Modellrechnung: Was passiert mit bzw. ohne Lockdown? Und danach?

Ein Blick in die nähere Zukunft anhand von Modell-Szenarien mit und ohne Lockdown.

Spoiler: Nicht gut. Gar nicht.

Blogartikel und Thread
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Hier im Thread kommen nur ein paar Highlights, viel ausführlicher und als wohlformatierter Blogartikel hier zum Lesen (besser als bei Twitter):
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dirkpaessler.blog/2021/11/23/mod…
Es könnte sein, dass das hier für einige Zeit der letzte Blogpost mit Modellrechnungen sein wird. Zum Einen, weil unsere Datenqualität gerade komplett am abka**en ist (viele sind überfordert: Teststationen, Labors, Meldewesen, Kliniken)...
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... und außerdem erwarte ich nicht, dass sich in den nächsten 1-2 Wochen großartige neue Ereignisse ergeben werden, die eine neue Berechnung der Situation erfordern. Handeln müßten wir halt.
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Im Vergleich zu letzten Modellrechnungen habe ich jetzt Anzahl Booster-Impfungen pro Woche hochsetzen können und modelliere Boostern deutlich optimistischer, nachdem Boostern nun in Gang gekommen ist. Das macht Aussichten bis Februar schonmal besser als vor 2-3 Wochen.
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Wie immer der Hinweis für Modell-Agnostiker, dass Modellrechnungen nur Skizzen einer möglichen Zukunft sind – keine Vorhersagen! Das reale Gesamtkunstwerk, dass sich am Ende ergibt, wird mit Sicherheit anders aussehen als diese vorher angefertigten Skizzen.
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Einstieg in die Modellrechnungen:
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Das sieht dann so aus:
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Im oberen Graph sieht man, wie sich diese 4. Welle ohne Lockdown und mit Lockdowns nach jeweils einer weiteren Woche entwickeln würde. Ohne Lockdown zieht sich die Welle bis in den Februar/März auf hohem Niveau weiter.
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Die Folgen der Szenarien sieht man im Bar-Chart.
Ein sofortiger Lockdown am Montag würde mehr als die Hälfte der Toten und Patienten vermeiden (im Vergleich zu Szenario A2). Wenig überraschend: Je später der Lockdown desto weniger Schadensvermeidung.
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Warum hier eigentlich überall nur “Alarm” drauf steht
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Abgesehen davon, dass ich das verdammte Gefühl nicht los werde, dass diese Modellrechnungen alle noch zu optimistisch sind, gibt es noch fünf weitere Gründe für raschen Lockdown:
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1. Überlastung ITS-System wird in keinem vorgestellten Szenario noch vermieden. Dabei sind die Intensivstationen nur “die Spitze des Eisbergs”, wenn es dort eng wird, ächzen auch die vorgelagerten Versorgungsstufen (ambulante V., Hausärzte, Rettungsdienste, Notaufnahmen)
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2. Auch in anderen Lebensbereichen wird es zu Engpässen kommen, z.B. wie bei der Polizei in Sachsen: Man “wisse nicht, wie lange der Dienstbetrieb in den einzelnen Revieren aufrechterhalten werden könne.”.
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3. Mein Modell mittelt über ganz Deutschland. Wir sehen jetzt schon, dass Sachsen und Bayern schon am Ende der Möglichkeiten angekommen sind. Wenn meine oben gezeigten Szenarien eintreten, wird ein Großteil Deutschlands davon betroffen sein.
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4. Unsere Datenbasis ist jetzt schon massiv beschädigt: in vielen Regionen wissen wir eigentlich gar nicht mehr richtig, was los ist, wenn 86% der Labor-Kapazitäten schon letzte Woche ausgenutzt waren. Blindflug!
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Die Tatsache, dass Modelle nicht mehr funktionieren nachdem sie wochenlang gut gepasst haben, ist ein letztes Alarmzeichen vor dem völligen Kontroll-/Vorhersage-Verlust.
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Ausblick: Kann eine 5. Welle kommen?
Um es gleich vorneweg zu sagen: Ja, es kann jederzeit ab Ende dieser Welle schon die nächste Welle kommen.
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Durch die große Impflücke bei den Ungeimpften und noch ausstehende Booster-Impfungen könnten sich in meinem Modell im März immer noch 35 Millionen Menschen anstecken:
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Wenn ich im Modell für das Szenario A3 nach dem Lockdown am 1.2. einen “Freedom-Day” modelliere, der weitgehende Öffnungen erlaubt, dann sieht das so aus: Willkommen 5. Welle. Ich hoffe wir werden doch irgendwann klüger…
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Der nächste Winter kann aus Sicht meines Modells nur gut werden, wenn wir beides schaffen: Eine wirkungsvolle Impfpflicht UND ein smarte Pandemie-Steuerung. Wenn eines der beiden fehlt, sind wir spätestens nächstes Jahr im Winter wieder an der gleichen Stelle wie jetzt.
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Ja, das will keiner hören, aber wie sonst werden wir es vermeiden?
Schlusswort: Alle diese Überlegungen beinhalten nicht das Worst-Case-Szenario: Das Aufkommen einer Mutante, die die Impfstoffe effektiv umgehen kann
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Hier geht es zum Blog-Artikel: dirkpaessler.blog/2021/11/23/mod…

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20 Nov
Aus Modellierer-Sicht befinden wir uns schon seit 2-3 Wochen im "Nebel", denn die realen Daten passen nicht mehr zu den Modell-Daten. Leider ist das kein gutes Zeichen: z.B. scheinen bereits ~30% mehr Covid-Patienten zu sterben als in Zeiten optimaler Versorgung
Ein Thread
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Die 3 Grafiken für Hospitalisierungen, ITS-Betten und Verstorbene zeigen die offiziellen Zahlen von RKI und DIVI (schwarz) im Vergleich zu den Zahlen, die mein Modell aus den historischen Fallzahlen und der Prognose der Fallzahlen für die nächsten 4 Wochen errechnet (blau).
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Klar zu sehen ist, dass das Modell sehr genau die historischen Patienten/Todeszahlen berechnen kann, außer bei hoher Belastung, also in Welle 2 und 3. Und eben jetzt. Die Abweichungen werden mehr und mehr. Was ist da los? Fehler im Modell?
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Read 16 tweets
19 Nov
Die Schallmauer ist bei "Mach 1" = 1200 km/h.

