Brustverkleinerung und MDK.
Wo ist das Problem aus rechtlicher Sicht?
Ein paar Worte dazu.
Wer mal eine Prüfung des MDKs (medizinischen Dienstes des Krankenkassen) über sich ergehen lassen muss, weil eine MRP (Mammareduktionsplastik = Brustverkleinerung) aufgrund von Rückenschmerzen o.ä. angestrebt wird, wird vermutlich eine Ablehnung mit der Begründung bekommen, dass:
„kein wiss. Zusammenhang zwischen Größe, bzw. dem Gewicht der Brust und den Rückenbeschwerden belegt werden kann. Entsprechende ausreichend evidenzbasierte wissenschaftliche Studien gäbe es nicht.“
Viel Gewicht und dadurch Belastung? Klingt doch eig logisch. Wo ist das Problem?
Anneke Marlene Sycha schrieb 2013 ihre Dissertation zu genau diesem Thema (archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2013/044…):
Sie geht dabei ebenfalls darauf ein, dass eine übergroße Brust nicht per se ein Krankheitsbild darstellt.
Allerdings erläutert sie direkt, dass dennoch dadurch einige Probleme vermehrt vorkämen:
-Schlafstörungen
-Verstärkte Belastung des Halte- & Stützapparats
-Spannungsschmerzen in Nacken, Rücken, Kopf
-Bis hin zu Taubheitssymptomen in Händen/ Armen durch Vermeidungshaltung
Klingt also nicht so dolle. Was kann also dagegen getan werden?
Muskelaufbau sagt der MDK gerne. Schmerzmittel nehmen viele. Lassen sich an harten Tagen auch mal krankschreiben.
Die meisten leben allerdings „einfach“ mit den Schmerzen. Tag für Tag.
Warum also das Problem nicht aus der Welt schaffen und das Gewicht ein für alle Mal reduzieren?

Fand schon 1923 (!!) Hübner den einzigen Weg, als die Erfolgslosigkeit obiger Maßnahmen festgestellt wurden. Das belegten Collins et al. 2002 erneut.
[Strittmatter et al. 2004 und Pega et al. 2006] gehen noch weiter und sagen, dass „die einzige kausale Therapie bei symptomatischer Mammahypertrophie […] die MRP [sei]“ (alles aus Sycha, 2013).
Wo liegt denn nun also das Problem, wenn es doch so klar scheint?
Die Brustverkleinerung wird in Deutschland als SchönheitsOP eingestuft, nicht als medizinischer Eingriff, da (s.o.) eine große Brust kein Krankheitsbild darstellt.
Der Schluss „Viel Brust = Schmerzen“ wird nicht wissenschaftlich gesehen.
Zum Glück gibt es dazu kaum Studien: (/i)

[Bild: viele Studien aus dem Zeitraum zwischen 1986 und 2011 werden aufgeführt]
Jaha, sagt da der MDK, diese Studien seien aber nicht „evidenzbasiert“.

Schauen wir uns das an. Was heißt evidenzbasiert?

In erster Linie ist Evidenz etwas, dass sich auf Beweise stützt, evidenzbasierte Studien sind also Studien, die durch Beweise untermauert werden.
Ich zitiere hier aus der Dissertation von Sycha (2013, oben verlinkt). Diese beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Bewegung auf Menschen mit großen Brüsten, also wie das Gewicht durch Bewegung nochmal erhöht wird, weshalb Sport noch schwieriger wäre. (Sehr spannend übrings)
Dabei wurden 7 Personen untersucht. In anderen Studien sind es auch mal mehr, vlt 20-30. Das ist schlicht zu wenig für die Medizin.

Und hier kommen wir zu einem meiner „Lieblingsprobleme“:

Dem Patriachat.
In unsere Gesellschaft sind Probleme, die nicht in erster Linie dyacis Männer betreffen, schlicht mies erforscht. Das fängt damit an, wie Toiletten gebaut sind (für dyacis männliches Normbild), über das schlechtere Erkennen von Herzinfakten, von der Pille und anderen--
-- Verhütungsmitteln, kurz: unsere Medizin ist dyacis männlich. Was scheiße ist. Weil wir gar nicht alle dyacis Männer sind und – oh Wunder – selbst diese gar nicht alle gleich sind.
Zum Thread zurück: Wir haben also einige Studien, die belegen, dass Schmerzen und Wirbelsäulenveränderungen durchaus etwas mit diesen Gewichten zu tun haben können, die an einigen Menschen nunmal Vorne dran hängen. Aber es sind zu wenige Studien.

Und deshalb leiden Menschen.
Wie das im Einzelnen aussehen kann:


Danke für’s Lesen.

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More from @Josa_Enby

29 Aug
Ich habe chronische Schmerzen.
Dh. Jeden Einzelnen Tag.
Jede Einzelne Minute.

Es gäbe eine OP, die diese Probleme ein für alle Mal lösen könnte.
Nur, meine KK, die @Debeka, findet, ich solle lieber „Schwimmen“ gehen.
Ein Thread über Gutachten, den eigenen Körper und den MDK.
Ich bin unter 35J.
Habe einen BMI von 17,8.
Eine BH-Größe von 65G.
Ich bin also jung, schlaksig und habe enorme Oberweite.

Dass mir das als trans Person ganz schön #Dysphorie macht, ist schwierig, vor allem machen mich jedoch die täglichen Schmerzen beinah arbeitsunfähig.
Der Gedanke, dass eine OP eben auch die Empfindlichkeit zerstören könnte, hat mich lange abgeschreckt. Auch: Ich mag meinen Körper an sich. Meine Brüste sind weich und eigentlich ganz schön. Das ist eine größere OP und ich werde einiges an Schmerzen dadurch haben.
Read 27 tweets
28 Aug
CN:#Hunde
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Ich liebe meine Hunde. Jeden einzelnen auf die eigene Art.

Aber manchmal hätte ich ja schon gerne Hunde, deren Interessen Etwas ähnlicher zueinander stehen.
Da haben wir Fröhlich, meine erste Hündin, mit der ich, als sie noch alleine war, auch eben super viel er_arbeitet habe.
Von großem Angsthund zu happy clappy bei jedem Quatsch dabei, Hauptsache Action!! Sie ist super leicht zu motivieren und macht echt Spaß. Agility wäre super.
Unsere Große ist ultra unkompliziert. Regnet es halt 3 Tage durch, hat sie auch gar keine Lust draußen zu sein und kuschelt lieber auf der Couch.
Kann aber eben auch Stundenlang wandern gehen oder mal ne Runde Rad fahren.

Sie macht genau was sie soll, ohne eigene Ausflüchte.
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12 Oct 19
CN: #NotJustSad #Medis

Vor ein paar Tagen wurde mir mal wieder ein Artikel reingespült, der überlegte, ob Antidepressiva (ADs) nicht nur nette Placebo seinen, damit die Pharmaindustrie uns das Geld aus der Tasche ziehen könnte. Ein paar Worte dazu: (10 Tweets)
CN:#NotJustSad

Wer mich länger liest, weiß, dass ich Jahre lang von starken Depressionen geplagt war. Volles Programm: Freundschaften verloren, Studium abbrechen müssen, Arbeitsunfähig, Gefühlslos, existierende Untote.
JAHRE lang. Ununterbrochen.
CN:#Suizid #Medis

Anfang des Jahres war klar: es muss was passieren oder ich überlebe die nächsten Monate nicht mehr.
Ich suchte mir mal wieder eine Therapie, die mich in der ersten Stunde ansah und am liebsten sofort in einer Klinik gesehen hätte.
Read 11 tweets

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