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23 Jul, 13 tweets, 2 min read
Ein Notfall der zu uns verlegt werden soll. Der Notarzt, der den Patienten begleitet, meldet sich. Er weiß nicht ob er ihn noch stabil zu uns bringen kann. Er wird nicht im Schockraum anhalten und wird direkt den OP ansteuern. Kurze Zeit später Nachricht aus der Leitstelle. Sie
kommen unter Reanimation. Unser komplettes Team ist im OP bereit. Drei Pflegekräfte, drei Ärzte, Kardiotechnik. Es ist mitten in der Nacht. Wir kommen gerade von einer Not-OP. Müde Gesichter. Es wird wenig geredet. Jeder versucht sich zu konzentrieren. Wir hören die Aufzugtür.
Die schrillen Alarme erreichen uns noch vor dem Patienten. Sie biegen um die Ecke. Der Notarzt mit auf der Trage. Er reanimiert. Eine Pflegekraft aus dem Schockraum und zwei Sanitäter begleiten. Sie erreichen uns schnell. Als sie näher kommen sehe ich dass der Notarzt
Blutüberströmt ist. Er fängt schon an medizinische Details zu übergeben während alle sich in Position bringen den Patienten auf dem OP Tisch zu lagern. Unsere Anästhesistin spricht sich mit dem Notarzt ab. Umlagern unter Reanimation. Der Patient ist grau. Ich schaue auf den
Monitor. Nulllinie. Arterieller Druck nicht messbar. EKG. Nulllinie oder nur abgerissen? Funktioniert der Monitor frage ich laut über den Lärm der Monitore, der hitzigen Absprachen und Geräte.
EKG ist ab. Was mit der Arterie ist, weiß ich nicht, sagt der Notarzt.
Ich kann keinen
Puls tasten sagt die Anästhesistin. Alle schauen zu mir.
Wir lagern um. Fahren weiter in den OP. EKG dran. Den Blutdruck versuchen wir zu validieren, jemand macht bitte eine BGA.
Der Notarzt reanimiert selber weiter während wir im den Saal fahren. Während die Anästhesie die
Überwachung wieder in Gang zu bekommen, bereitet das OP Team sich auf den notfallmäßigen Anschluss der Herz-Lungen-Maschine vor.
Messungen sind valide, ruft sie Anästhesistin zu mir. Jemand kommt mir der BGA (Blutgasanalyse). Die Werte sind nicht mehr mit dem Leben vereinbar.
Seit wann konnten Sie kennen Blutdruck mehr ableiten? Der Notarzt schaut an die Wanduhr. Ich schätze vielleicht seit 5 Minuten bevor wir bei Ihnen waren. Ich schaue auf die Uhr. 10 Minuten. Seit 10 Minuten ist der Patient bei uns. Wir haben seit mindestens 10 Minuten keinen Druck
Die Werte in meiner Hand sagen, dass es nicht nur 10 Minuten waren.
Ich erhebe die Stimme. "Wir haben einen Patienten seit mindestens 10 laut dem Kollegen eher 15 Minuten der keinen Druck mehr hat." Ich lese die BGA Werte vor. "In meinen Augen macht es keinen Sinn mehr ihn an
die Herz-Lungen-Maschine zu nehmen. Sieht das jemand hier anders?"
Alles schaut mich an. "Ich fange sofort an zu operieren wenn jemand eine Chance sieht. Sieht hier jemand noch die geringste Chance?" Schweigen. Die Anästhesie Pflegekraft schüttelt als erste den Kopf. "Nein". Sagt
sie als erste. Der Rest der Anästhesie (inzwischen ein größeres Team der Anästhesie im Saal) pflichten dem bei. Ich schaue den Notarzt an, der immer noch drückt. "Was sagen Sie?" Er zögert. "Nein"sagt er leise. OP Mannschaft schüttelt wortlos den Kopf.
"Hat jemand was dagegen die
Maßnahmen einzustellen?"
Hat niemand. Seit 10-15 Minuten kein Druck bei normaler Körpertemperatur. Das Gehirn ist unwiederbringlich geschädigt. Das wissen alle. Der Notarzt hört auf. Auf dem Monitor ändert sich nichts.
Das Schweigen im Raum nimmt beinahe körperliche Form an.
Niemand sagt wirklich was.
"Ich rufe sie Angehörigen an." sage ich.

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12 Jul
Ich muss mir mal bisschen Frust von der Seele reden: Wir betreiben High-End Medizin. Die Kränksten der Kranken, die komplexesten Patienten. Es gibt sehr wenige wirklich geplante Operationen, dafür viele Notfälle. Manchmal sind es 3-4 Patienten gleichzeitig, die vital gefährdet
sind.
Womit verbringe ich die meiste Zeit meines Tages? Den Mangel zu verwalten. Ein Mangel an Intensivpflege und damit Betten. Ein Mangel an Anästhesie. Ein Mangel an OP Pflege. Ein Mangel an Ausrüstung. Den Mangel an Chirurgen... wie wir den ausgleichen, weiß jeder, der mir
folgt oder meine Tweets gelesen hat.
Wieder kein Intensivbett, keine Anästhesie, OP Saal defekt aber dafür Notfälle. Jede Menge sogar. Der Plan ist schon voll bis heute Nacht.
