Und wieder einmal jährt sich der Tag einer verhängnisvollen Fehlentscheidung.
Vor genau 6 Jahren bekamen wir den lang ersehnten Anruf: " Es ist eine Niere für Ihre Tochter da".
3 Jahre hatten wir auf diesen Tag gewartet. Gehofft,gebangt. Uns nicht getraut, weiter als 3 h von
zu Hause wegzufahren, aus Angst, nicht rechtzeitig wieder in der Klinik sein zu können.
Eigentlich sollte ich mich freuen- doch da ist ein seltsames Gefühl im Bauch. Ein Impuls möchte mich sagen lassen:"Geht nicht- Kind ist erkältet".
Aber natürlich siegt die Vernunft.
Dann übernimmt der Kopf die Führung. Wir sollen in 5 h in der Klinik sein. Niere kommt aus dem Ausland. Betreuung für K1+2 organisieren. Koffer packen. Es ist Anfang Dezember. Normalerweise bleibt man 3-4 Wochen stationär. Schlafen wie mein damaliger Mann? Geht nicht.
Also setze ich mich an den PC. Bestelle Weihnachtsgeschenke für alle Kinder. Schreibe Freunde an. Dann geht es los. Kind wecken; von der Dialyse abstöpsel- ein letztes Mal? Ab in die Klinik! Aufnahmeuntersuchung. Kind aufklären über das, was jetzt passiert. Dann: warten.
Auf dem Gang. Um 5 Uhr morgens waren wir in der Klinik. In den nächsten 6 h frage ich die anrufende Oberärztin immer wieder: "Ist das wirklich ein gutes Organ? Wir können warten- dem Kind geht es super an der Dialyse!" Antwort jedesmal: "Es ist ein super Angebot". Mein Bauch?
Er schreit laut NEIN! Aber jeder, mit dem ich spreche, sagt mir, wie verrückt es wäre, dieses Angebot abzulehnen. Mein Mann erklärt mich für bescheuert. Also geht es um 15:30 Uhr zum OP. Auf dem Bett vor der Schleuse sagt N. etwas, was mein Herz zu Eis gefrieren lässt:
"Mama, ich gehe Oma und Opa besuchen".

Beide sind seit 1 Jahr tot. Dennoch gebe ich das Kind in die Hände der Anästhesie. Das warten beginnt. 5 h später der Anruf: alles ok, Kind im Aufwachraum. Niere arbeitet noch nicht.
Ich bin nur froh, sie wieder zu haben. Bleibe die ganze
Nacht auf Intensiv. Die Nachtschwester ist not amused. Nimmt mir den einzigen Stuhl weg. Mir egal- ich sitze auf dem Fußboden. N. war noch nie allein im KH- sie bekommt Panik wenn ich nur aufs Klo gehe.

Die Niere arbeitet auch am Morgen nicht. Der Chirurg hat eigenmächtig den
Dialysekatheter gezogen- schwerer Fehler, wie sich zeigen wird. Die Nephros pumpen extrem viel Wasser und "Adrenalin" ins Kind. Ihr Druck ist zu niedrig für die 50 jährige Niere. Ich warne- sie hat noch nie hohe Drücke gehabt! Ist viel niedriger als "normale" Kinder. Der Pfleger,
der sie seit Jahren kennt, warnt. Egal- die Oberärzte wollen diese Niere zum Laufen bringen, egal um welchen Preis.

