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Nov 30, 2021 19 tweets 14 min read Read on X
BVerfG #Notbremsen-Beschlüsse (19.11.2021, veröff. 30.11.) 1/
Notbremse I (Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen), bverfg.de/e/rs20211119_1…

Leitsätze, u.a.: Art. 2 I schützt "familienähnlich intensive Bindungen" auch jenseits von Ehe und Familie"; Art. 2 I iVm Art. 1 I schützt davor, "zu Einsamkeit gezwungen" zu werden. 2/
Art. 104 I 1 GG: "auf Grund eines Gesetzes" = auch (unmittelbar) durch ein Gesetz (LS 3 lit. b).

C.I. Kontaktbeschränkungen (und Bußgeldbewehrung) sowie "Ausgangsbeschränkungen" (mit OWi-TB) verletzten "die Beschwerdeführenden" nicht in GRen (104 ff.)

- Einsamkeit: 113 f. 3/
C.I.2. Formelle Verf.mäß.: Kompetenztitel sind nach allg. Regeln der Verf.interpr. auszulegen, 119, Methoden ergänzen sich, 122

- Art. 74 I Nr. 19: Krankheit, Maßnahmen (125 ff.), der im Wtl. "eindeutig zum Ausdruck kommende objektivierte Wille"; Entwurfsbegründung (129) 4/
- keine Zustimmungspflichtigkeit im BRat (133), Einheitsthese offen 5/

Mat. Verf.mäßigkeit (134 ff.); "aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung beziehungsweise aus einzelnen Grundrechten resultierende Grenzen für die Handlungsformenwahl des Gesetzgebers" (134) 6/
- Rechtsschutzgarantie, Art. 19 IV: durch selbstvollziehende Gesetze nicht berührt (135-137, aber 149)
- Gewaltenteilung (139 ff.); Kernbereich unberührt (144); für Gewichtsverlagerung auf Legislative sachliche Gründe (145); kein Einzelpersonengesetz (142, 146). 7/
- Keine Verletzung von Rechtsschutzvorgaben aus Gewaltenteilungsgrundsatz (147 ff.); Feststellungsklage "dürfte" statthaft gewesen sein (149), Handlungsalternative war hier RVO und damit wäre für den Rechtsschutz "nicht viel gewonnen" gewesen (150). 8/
- Allgemeinheitsgebot (Art. 19 I 1) gewahrt (151)
- Bestimmtheit aus Art. 103 II (152 ff.) und daher erst Recht iÜ (165) gewahrt; im OWi-Recht geringere Anforderungen als im "materiellen" Strafrecht (159)
- Elektronische Verkündung im Internet ok (#Digitalisierung) (163) 9/
- Verhältnismäßigkeit (166 ff.); tragfähige Tatsachengrundlage (als eigener, vorgeschalteter Prüfungspunkt, 177 ff.): gleitender Maßstab; Abgrenzung von Cons. Const. (171) 10/
- Gesundheitssystem "Zwischenziel" (175)
- mögl. Eignung, Zweck "zu erreichen" (183 ff.) (besser: zu fördern...); hier Vertretbarkeitskontrolle (185, 171, 187 ff.); (aber Verf.widr. für Zukunft möglich, Verweise auf Schweizer. BG, @bger_CH, h/t H.P.) (186, 189); #RKI (191) 11/
- "Befindet sich eine Person ungeschützt in der Atemwolke einer infizierten Person in einem Abstand von 1,5 Metern, besteht bereits nach fünf Minuten eine Ansteckungswahrscheinlichkeit von 100 %." (193) 12/
- Schwellenwert 100 iO (198 ff.); Immunisierte (#Geimpfte): damals iO, inzwischen angepasst (201)

- Erforderlichkeit: keine "eindeutig" (!) gleich wirksamen milderen Mittel (202) (Verallgemeinerung des im genannten Präjudiz auf Wirtschaftsordnung bezogenen Maßstabs?) 13/
- Arbeitsregelungen: Verschiebung der Belastungen auf Dritte kein "milderes Mittel im verfassungsrechtlichen Sinne"; außerdem keine Eindeutigkeit (212)

- Angemessenheit (215 ff.) 14/
- Es lag "nicht fern, dass die Zahl intensivbehandlungsbedürftiger Personen alsbald die klinischen Kapazitäten deutlich übersteigen würde" und Patient:innen "in diesem Maße keine optimale Behandlung mehr erfahren würden".

(- Genau wie jetzt.) 15/
C.II. Ausgangsbeschränkungen (238 ff.)
- Art. 2 II 2: "körperliche Bewegungsfreiheit" (aber nicht "unbegrenzt und überall hin bewegen"); Möglichkeit, "von ihr tatsächlich und rechtlich Gebrauch machen zu können" (239); psychisch vermittelter Zwang (246) 16/
- "Schwelle zum Eingriff" überschritten: zwar reichen mögliche Gefahrenabwehrmaßnahmen nicht (sonst "Übergrundrecht"), aber hier klarer Bezug zur Fortbewegungsfreiheit (249); aber keine Freiheitsentziehung (250) 17/
- Mat. Verf.mäßigkeit (254 ff.)
- Bestimmtheit auch der Härtefallklausel (263 ff.)
- Schrankenanforderungen Art. 2 II 3, Art. 104 I 1 (267 ff.); durch ist "aufgrund" Gesetzes - teleol. Arg. wg. Eingriffserstreckung auf psych. Zwang (272) 18/
- Vhm. (274 ff.); tragf. Grdl. (276-281)
- Erforderlichkeit (282 ff.):
-- Kontrolle privater Zusammenkünfte zwar sicher gleich geeignet, aber nur wenn flächendeckend und ggf. mit Betreten; dann "nicht grundrechtsschonender" (285)
-- "anderes Regelungssystem" (-) (286 ff.) 19/
-- Angemessenheit (289-303, 305); Einschätzungsspielraum (299).

"Umfassende Ausgangsbeschränkungen kommen nur in einer äußersten Gefahrenlage in Betracht" - waren hier aber grundrechtsgemäß (305).

Einstimmig ergangen. 20/

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