Gleichzeitig der Druck: Weniger OP Fälle heißt, Stellen werden gestrichen.
Jeder ist gestresst. Jeder
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14 May
In einer idealen Welt, in der die Krankenkassen tatsächlich den geleisteten Aufwand bezahlen, den wir betreiben müssen um high-end-medizin zu praktizieren, wäre ich für mein Gebiet nicht allein zuständig.
Jeder Patient wünscht sich eine individuell zugeschnittene Top-Medizin auf
dem neuesten Stand der Wissenschaft. Mit rund um die Uhr Versorgung. Mit immer konzentrierem Personal, das empathisch und professionell ist.
Ich verrate hier ein Staatsgeheimnis: das geht nur mit einer gewissen Personaldecke. Personal kostet Geld und muss bezahlt werden.
Die
traurige Wahrheit ist, dass die Kassen streichen, klagen, verhindern. Ich habe z.B. heute erfahren dass die Klinik für mein Gebiet um Prinzip von den Kassen so gut wie kein Geld bekommt. Die Operation kostet mindestens 100.000€ und die Kosten der Nachsorge betragen ca. 35.000€
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11 May
Meine Frau wird optisch in Deutschland nicht als "fremd" wahrgenommen. Seitdem Sie mit mir zusammen ist und erst recht, seitdem sie meinen Namen trägt erlebt sie am eignen Leib, wie der Rassismus in Deutschland funktioniert. Als sie das erste mal feststellte, dass sie mit ihrem
deutschen Freund, der Medizin studiert hat, nicht in Discos oder Clubs rein kommt, weil er einen türkischstämmigen Vornamen hat, war sie geschockt. Seitdem Sie einen "nicht deutsch klingenden" Nachnamen trägt, erlebt sie Sachen, die sie nicht für möglich gehalten hätte. Bei der
Schulanmeldung unserer Tochter, führte sie mit der Mitarbeiterin der Schule ein langes Gespräch, in der sie sich nach Schwerpunkten der Schule, Ausrichtung und Organisation erkundigte. Es ging um eine Ummeldung aufgrund eines Umzugs eines Mädchens in der 3. Klasse mit sehr guten
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10 May
Es wird behauptet die Äußerungen von Palmer seien nicht rassistisch, weil er es nicht so gemeint habe.
Als mir der Patient sagte: Für einen Türken haben Sie es aber echt weit gebracht. Dazu auf Nachfrage noch nach legte: Naja, um Medizin zu studieren, muss man ja Abi gemacht
haben und das als Türke. Als er das sagte, wollte er mich nicht beleidigen. Sondern sogar loben und seine Bewunderung zum Ausdruck bringen, dass ich trotz systematischen Rassismus es so weit gebracht habe.
Ist es dadurch in Ordnung das zu sagen? Oder bringt man da nicht gerade
seinen eigenen tiefen Rassismus zum Ausdruck?
Ganz abgesehen davon, dass ich laut Grundgesetz sogar Deutscher bin - Es suggeriert, dass jemand mit meinem Aussehen und Namen nicht deutsch sein kann.
Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Oder: gut gemeinte Scheiße
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9 May
Nur eine Sache noch: Ich bekomme viel Feedback, dass meine Tweets über unsere Einsätze Ängste auslösen. Es geht mir nicht darum anderen Angst einzujagen. Die Zahlen gehen zurück, die Lage entspannt sich langsam. Wir scheinen auf dem richtigen Weg zu sein. Ein bisschen wird es
noch dauern, bis die Entspannung auch die Intensivstationen richtig erreicht, aber das wird kommen.
Es geht mir viel mehr um das persönlich erlebte und die Gefühle und Gedanken, die es in mir und unserer Mannschaft auslöst. Wenn man 2 Uhr nachts müde, verschwitzt, mit Anspannung
versucht die letzte Konzentration aus der Mannschaft zu holen, weil man bei einem schwerstkranken Menschen eine ECMO zu legen oder zu wechseln, dann macht man das weil man irgendwo noch hofft, dass dieser Mensch zu seiner Familie und seinen Kindern zurückkehren kann. Weil man
Read 6 tweets
7 May
Mal in Ernst:
Dass unser Verkehrsminister Millionen versenkt, geschenkt.
Dass unsere Landwirtschaftsministerin Werbung für Nestlé macht und auf Verbraucherschutz pfeift, geschenkt.
Dass unser Innenminister sich über kriminelle Flüchtlinge freut, geschenkt.
Dass unsere
Forschungsministerin "christliche" Forschung fördern möchte, akzeptiert.
Dass der Klimaschutz kenne Rolle spielt, verstanden.
Dass die CDU sich an unserem Elend bereichert, unverzeihlich.
Dass sie Faschisten an erste Listenplätze wählen, OK.
Dass wir auf Kupferkabeln hocken, nun
dass ist fast normal.
Dass man Wissenschaftsfeindlichkeit fördert, nun... Nicht schön, aber wir kennen's ja nicht anders.
Dass Sexismus noch praktisch gefordert wird, nicht OK.
Dass man Jahrzehnte lang den wachsenden Rassismus noch befeuert hat, ist Mist.
Dass die Pandemiepolitik
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