Das Wasser läuft in die Lunge. Nach 24 h Kampf inklusive Highflow und NIV Entschluss zur Intubation. Angst macht sich breit. Niere arbeitet immer noch nicht.
Weitere 24 h später: Spitzfußstellung und verkrampfte Faust links. Das sei normal, wird mir von den PK gesagt. Tag 4: total erkälteter Arzt steht ohne Mundschutz am Bett. Ich bin zu erschöpft um zu protestieren. Gehe nur für 2 h täglich Duschen, einmal ums Haus und 1 h ins Bett.
Tag 5: Beatmungsdruck steigt ins Ungesunde. Röntgen. Wo sonst nur schwarz sein soll in der Lunge- alles weiß. Verdacht auf Pneumocistis-Pneumonie. Lavage soll Klarheit bringen. Die Nephros erklären, sie wären nicht mehr zuständig. Mein Mann steht ratlos da- ich bin vom Fach.
Mir ist klar: bestätigt sich der Verdacht, ist unser Kind so gut wie tot. Nur 5 von 100 Immunsupprimierten Patienten überlebt diese Infektion. 8 h warten.Dann: Entwarnung! Der OA der Intensiv umarmt mich- Tränen in den Augen. Vor Erleichterung. Im Jahr davor hatten sie 3 Kinder
verloren. Alles Nieren-Kinder. Doch auch die Mykoplasmen, die sie hat, sind lebensgefährlich. 3 Wochen Kampf gegen die Pneumonie. Dazwischen: Biopsie der Niere. Abstoßung. Hochdosis- Cortison. Die Nephros zeigen wieder Interesse. Überwässern das Kind wieder. Abermals Wasser in
der Lunge. Leber erleidet massiven Schaden durch nicht zugelassenes, aber einzig wirksames Antibiotikum. Permanent Hämodialyse. Sie verträgt sie nicht. 3 Oberärzte im Wechsel zuständig. Feiertage. Mit jedem OA Wechsel kompletter Kurswechsel. Mehr Wasser- weniger Dialyse- weniger
Wasser- mehr Dialyse. Kind geht es immer schlechter. Endlich spricht einer ein Machtwort. Es geht langsam aufwärts. Nephros wollen Niere aufgeben nach 6 Wochen ohne Funktion. Plötzlich: 100 ml Urin/Tag. Dann 200 ml. Kind kann extubiert werden. Wird aber nicht wach- Delir. Entzug.
Substitution mit Polamidon. Leber geht durch die Decke- von Notfall-Lebertransplant ist die Rede. Und von bleibenden Hirnschäden. Ein Arzt will nicht aufgeben- 3 Tage wühlt er sich durch die Akte. Dann steht fest: Polamidon muss sofort raus- es macht die Leber kaputt.
Problem: ein kalter Entzug von dieser Dosis in noch nie bei einem Kind versucht worden. Es könnte lebensgefährlich werden. Wir wagen es- der Leber zuliebe. Das Kind, das mittlerweile nur noch 17 kg wiegt (vor TX 20,5 kg) liegt in dem riesigen Intensivbett- das ganze Bett wackelt.
Entzugskrämpfe. 2 Wochen lang. Dann: trotz Kalium und Clonidin-Perfusor (eindeutig Intensivpflichtig) Verlegung auf Normalstation- akute Bettennot. N. ist das einzige Kind, dass bei Verlegung die Nacht überleben würde.Ärzte denken, wir kommen in 24 h wieder auf Intensiv- aber wir
schaffen es. 9 Wochen nach Transplant werden wir entlassen.
Die Niere arbeitet einigermaßen. Ich fordere die Akte an. Falle aus allen Wolken!

Die Niere stammt von einer 55jährigen Pat. Alkohol-Abusus. Schwere Arteriosklerose. Hypertonus.
Spenderin hatte eine über 20 min Herzstillstand. Für Laien: die Niere ist nach dem Gehirn das erste Organ, das dabei kaputt geht! Eine Schockniere-laut Eurotransplant-Bericht eingestuft als "poor" von der Qualität. Mehrere Experten befragt. Einhellige Meinung: Organ hätte nie
transplantiert werden dürfen - schon gar nicht einem Kind mit Ruheblutdrücken von 75/45! Bekommen wir das schriftlich? Nein, man will es sich mit den Kollegen der renommierten Klinik nicht verscherzen.
Ich hätte diese Transplantation NIE zugelassen, wenn ich die selben Infos
über das Organ VOR der Entscheidung gehabt hätte! Die Oberärztin hat gelogen- Grund? Unter der Hand: es gab zu wenig Transplantation in dem Jahr. Die Klinik muss Mindestzahl erfüllen um Zulassung zu behalten!

Bilanz der Transplantation?
Schlaganfall beim Kind (das war der Spitzfuß- Diagnose erfolgte später in anderer Klinik- es gab trotz mehrfacher deutlicher Hinweise KEINE Bildgebung des Gehirns!)

Lungenschaden sowie Herzmuskel-Verdickung

Kind musste mit 5 Jahren ALLES wieder lernen: sitzen, reden, laufen.
Sie brauchte ca 1 Jahr, um wieder einigermaßen die Alte zu werden
Sie ist traumatisiert seitdem. Panische Angst von Nadeln, Zugängen, Kliniken. Trennungsangst- obwohl ich rund um die Uhr bei ihr war. Jahrelange Schlafstörungen (bis zu 3 h Einschlafbegleitung jeden Abend!).
PTSD- beim Kind, dem großen Bruder und mir.

Bis heute max. 30 % der Lebensqualität von vor der Transplant erreicht. Lebenserwartung reduziert. Leber dauerhaft geschädigt. Niere arbeitet mäßig- macht ständig Probleme. Braucht 4 Liter Wasser, um einigermaßen zu arbeiten.
Die beiden älteren Kinder haben seitdem NULL Vertrauen zu Ärzten mehr. Auch ich tue mir extrem schwer. Haben die Klinik gewechselt- fahren jetzt 240 km zu Kontrollen. Einfach. Wollten eigentlich klagen- aber Privatgutachten zu teuer, MDK sah "Keine Behandlungsfehler". Klar-
die Sache mit den Krähen und so......

