Die Eltern war'n im Urlaub. In einem Risikogebiet.
Natürlich sind die Eltern geimpft. Nicht von irgendwem, sondern vom Gesundheitsamt Wiesbaden.
Jetzt ratet, wer meinen Eltern eine Aufforderung geschickt hat ihren Impfstatus nachzuweisen?
Richtig. Das Gesundheitsamt Wiesbaden.
Im Schreiben werden meine Eltern gebeten ihren Impfstatus per Mail, Post oder Fax (!) nachzuweisen.
Rufe beim Gesundheitsamt Wiesbaden an & frage sehr freundlich, wie es sein kann, dass man dort keine Kenntnis hat vom Impfstatus meiner Eltern hat.
Die Antwort lautet: Datenschutz.
Der nette Mann am Telefon sagt mir, dass ein pdf, jpg oder png genügt. Hauptsache nicht größer als 20 MB. Ich frage ihn wie oft er Anhänge bekommt, die größer als 20 MB sind. »Datenschutz« sagt er und atmet schwer. Ich könne aber gerne wieder anrufen, wenn ich noch Fragen hätte.
Außerdem hätte er mal ein Interview gegeben für den Wiesbadener Kurier, der ziemlich gut erklärt, wie die digitale Einreiseanmeldung für Menschen aus Wiesbaden funktioniert. Ich danke ihm, lege auf und google. Der Artikel im Wiesbadener Kurier ist hinter einer Paywall. Natürlich.
Vater & ich versuchen telefonisch die Impfzertifikate meiner Eltern aus der CovPass-App zu exportieren. Meinem Vater eine App auf seinem Android-Telefon zu erklären, die ich auf meinem iOS-Telefon gar nicht habe, kostet mich 2 Jahre Lebenszeit.
Fazit: Exportieren geht gar nicht.
Neuer Ansatz: Ich google wie man auf einem Huawei einen Screenshot macht. Vater die Tastenkombination beizubringen dauert nicht so lange. Nur etwa 14 mal macht er das Handy lauter, leiser oder aus, dann hat er es. Was er hat ist allerdings kein Screenshot, sondern der Hinweis, …
… dass Bildschirmaufnahmen für die CovPass-App nicht zugelassen sind. Vater schlägt vor den Bildschirm einfach mit dem iPad von Mama abzufotografieren. Ich sage ihm, dass das so nicht geht und rufe hilfesuchend beim Gesundheitsamt an.
"Haben Sie ein Handy?", fragt der nette Mann am Telefon.
"Klar!", sage ich.
"Dann machen Sie doch einfach ein Foto vom Bildschirm ihres Vaters."
Ich frage den netten Mann am Telefon, wie viele abfotografierte Endgeräte er pro Tag bekommt.
"Datenschutz", sagt er und atmet schwer.
Mutter hat übrigens kein iPad. Hätte sie ein iPad wäre alles kein Problem. Mutter hat ein altes Android-Tablet, das dummerweise kein Foto von Vaters Bildschirm mit den Impfzertifikaten machen kann, weil das Tablet immer erst den QR-Code öffnen möchte, bevor es ein Foto macht.
Vater möchte jetzt versuchen das Impfzertifikat mit der Frontkamera von seinem eigenen Handy im Badezimmerspiegel zu fotografieren. Ich lasse ihn jetzt einfach mal selber herausfinden, warum das nicht funktionieren kann.
Rufe hilfesuchend bei Steffen an. Dem netten Mann vom Gesundheitsamt. Wir sind jetzt schon per Du. Steffen hat die rettende Idee: Ob meine Eltern denn keine analogen Zertifikate hätten. Foto davon ginge auch. Ich bedanke mich & verspreche nie mehr anzurufen. Schade, sagt Steffen.
Vater fotografiert die analogen Impfzertifikate & schickt die Nachweise an Steffen. Ein Ende ist in Sicht. Ich mache mich ans Mittagessen.
Zehn Minuten später ruft Mutter an. Ich müsse mich auf ihren Computer einwählen. Sie hätten eine komische Email vom Gesundheitsamt bekommen.
Die "komische Email" kommt nicht vom Gesundheitsamt. Sie kommt vom Provider. Ein Mailer-Daemon. Vater hat zwei Bilder mit einer Gesamtdatenmenge von 35 Megabyte verschickt. Ich kann mir nicht erklären wie das sein kann. Dann stellt sich raus: Das 2. Foto ist ein Video. Chapeau!
Mutter & ich beschließen Vater nicht mehr zu involvieren. Leite jpeg & mpeg weiter an mich selbst. Am heimischen Mac mache ich aus allem zwei schöne PDFs & schicke beide ans Gesundheitsamt. Zwanzig Minuten später folgt mir ein Steffen auf Instagram. So viel zum Thema Datenschutz.

