Tour & Taxis (Thurn & Taxis) hielten monopolische Anteile an, ja waren synonym mit der Logistik, dem Verkehrsbereich Transport des Handelskapitals. Das gleichnamige Areal nahe dem Kanal in Brüssel-Molenbeek wurde noch vor zwei Jahren von Fans des #Solarpunk gefeiert. Eine 
bewaldete Innenstadt, nachhaltiges Wohnen und nachhaltiges Geschäft, Parks, Wasser, Abkühlung für die überhitzte Betoncity sah ein Entwurf vor. Viel mehr als eine Grünfläche der ehemaligen Brache, gebackupt von einer Künstlerin, holzverkleidete Bürosuperbooths sind von solchen
Visionen nicht geblieben. Solar, Solarpunk, Utopie. Eine Technologie, die "sich rechnen" muss, scifi-getriebene Fantasien des disruptiven Wort-Rebellischen, ein Projekt prominenter Professoren.
Zum Solarpunk. Gleich Steampunk mythologisieren seine Autoren Techno-Ökologien des Smarten, der Mensch-Maschine-Kopplungen, die wenigstens im Design noch mechanisch und damit wie jeder Diesel noch einsehbar sein sollen. Die Öffnung der Maschine (vgl. Fridrich Kittler und die
neue Computer-Literarizität) selbst mag nicht ganz gelingen, aber die Oberflächenbehandlung, welcher die innere Architektur auch im Außen repräsentiert, einmal ein Diktum der Moderne, passt in ein nostalgisches Setting des echten Geräts, gefertigt, hochmodern, d.h.
aus der - europäisch zentriert - (ungefähr) Viktorianischen oder Wilhelminischen oder Napoleonischischen (Napoleon III.) Zeit... hochmodern vor dem "Zivilsationsbruch" 1. Weltkrieg und der Schoa, der Industrie des Todes.
Der Punk in Solarpunk spricht das "You, Tomorrow" (Tour&Taxis-Plakat, Brüssel) an in einem heute langsamen damals schnellen Gestern, das Zeit- und Geschichtsmoment betreffend, in einer individual-genordeten Zukunft der weltverändernden action directe.
Die Publikation _The Weight of Light_ der Staatlichen Universität von Arizona bringt gleich auf Seite eine Kategorie zum Vorschein: Die "centrality of imagination and fiction in the project of democracy". Damit ist ein gewichtiges Problem von "Ökoscifi" benannt.
Es ist mit "Necessary Political Fictions" von Yaron Ezrahi verlinkt, die mit der "Krise der Demokratien" zusammenhängen. Was aber sind notwendige politische Fiktionen?
Ezrahi bezieht sich in _Imagined Democracies_ auf Giambattista Vico, dem Rhetoriker des späten 17. und frühen 18. Jahrhuderts. Vico suchte Fiktion, oder Mythos, und Wissenschaft für beide portabel zu machen. Vicos "Scienza Nuova" behandelt die Nation, die Gesellschaft, die Natur.
Er führt diese Themen philologisch aus, sprachphilosophisch und geschichtlich. Die Spur führt bis zu Reiner Grundmann, der mit Nico Stehr, Nachhaltigkeit und Ökologie mit einer Theorie der Expertise verbinden kann - trot sich auf Marx beziehend
auf dem Level der Entscheidungspolitik. Beide sehen die Mediatisierung der Expertise, die Wissensproduktion und Wissensanwendung vermittelt. Und hier kommt etwas entscheidendes, das rückwirkt auf die Fiktion und die Fiktionalität utopistischer Modelle des Leitthemas Klima:
Grundmann sieht den szientistischen Konsens nicht als ausschlaggebend an für eine Klimapolitik. Es liegt auf der Hand, kukturelle, ökonomische, nationale Einflussgrößen zu beachten. Das bekannte "Summary for Policymakers" des IPCC, immerhin das
"interregierungsmäßige" Panel (Intergovernmental Panel on Climate Change) versucht da Steuerung zu geben, wo aber, und das ist Marx zum Trotz, keine sein kann.
Die Fiktion wäre einer marxistischen Ablehnung des Konkreten eine Ablehnung der Wissenschaftsfiktion, der politischen Utopie zumal. Denn erst im Umbruch und danach kann praktisch erzeugt werden, was abstrakt zuvor undenkbar, unvorherdenkbar ist. Ein Punkt, der
strittig sein kann, wenn Fiktion, die ausformulierte Imagination, kritisch in den Bezug zu Planung, Vorstellung, Futurologie gesetzt werden muss.
Wie und wo genau beziehen die gesellschaftlichen Funktionen dieser drei Position? Kann ein neues Denken, wie verschiedentlich _idealistisch_ in die Nähe zur Imagination gestellt (und hier wäre marxistische Kritik am Scifi anlegbar, die den Gusto idealer Welt,
Utopie, problematisiert), einfache Innovation und Aufhebung gesellschaftlicher Konditionen ins eins nehmen? Fürs Erste reicht aus zu sagen, dass Fiktion
in linksbürgerlicher "imaginativer Denke", etwa in der BRD bei Dath, eine Schlüsselfunktion zukommt. Die Wechselbeziehungen von spielerischer Fiktion und Denke(n) werden in "notwendigen Imaginationen" einer Sozialwissenschaft, die Naturwissenschaft-Wissen
von der Extrapolierung in den Entwurf im Modus der Science-Fiction überführt, in der Nähe vom Sozialdesign ankommen - so die These. Paradigmen und Denkwenden (mindshifts) in der Denke wiederum anzusiedeln, dechiffriert den Wunsch ja nicht von selbst.
Der Wunsch, selbst keine neutrale Instanz, wird in den Denkweisen und -Substanzen bereits okkupiert. Die Schwierigkeit besteht nicht so sehr darin, sich eine im Kapitalverhältnis "aufgehobene" Tesla-Fabrik vorzustellen, sie besteht darin, die Form der Fabrik umzuformen - ein
Unterfangen*, das mit der realen neuen Fabrik von Tesla wie in Frühzeiten der Industrialisierung (Ford, Edison, Krupp, Siemens usw., Zugverkehr, Container-Logistik,...) systemische/soziale Auswirkungen hat... hätte, die über "Sektoren" hinausgehen.
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https://twitter.com/zineworkshop/status/1426396173317853185?s=20
Zur Rettung von Solarpunk gereicht vielleicht nur, wie sehr sich in Grenzen dieses imaginativen Entwerfens die Fiktion mit "autopoietischen" Totalitäten und Gesamtgesellschaften zu beschäftigen hat, was Roman, Serie und Fanfiction der Form nach übertrifft.
Matze Schmidt
Wir publizieren in Serie _Ökoscifi_ von Matze Schmidt, Skizzen, erste Teile, Notizen.
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