Corona-Schallmauer liegt auch in diesem Bereich: Eine regionale Inzidenz>1000 dürfte die Mauer sein, wo Lockdown unausweichlich wird (=> Sachsen, Oberösterreich, Salzburg => Lockdown angekündigt).

1000er-Schallmauer-Thread
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Inzidenz 1.000 bedeutet 1.000 Infektionen pro 100.000 Einwohner pro Woche.

Daraus ergeben sich 40 bis 60 Hospitalisierungen pro Woche, ca. 25 belegte ITS Betten und 9-11 Tote pro Woche. Pro 100.000 Einwohner.

Bei Inzidenz 2000 ganz einfach von allem das Doppelte.
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ABER: DE hat nur 33 ITS Betten pro Einwohner, AT 29. 2000er-Inzidenz geht also nicht.

Bayern liegt bei 628 und verdoppelt sich alle 2 Wochen, einige Regionen schon bei >1000.

Daraus leitet sich Vorhersage ab: @Markus_Soeder kündigt innerhalb 10 Tage Lockdown an.
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Read 5 tweets
17 Nov
Deutschland in der Pandemie ist wie ein Auto, dass auf einem langen Abhang zwischen vielen Fussgängern ins Rollen gekommen ist.

Drei Mal hatten wir es schon geschafft zu bremsen, zuletzt im Juni. Fast bis in den Stand.

Ein Metapher-Thread
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Ab Sommer haben wir nach dem Wieder-losrollen Stück für Stück die Bremsklötze ausgebaut (endlose Maßnahmen-Lockerungen, Kontaktverfolgung und Quarantäne faktisch aufgegeben), seit dem geht's bergab.
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Auch als das Auto schon merklich immer schneller wurde (Beschleunigung auf einer schrägen Ebene ist ein exponentieller Vorgang) hat sich keiner auf die Suche nach dem Bremspedal gemacht. Mehr und mehr Fußgänger werden verletzt oder überfahren. Trotzdem bremst keiner.
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Read 8 tweets
16 Nov
Meinem Modell "bei der Arbeit": Grafik zeigt alle seit Juni veröffentlichten Szenario-Verläufe und die 4-Wochen-Voraus-Vorhersage des jeweiligen Basis-Szenarios im Vergleich zum tatsächlichen Verlauf.

Bis auf 5 Wochen war Basis-Szenario "zu vorsichtig": Es kam schlimmer.

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Die "Delle" (zu hohe Vorhersage) liegt genau um den Herbstanfang herum, das ist die Zeit wo die meisten Modelle von bremsender Saisonalität auf beschleunigende Saisonalität umschalten, so auch meines, und damit ist diese Phase am schwierigsten zu modellieren.
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Eine ähnliche Situation hatten wir auch im März (Frühlingsanfang, umgekehrter Effekt), als auch viele andere Modelle zu lang im Wachstum blieben und dadurch zu schnell zu hohe Inzidenzen berechnet haben.
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Read 7 tweets
15 Nov
Der 102. Drosten-Podcast titelte etwas mit “SOS”& Eisberg”. Hier kommt mein 102.-ter Corona-Blogartikel und er ist ein Blick in den Abgrund, selbst wenn die Politik bei der Konferenz der MP am Donnerstag mit einem sofortigen Lockdown eine 180°-Wende vollziehen würde.
Thread
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Teil 1: Ausblick auf die nächsten 2-3 Wochen (hohe Sicherheit)
Die folgenden drei Graphen zeigen die weiteren Verläufe der Hospitalisierungen, der ITS-Belegung und der Todesfälle, die sich direkt aus dem Verlauf der Fallzahlen ergeben.
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Aus vier Gründen sind die gezeigten Verläufe bis in den Dezember hinein praktisch nicht mehr vermeidbar, sie sind “eingelockt”. Damit gehe ich von einer hohen Wahrscheinlichkeit aus, dass diese schwarzen, gestrichelten Kurven so kommen werden:
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Read 31 tweets
13 Nov
Dass DIVI zur Zeit pro Tag nur 50-80 statt >200 zusätzliche COVID-ITS-Betten meldet, sollte uns allen Sorgen machen.

DIVI-Zahlen gehen (erstmals!) entgegengesetzt zu den zu erwartenden Zahlen. Sieht so der sich ankündigende Zusammenbruch des ITS-Systems aus?

Mathe-Thread
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Die Quote sinkt viel schneller als jemals zuvor. Mit der Impfung lag der Ausgangswert in dieser Welle bereits niedriger, aber welche starke Wirkung sollte das sein, die die Quote jetzt so abstürzen lässt? Zumal der Nenner eine 3-Wochen-Summe ist, also eher langsam reagiert.
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Vorgänge, die diese Quote **hoch** treiben würden, wären eine erhöhte Dunkelziffer (haben wir, siehe gigantische Positivraten, gemeldet von @ALMevTeam ), sinkende Impfwirkung (haben wir) oder längere Liegezeiten (haben wir, zumindest wahrscheinlich, gibt kaum Daten dazu).
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Read 11 tweets

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