Heute vor 125 Jahren, #OnThisDay 1896, wurde Elisabeth Selbert geboren. Die Kasseler Juristin war eine der vier Mütter des Grundgesetzes und erkämpfte Artikel 3, Abs. 2 "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Zum Geburtstag ein Thread über ihr Leben! #125jahreselbert
Sie wurde in Kassel als Martha Elisabeth Rohde geboren. Die Familie hatte wenig Geld, die Hoffnung auf höhere Bildung oder eine Lehrerinnenausbildung musste die junge Elisabeth Rohde begraben. 1918 trat sie in die @spdde ein.
In der Weimarer Republik begann ihr politisches Engagement. Als Delegierte auf der SPD-Reichsfrauenkonferenz 1920 kritisierte sie, dass die Weimarer Verfassung Frauen zwar gleiche Rechte und Pflichten zusprach, "aber diese Gleichberechtigung immer noch eine rein papierne ist."
Nach der Heirat mit Adam Selbert bekam sie 2 Kinder, arbeitete als Postangestellte und engagierte sich politisch. 1925 holte sie mit 30 im Selbststudium ihr Abitur nach. Dann studierte sie Rechts- und Staatswissenschaften in Göttingen – als 1 von 5 Frauen unter 300 Studierenden.
Ihr Mann betreute nachmittags die Kinder, Selbert schloss ihr Studium mit Auszeichnung ab und promovierte 1930. Nach der Machtübernahme der Nazis kam ihr Mann als SPDler in Schutzhaft ins KZ Breitenau. Elisabeth Selbert erwirkte nach 4 Monaten seine Freilassung.
Sie legte ihr 2. Staatsexamen ab, kurz bevor die Nazis begannen, Frauen aus Rechtsberufen zu drängen. Ihr Mann hatte Berufsverbot, sie musste die Familie ernähren. Selbert übernahm gegen eine Ablöse die Sozietät zweier jüdischer Anwälte, die das Land verließen.
Sie schützte Mandant:innen, indem sie milde Freiheitsstrafen statt Freispruch erbat (bei Freispruch wartete die Gestapo). Nach 1945 war Elisabeth Selbert als einzige Kassler Anwältin nicht NS-belastet, arbeitete für die Alliierten am Militärgericht, eröffnete ihre Kanzlei neu.
Nach parteipolitischem Engagement in Hessen 1946 wurde sie 1948 in den Parlamentarischen Rat (PR) gewählt, der ein Grundgesetz für die BRD ausarbeiten sollte. 4 der 65 Abgeordneten waren Frauen: Selbert (SPD), Friederike Nadig (SPD), Helene Wessel (Zentrum), Helene Weber (CDU).
Selbert engagierte sich im PR für die Schaffung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Bürger gegen Übergriffe des Staats: Eine Nazi-Diktatur sollte sich nicht wiederholen können. Die Sicherung der Gleichberechtigung im GG hielt sie für kein Problem - ein Irrtum.
In der Weimarer Verfassung hieß es „Männer und Frauen haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte“. Selbert schlug im PR vor: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Die PR-Delegierten hingegen wollten eine Formulierung, die die „Eigenart des Weiblichen“ berücksichtigte.
Amüsant fand die Vorstellung der Gleichberechtigung u.a. der spätere Bundespräsident Theodor Heuss. Nachdem Selberts Vorschlag „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ wiederholt bei der Abstimmung scheiterte, ging sie in die Offensive.
Sie klärte Bürgerinnen mit Vorträgen darüber auf, dass ihr Vorschlag ihnen mehr Rechte bringen würde. Sie sprach mit Ehefrauen von CDU-Abgeordneten, die ihre Männer beim Abendessen ins Gebet nahmen. Sie suchte die überparteiliche Zusammenarbeit, auch mit Kommunist:innen.
40.000 Metallarbeiterinnen schickten Eingaben an den Parlamentarischen Rat. Frauenverbände appellierten. Der Zentrale Ausschuss für Frauenfragen der SPD stützte Selberts Vorschlag mit einer Resolution. Die Post kam wäschekorbweise an.
