Hier fliegen täglich Grafiken und Modelle zu Corona durch meine Timeline, die ich kaum checke, obwohl ich eigentlich ganz gut in Mathe bin. Aber ich denke, das hier ist ganz leicht verständlich:

Wenn ich mir die Impfkurve ansehe, sehe ich ein riesiges Problem anrollen. #Thread Image
Auffrischung ist 6 Monate nach der 2. Impfung nötig. Vor 6 Monaten war der 12. Mai. Zu diesem Zeitpunkt waren 8,8 Millionen Menschen zweifach geimpft. Davon haben aktuell aber erst 3,6 Millionen Menschen einen Booster erhalten.

Bleiben 5,2 Millionen. impfdashboard.de Image
Beim derzeitigen Impftempo (229.100 Impfung pro Tag) bräuchten wir 22,7 Tage, um diesen Rückstand aufzuholen. Das berücksichtigt natürlich nicht, dass es sich bei einem Teil der Impfungen immer noch um Erst- oder Zweitimpfungen handelt. zeit.de/wissen/gesundh… ImageImage
Gehen wir trotzdem mal davon aus, dass alles Drittimpfungen wären. 22 Tage später (am 4. Dezember) wären also endlich alle 8,8 Millionen Menschen geboostert. Doppelt geimpft waren 6 Monate vor diesem Datum aber bereits 17,5 Millionen.

Bleiben 8,7 Millionen. Image
Natürlich ist das nur eine ganz grobe Rechnung, aber ihr seht, worauf das hinausläuft: Wir haben es verpennt, rechtzeitig mit den Booster-Impfungen anzufangen und kommen jetzt nicht mehr hinterher.
Und dieses Problem wird bestehen bleiben, solange die Kurve der Zweitimpfungen so steil nach oben geht. Die ist erst ab Anfang August abgeflacht. Ab da 6 Monate in die Zukunft gerechnet bedeutet das: Anfang Februar.
Nun ist diese Überlegung total hinfällig, wenn wir davon ausgehen, dass die Impfgeschwindigkeit massiv erhöht wird. Schließlich haben wir zu Spitzenzeiten über 1 Million Impfungen pro Tag verabreicht. Die Frage ist nur:

Können wir das jetzt auch noch?
Viele (die meisten?) Impfzentren haben dicht gemacht. Zumindest dort, wo ich herkomme, denkt man aktuell auch noch nicht daran, das wieder zu ändern. Hausärzte und mobile Teams werden den Ansturm mMn kaum stemmen können. Das ist die eine Sache.
Dazu kommt allerdings etwas, was die meisten von uns vermutlich nicht mehr für möglich gehalten hätten:

Wir haben zu wenig Impfstoff.
Für die kommende Kalenderwoche (46) werden 2.893.200 Impfdosen von Moderna erwartet. Das reicht für 413.314 Impfungen pro Tag. Zum Vergleich: 6 Monate zuvor hatten wir im selben Zeitraum (15. bis 21. Mai) 2.261.232 Zweitimpfungen, also 323.033 pro Tag. ImageImage
Wir haben also ein bisschen mehr, als wir bräuchten, um genau die Personen zu impfen, deren 6-Monatsfrist nächste Woche ausläuft, aber BEI WEITEM nicht genug, um den Rückstand aufzuholen und auch noch Erst- und Zweitimpfungen durchzuführen.
Besser wird es erst wieder im Dezember, wenn dreimal so viel Impfstoff/Woche erwartet wird. Damit könnten wir ca. 1 Million Impfungen pro Tag verabreichen. Wobei uns da natürlich Weihnachten und Silvester dazwischen grätscht. Und halt, wie gesagt, die geschlossenen Impfzentren.
Ich will gar nicht darüber nachdenken, was das für die Infektionszahlen und alles, was damit zusammen hängt, bedeutet (so lästige Dinge wie Todesfälle, Überlastung der KHs etc.). Sicher ist mMn nur: Impfen allein wird die 4. Welle nicht brechen können.
Einfach, weil es unmöglich ist: Wir können weder schnell genug impfen, noch haben wir genug Impfstoff. 2G wird auch nicht reichen. Aus meiner Sicht wird es ohne Lockdown für alle nicht gehen.
Mir drängt sich darüber hinaus eine weitere Frage auf: Nämlich die der Priorisierung. Die war zu Anfang der Impfkampagne schon kompliziert genug, jetzt kommt noch ein weiterer Faktor hinzu.
Sollten Menschen, deren Zweitimpfung bereits mehr als 6 Monate her ist, vor Leuten drankommen, die jetzt erst zu ihrer Erstimpfung antanzen? Aus epidemiologischer Sicht sind Erstimpfungen sinnvoller, weil sie die Übertragbarkeit des Virus' stärker einschränken als Drittimpfungen.
Ich persönlich hätte aber ein gewaltiges Problem damit, Leute vorzulassen, die schon seit Monaten (erst- und zweit-)geimpft hätten sein könnten, es aber nicht wollten, während ich mir so schnell wie möglich einen Termin besorgt habe.
Und wenn dann noch weitere Faktoren dazu kommen (z.B. Drittimpfung für alte Person vs. Erstimpfung für junge Person), geraten wir hier schnell wieder in ethische Diskussionen, die mehr zu einer Spaltung der Gesellschaft beitragen, als es ein Lockdown nur für Ungeimpfte je könnte.
Aber damit werden wir uns dann demnächst beschäftigen müssen. Was ich mit diesem Thread eigentlich sagen wollte:

Wir sind sowas von am Arsch. #Threadende

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21 Nov
Unpopular opinion: Es gilt als unmenschlich, Gesundheitspolitik wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen, aber geht es um Therapieplätze, wäre ich darüber sogar froh. Wir haben seit Jahrzehnten einen hochgradigen Mangel, Wartezeiten von mindestens 6 Monaten sind völlig normal...
... sofern Therapeuten überhaupt noch eine Warteliste führen. Psychisch Kranke verzweifeln und gehen zugrunde an diesem System, während die Krankenkassen seit Jahren stur behaupten, dass die Menge an Kassensitzen völlig ausreichend ist.
Ich habe über ein Jahrzehnt (!) meines Lebens versucht, einen Therapieplatz zu bekommen, und ehrlich gesagt inzwischen aufgegeben. Dass Leute wie ich anscheinend nichts wert sind, ist menschlich gesehen eine Bankrotterklärung unserer Gesellschaft.
Read 10 tweets
20 Nov
Wieso wird eine Impfpflicht eigentlich als eine kaum zumutbare BELASTUNG für die Ungeimpften gesehen - sie schützt sie schließlich vor einer potentiell tödlichen Infektion?
Will sagen: Hier sind immer nur die harten Impfgegner Thema. Es gibt unter den Ungeimpften aber nicht nur die. Mit einer Impfpflicht erreichen wir die Unentschlossenen, die Desinteressierten, diejenigen, die diese Entscheidung nicht für sich selbst treffen dürfen etc.
Wir können uns das vielleicht nicht vorstellen in unserer top-informierten Twitter-Bubble, aber es gibt wirklich immer noch viele Menschen, die keine Ahnung haben, wie gefährlich Covid genau ist und wie wichtig eine Impfung für sie wäre. Eine Pflicht würde sie schützen...
Read 7 tweets
2 Oct
Ich glaube, die FDP hat einen riesigen Fehler gemacht, das Thema Tempolimit so hochzujazzen. Das können die Grünen jetzt gnadenlos ausnutzen, wenn sie schlau sind. #Thread
Vorab: Mich macht es KRANK, dass wir kein Tempolimit haben. Nicht, weil ich eine radikale Autohasserin bin, sondern weil das ist eines dieser Themen ist, bei denen die Faktenlage klarer nicht sein könnte.
Kein Tempolimit ist gefährlich, es behindert den Verkehr, schadet dem Klima, wir sind fast die einzigen auf der Welt ohne. Nur eine winzige Minderheit (Schnittmenge zwischen "Leute, die gern rasen" + "Leute mit Autos, die dazu in der Lage sind") würde darunter überhaupt *leiden*.
Read 14 tweets
1 Oct
Das steht in dem Artikel übrigens nicht drin. Ihr könnt euch wieder abregen.
Das ist echt ein Paradebeispiel dafür, wie Journalismus NICHT sein sollte. Offensichtlich ging es dem Autor nur um dieses eine (Aufreger)Thema, deshalb hat er Grüne und FDP dazu direkt gefragt. Und aus der Antwort der Grünen wird dann einfach das gemacht.
Was tatsächlich gesagt wurde:

- Ja, Tempolimit ist ein Thema, mit dem wir in in die Sondierungsgespräche gehen
- Wir werden nicht alle unsere Themen durchsetzen können

Letzteres liegt in der Natur der Sache. So funktioniert nun mal Politik bzw. Koalitionen.
Read 5 tweets
29 Sep
Ich sag es, wie es ist:

Demokratie funktioniert einfach nicht.
Ich werde grade ernsthaft sauer. Natürlich dArF SiE wÄhLeN wAs sIe wiLL. Aber das? Nach all unseren Diskussionen??? Nachdem ich ihr tonnenweise Fakten besorgt und stundenlang Sachen erklärt habe, die sie nicht verstanden hat?????
Am Ende wählt sie dann doch total spontan und aus dem Bauch raus irgendwelche Lappen, die weder im Bund, noch bei ihr vor Ort was reißen (vermutlich nur, weil ihr der Name gefallen hat!), und das nur, weil die TV-Triells sie GENERVT haben. Holy fucking shit, ich breche zusammen!!
Read 5 tweets
16 Jul
Übrigens: Selbst wenn die ganze Menschheut HEUTE aufhört, CO2 in die Luft zu blasen, macht das solche Katastrophen nicht weniger wahrscheinlich. Sie würden lediglich nicht noch schlimmer werden als jetzt. Was schon angerichtet ist, ist nicht rückgängig zu machen.
Mein Eindruck: Viele stellen sich "globale Erwärmung" wie einen Kochtopf vor, der auf einer Herdplatte steht, die immer heißer wird. Das mag schon jetzt ungemütlich sein, aber sobald es zu heiß wird, dreht man die Platte halt wieder runter. Easy. Nur: So funktioniert das nicht.
Die Erde ist kein Topf auf einer Herdplatte mit Drehschalter. Es wird nicht weniger, selbst wenn wir jetzt keine Treibhausgase mehr emittieren. Das CO2, das jetzt in der Atmosphäre ist, wird dort viele tausend Jahre bleiben.
Read 15 tweets

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