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More from @plbkwsk

30 Apr
Oft gelesen: Migrant:innen würden sich viel seltener impfen lassen.

Die größten Migrant:innengruppen in Deutschland sind:
- türkischer
- polnischer
- italienischer Herkunft

Die Webseite der Bundesregierung zur Corona-Impfung ist verfügbar auf:
- Deutsch
- Englisch
- Französisch
Ich finde das sehr krass. So wie ich es sehr krass finde, dass es 15 Monate nach den ersten Covid-Fällen noch immer keine zentrale, einfach zu merkende & kommunizierende Webseite der Bundesregierung gibt, die Bürger:innen in ihrer Muttersprache über die aktuellen Geschehnisse …
… und Maßnahmen informiert. Es gibt nur wenige Informationsangebote in einfacher Sprache, für hörgeschädigte & leseschwache Menschen, und wenn es sie gibt, sind sie für große Teile der Bevölkerung schwer zu finden. Was bitte, wäre an Covid19.de so schwer gewesen?
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29 Apr
Berlin-Wedding. 9 Uhr morgens.
Rechts & links der Müllerstrasse sind zwei Müllwagen der BSR auf Tour. Der eine Wagen in der Brüsseler, der andere in der Amsterdamer. Über den lärmenden Verkehr hinweg, den leichten Nieselregen, den grauen Tag, erspähen sich die beiden Kolonnen. …
Die breiten strammen Kerle grüßen nüchtern, dann fängt einer schelmisch an zu winken, ein spöttischer Handkuss jagt über die Müllerstrasse. Ein Zweiter macht jetzt einen Hackensprung, ein Dritter eine halbe Pirouette, ein Vierter hüpft im Bock über den Kumpel. Dann heben zwei, …
wie zum Kraftbeweis, eine ganze Tonne in die Luft & tänzeln in Trippelschritten einen Kreis. Plötzlich tönt ein scharfer Pfiff, der Müllwagen zieht an und das Spiel treibt wieder auseinander. Ich aber stehe am Balkon, grinse und weiß, warum ich diese gottverdammte Stadt so liebe.
Read 4 tweets
28 Apr
Heute morgen hat sich im Impfzentrum in Wiesbaden das nachfolgende Gespräch ergeben:

"Unser Sohn hat uns angemeldet!"
"Ja, unser Sohn!"
"Im Internet!"
"Ja!"
"Ach, hat der sich gekümmert, ja?"
"Ja, der hat sich gekümmert."
"Der kümmert sich immer."
"Immer!"

1/4
"Ist der auch schon geimpft?"
"Neinnein."
"Aber der kümmert sich?"
"Ja, der kümmert sich!"
"Na wird schon. Sieht ja ganz gut aus bei uns."
"Der wohnt nicht bei uns!"
"Wo wohnt der denn?"
"In Berlin."
"Ach in Berlin?"
"Ja. In Berlin."
"Meine Schwester wohnt auch in Berlin!"

2/4
"Unser Sohn auch!"
"Ja. In Wedding."
"IM Wedding!"
"Ach lustig. Meine Schwester und ihr Mann, die haben eine Praxis im Wedding."
"Ja, IM Wedding."
"Nicht IN Wedding!"
"Und der ist noch nicht geimpft, ihr Sohn?"
"Neinnein."
"Will er denn?"
"Ja, doch."
"Unbedingt will der."

3/4
Read 4 tweets
11 Feb
14 Tipps für ein friedliches Miteinander auf dem Gehweg. [ein Wut-#Thread]

1. Halte Dich beim Gehen bitte rechts. Auch, wenn Du pansexuell bist. Pansexualität hat nichts mit der Gehrichtung auf einem Gehweg zu tun.

2. Wenn Du links um eine Ecke gehst, mache einen großen Bogen.
3. Wenn Du rechts um eine Ecke gehst, mache einen kleinen Bogen.

4. Wenn es offensichtlich eng wird, dann überhole nicht bei entgegenkommenden Personen. Vor allem nicht, wenn diese Personen eine Hellebarde bei sich tragen.
5. Wenn Du jemand anderen überholst, gehe im besten Falle konstant ein bisschen schneller als diese Person. Auch wenn Du beim Gehen googeln musst, was eine Hellebarde ist.
Read 12 tweets
9 Feb
Der Titel des letzten Buches, dass du gelesen hast + die Worte "mit einer Kettensäge". Ich fange an:
»Die Zweisamkeit der Einzelgänger mit einer Kettensäge«
Die Titel meiner Bücher übrigens:
»Hauptsache nichts mit Menschen mit einer Kettensäge«
»Alleine ist man weniger zusammen mit einer Kettensäge«
»Bitte nehmen Sie meine Hand da weg mit einer Kettensäge«
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23 Dec 20
Eigentlich denke ich ja seit stabilen 30 Jahren, dass nur ich ein vergleichsweise verkorkstes Verhältnis zu meiner eigenen Familie habe. Aber seit Tagen höre ich mir Unmut und Wehklagen von Freund:innen und Kolleg:innen an, die über Weihnachten nach Hause „fahren müssen“. [1/5]
Weil sie von ihren Geschwistern/Eltern/Großeltern passiv unter Druck gesetzt werden. Weil sie Angst haben andernfalls in der Familienblase geshamed zu werden, wie letztens erst die Tochter von Meiers und der Sohn von Müllers. Weil sie es nicht übers Herz bringen, ... [2/5]
... dieses sehr wichtige Thema offen anzusprechen & durchzudiskutieren. So viele Menschen in meinem Alter, erwachsene Menschen, gurken widerwillig in die Heimat, sehenden Auges in das törichte Viergenerationgelage, mit großem Unbehagen und verkapselter Sorge in ihrem Bauch. [3/5]
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