Sie hatte Erfolg: Am 18. Januar 1949 wurde Selberts Vorschlag einstimmig angenommen. In einer Rundfunkansprache sprach Selbert den Erfolg ihrer Partei zu, statt sich selbst ins Rampenlicht zu stellen. Das Grundgesetz wurde am 23. Mai 1949 durch Kanzler Konrad Adenauer verkündet.
Art 3, Abs. 2 des GG lautet: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."
Elisabeth Selbert hat mit ihrem Engagement erwirkt, dass der deutsche Staat im Grundgesetz nicht nur die Gleichberechtigung von Männern und Frauen anerkennt. Der Staat verpflichtet sich im GG auch selbst dazu, die Gleichstellung aktiv durchzusetzen.
„Ich hatte einen Zipfel der Macht in meiner Hand gehabt, und den habe ich ausgenützt, in aller Tiefe, in aller Weite, die mir rhetorisch zur Verfügung stand“, sagte Selbert über ihren Erfolg.
Die @spdde dankte Selbert ihr Engagement nicht. Als einzige der vier Frauen im Parlamentarischen Rat schaffte sie nicht den Einzug in den Bundestag: Die Parteispitze nahm ihr übel, dass sie parteiübergreifend mit Kommunist:innen gearbeitete hatte.
1958 hoffte Selbert auf einen Posten als 1. Richterin am Bundesverfassungsgericht. Die @spdde nominierte sie nicht: sie galt als zu politisch und engagiert. 1965 verwitwet, führte Selbert ihre Kasseler Kanzlei bis ins hohe Alter weiter. Sie starb am 9.6.1986 mit fast 90 Jahren.
Es gab zahlreiche Frauen, die im NS Widerstand geleistet haben. Gemeinsam mit @frauabgeordnete und @frauenvondamals werfe ich in diesem Thread in den kommenden Wochen deshalb ein Schlaglicht auf Frauen, die sich gegen den NS wandten.
Eine von uns wird täglich eine Frau vorstellen. Der Thread erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Auch wir kennen natürlich nicht alle Namen und Schicksale. Wir möchten einen Anfang machen und für Sichtbarkeit sorgen.
Weil wir heute starten, geht es mit einem kleinen Reigen los:
Wenn Joe Biden gleich mit der Amtseinführung 46. Präsident der USA wird, bekommt Amerika eine neue First Lady: Dr. Jill Biden. Wie haben frühere First Ladies das Amt geprägt? Thread! Schenkt Kaffee nach, die Liste ist länger geworden. 🤓 #frauengeschichte.
Als Martha Washington (née Dandridge) 1789 First Lady wurde, existierte weder die Bezeichnung noch das Weiße Haus. Sie war nicht begeistert, dass ihr Mann Präsident wurde. Martha Washington hielt in New York und Philadelphia Events für Politiker, bekannt als “Republican Court”.
Abigail Adams (née Smith) wird 1797 erste Gastgeberin im neu erbauten Weißen Haus. Am Tag der Amtseinführung ihres Mannes pflegte sie dessen sterbende Mutter. Weil sie als Beraterin ihres Mannes eine so aktive Rolle einnahm, gaben Kritiker ihr den Spitznamen „Mrs. President“.
So, zu Weihnachten bekommt ihr die Fotografinnen, die ich euch vor einiger Zeit versprochen habe. Mit einigen Damen, die @Rohnerin und @laStaempfli in Die Podcastin geehrt haben und einigen Tipps von @dirkprimbs, dessen Podcast @fotomenschen sich sehr lohnt! Merry Clickmas! 📸
Anna Atkins (1799-1871) ist künstlerisch interessiert, lernt von Physiker John Herschel das Fotoverfahren der Cyanotypie. Mit der Technik produziert sie ein Botanik-Buch, ist die erste Autorin eines Buches, das ausschließlich mit einem fotografischen Verfahren illustriert wird.
Julia Margaret Cameron (1815-1879) wird in Kalkutta geboren, wächst in Frankreich auf, lernt in Südafrika ihren Mann kennen, lebt als Hausfrau und Mutter in England. Mit 48 wird sie Fotografin, inszeniert religiös-romantische Szenen und Porträts der viktorianischen Zeit.