es leid, dass Ihr so tut, als hieße Toleranz, alles und jeden auf eigene Kosten gutzuheißen.
»Toleranz« kommt vom lateinischen »tolerare« - ertragen. Toleranz heißt, zu ertragen und zu dulden, was von den eigenen Überzeugungen und Eigenschaften abweicht.
Nichts anderes.