Diese Grafiken mit Partei-CO2-Budgets aus unserer Wahlprogrammanalyse zur #btw21 vom Konzeptwerk @NeueOekonomie kursieren auf Twitter und sorgen für Entsetzen sowie gelegentliche Konfusion und Unmut. #btw21klima
Was steckt dahinter? Eine Einordnung & Erklärung zur Methodik: 1/
Grundlage sind die in den Wahlprogrammen formulierten Zieljahre für Klimaneutralität; außerdem dort angegebene Zwischenziele z.B. für 2030 + 2040. Wir sind davon ausgegangen, dass Emissionen zwischen diesen Zielmarken jeweils linear (= gleichmäßig pro Jahr) reduziert werden. 2/
Daraus lassen sich dann von historischen + gegenwärtigen Emissionen (2021 auf Grundlage letzter Informationen geschätzt) Emissionsmengen für jedes Jahr und damit ein Gesamtbudget berechnen (wir beginnen mit 2022, wenn die neue Regierung voraussichtlich ihr Wirken beginnt). 3/
Ausnahme: @Die_Gruenen kommunizieren im Programm direkt ein Budget von 6,6 GtCO2 ab 2020; dieses haben wir auf 2022 aktualisiert und direkt verwendet: 5,3 Gt. 4/
@DieLinke hat der @zeitonline gegenüber ein Budget von 4,2 Gt CO2 kommuniziert statt der von uns angegebenen 4,9 Gt. Unser Fehler: Uns war leider entgangen, dass in der letzten Version des Wahlprogramms das 2030-Zwischenziel von -70% auf -80% angehoben wurde. So kommt es hin. 5/
@CDU/@CSU + @SPDde orientieren sich an dem, was sie mit der Nachbesserung am Klimaschutzgesetz in Folge des BVerfG-Urteils kürzlich schon beschlossen haben, und wollen nichts mehr zulegen (klimaneutral bis 2045, Zwischenziele für 2030 + 2040). Damit kommen wir auf 7,1 Gt CO2. 6/
Die @FDP bezieht sich auf den damals geltenden rechtl. Rahmen (klimaneutral bis 2050) ohne Zwischenziele. Bei stetigen Reduktionen bis dahin ergibt sich ein sehr hohes CO2-Budget von 10,7 Gt. Sie will das Ziel regelmäßig "evaluieren" - keine konkrete Steigerung der Ambition. 7/
Nun wenden manche ein, dass theoretisch ja auch andere Pfade zum gleichen Ziel denkbar wären, z.B. mit überdurchschnittlich schnellen Reduktionen in den nächsten Jahren. Ergebnis wäre ein verändertes (im Beispiel: niedrigeres) Budget. Das ist richtig, aber: 8/
Wenn die Parteien es nicht so formulieren, müssen wir vom Durchschnittsfall ausgehen. Wo Zwischenziele genannt werden, ist der Pfad zudem schon weiter konkretisiert (und kaskadenartige Kurven, direkt nach jedem Zwischenziel steil abfallend, sind kein sehr plausibles Szenario). 9/
Natürlich hängt Klimaneutralität auch noch von anderen Treibhausgasen als CO2 ab; zu diesen schweigen die Wahlprogramme allerdings regelmäßig (sucht dort mal nach Methan oder der für Nullemissionen notwendigen radikalen ernährungspolitischen Wende...). 10/
IPCC und @umweltrat (@W_Lucht) rechnen auch ausschließlich in CO2-Budgets, was u.a. mit der Komplexität anderer Treibhauseffekte zusammenhängt (für die gibt es z.B. die Berechnung der radiative forcings). 11/
Wir sind daher davon ausgegangen, dass CO2-Neutralität im selben Jahr wie Gesamt-Klimaneutralität erreicht werden soll. Müsste nicht zwangsläufig so sein, erscheint aber mangels gegenteiliger Angaben als plausible Annahme. (Methan sehr schnell zu vermeiden wär übrigens klug.) 12/
Übrigens: auch Negativemissionen kommen in den meisten Wahlprogrammen kaum vor (die meisten Wege der Umsetzung im großen Stil sind auch problematisch bzw. noch nicht wirklich verfügbar, hello @scheinloesungen). 13/
Negativemissionen dienen ja oft als Rechtfertigung für Emissions-Overshoot vor 2050. Sie spielen aber formal eh keine Rolle für die Budgets, die ja schließlich Nettoemissionen berechnen. (Ob sie korrekt berechnet oder übertrieben *würden*, wäre natürlich eine andere Frage!) 14/
1 Wort noch zu den Vergleichsbudgets f. 1,5/1,75° (von IPCC/@umweltrat): Wie in unserer Analyse ausgeführt, sind diese schon konservativ berechnet. U.a. berücksichtigen sie nicht alle Emissionen + ignorieren historische Klimaschulden, die das dt. Budget längst negativ machen. 15/
Wir haben in der Analyse zudem - das ist der Hauptteil - eine qualitative Bewertung der vorgeschlagenen klimarelevanten Maßnahmen in den Wahlprogrammen vorgenommen, nach Sektoren. Jahreszahlen reinschreiben ist schließlich einfach, sie umzusetzen etwas ganz anderes. 16/
Die Budgets berechnen sich aber NICHT aus diesen Maßnahmen, nur aus den erklärten Klimaneutralitätszielen. Die Berechnung eines solchen Gesamtbudgets aus den gesamten Wahlprogrammen wäre natürlich spannend, aber hochkomplex bis unmöglich. 17/
(Viele Maßnahmen bleiben schließlich vage und auch aus konkreten Punkten wie "1 Milliarde Investitionen in den ÖPNV" lässt sich nicht direkt eine CO2-Tonnen-Einsparung errechnen.) 18/
Tatsächlich haben wir die jetzt so oft zitierten Budgets erst ganz zum Schluss des Arbeitsprozesses hinzugefügt, um die Distanz des realpolitisch Verhandelten zum klimagerechtigkeitspolitisch Notwendigen zu unterstreichen. Sie waren bloß als kleines Rechenspiel gedacht. 19/
Liebe Klimabewegte: Setzt euch gerne auch jenseits der Budget-Zahlenspiele mit der Substanz dessen auseinander, was im klimapolitischen Mainstream gerade verhandelt wird! Hier die ganze Analyse: konzeptwerk-neue-oekonomie.org/eine-wahlprogr… 20/ENDE
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Die Forderung nach Klimaneutralität in Deutschland bis 2035 als Weg zum 1,5°C-Ziel ist sehr präsent, u.a. bei @FridayForFuture. Grundlage ist ein deutsches Rest-Emissionsbudget von 4,2 Gt CO2.
Leider ist das irreführend & zeigt die Probleme des Prinzips #FollowTheScience. 1/
Die Zahlen beruhen auf einem Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen, eines wissenschaftlichen Beratungsgremiums der Bundesregierung. Hier das Gutachten: umweltrat.de/SharedDocs/Dow… 2/
Klimaschulden - europäischer Wohlstand basiert auf 200 Jahren ungehemmter Selbstbedienung an der Atmosphäre, so bleibt kaum noch CO2-Spielraum für den Rest der Welt - werden dort anerkannt, aber als Kriterium für CO2-Budgets verworfen, weil als politisch chancenlos angesehen. 3/