Anfangs haben mich die Schuldgefühle zerfressen. Dann die Wut. Mittlerweile komme ich damit klar- bis um den Jahrestag herum. Da kommt alles hoch. Heute zum ersten Mal mit N. darüber sprechen können- sie hatte Schmerzen an ihrem alten
Dekubitus. Am Hinterkopf. 5 Mark Stück groß. Erst auf Normalstation entdeckt- da keiner je die Haare gekämmt hat in 7 Wochen Intensiv.
Langes, gutes Gespräch. Erinnerungen sind trotz Sedierung da. An uns. An die große Schwester, die an Heiligabend weinend an ihrem Bett stand.
Auch darum ist Weihnachten in unserer Familie etwas ganz besonderes: wir feiern unser Glück, dass unser kleiner Sonnenschein, der Mensch, um den sich unsere Familie dreht, noch bei uns ist!

Warum ich das Bild teile? Um zu zeigen, wie ein Kind aussieht, das Wochenlang Beatmung
überlebt hat! Vielleicht zeigt es, dass "ein paar Kinder auf Intensiv" keine Lapalie sind!

Meine Gedanken sind, besonders jetzt in der Weihnachtszeit, bei allen Eltern, die das gerade jetzt durchmachen müssen. Ich wünsche ALLEN Familien einen glücklichen Ausgang! Denn egal
wie hart der Weg war: die Hauptsache ist, dass unsere Kleine lebt!

Und dank Eurer Hilfe können wir sie heute in einer Woche mit unserem kleinen "Weihnachtswunder" überraschen und dann gibt es Bild eines glücklichen, strahlenden Kindes mit von Zuckerwatte verschmiertem Gesicht!

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4 Dec
Beim Schreiben meines langen Tweets habe ich eine Sache bezüglich der Klinik und des Umgangs mit unserer Geschichte noch nicht erzählt. Ich merke aber, wie sehr sie mir auf der Seele brennt!

Es gibt einige online Gruppen für Eltern nierenkranker Kinder. Damals war ich in einer
sehr aktiv. Da halten sich natürlich auch alle Eltern auf dem Laufenden, wenn wieder ein Kind transplantiert wird!
Natürlich habe ich da unsere Geschichte auch erzählt- während dessen, und auch später- einerseits zur Verarbeitung, andererseits aber auch, um andere Eltern zu
sensibilisieren, dass eine Transplant kein Allheilmittel ist und dass sie kritische Fragen stellen sollen.

Was ich damals NICHT wusste: in der Gruppe muss jemand aus der betreffenden Klinik mitgelesen haben!
Jedenfalls wurde den Moderatoren nahegelegt, meine Postings zu löschen-
Read 11 tweets
4 Dec
Dank der verdammten #Impfverweigerer nehmen die Transplant-Kliniken ihre Dialyse-Patienten von der Warteliste bei Eurotransplant.
Grund: keine Betten auf Intensiv!

Nach den Krebspatienten jetzt die nächste Gruppe,deren Gesundheit unter den verdammten Egoisten leidet!
Übrigens für alle „Es gab auch schon schlimme Grippewellen“ Müll-Schwätzer:
Das hier ist einmalig in der Geschichte der Transplantationsmedizin!

Für ganz blöde: DAS GAB ES NOCH NIE!!!!

Wann zwingt man endlich jeden, der die Impfung bewusst ablehnt dazu, eine
Verzichtserklärung für Behandlung im Falle einer Infektion zu unterschreiben??!

Wie lange wollen wir Vernünftigen diesem asozialen Pack noch erlauben, Menschenleben zu zerstören? Ärzte*innen und Pflegekräfte kaputt zu machen? Das Virus sich weiter mutieren lassen?
Es reicht!
Read 4 tweets
4 Dec
Hatte heute auf FB eine Diskussion mit einem Menschen, den ich bisher sehr mochte.

Seit einigen Tagen postet er jeden Tag irgendwelchen Mist gegen Impfpflicht, gegen die Covid Maßnahmen (die zugegebener Maßen teilweise sinnfrei sind- aber woran das liegt wissen wir: Lobbyarbeit
plus Angst vor den #Querdenkern. In der Diskussion kamen so Argumente wie: der Staat ist schuld, dass die Leute sich nicht impfen lassen! Sie misstrauen dem System! In den Kliniken liegen mehr Geimpfte als Ungeimpfte. Jeder ohne Booster würde als Ungeimpft gelten...so ging es
Seitenweise weiter. Egal welche Fakten ich nannte (natürlich mit Quellen), er postete irgendwelche gegensätzlichen Zahlen- natürlich ohne Quelle oder mit einem Bildchen aus der Hand der Leerdenker.

Meine Argumente, dass er damit Menschen vom Impfen abhält und sich in die Ecke
Read 10 tweets
1 Dec
Argument meines Ex Mannes, warum er K1 nicht finanziell unterstützt bei der Wohnungseinrichtung und dem Führerschein:
Weil er keinen Kontakt hat, muss ich auch nicht zahlen.

Ah so- also wenn mir was nicht passt was Junior macht, brauch ich als Mutter auch keine
Klamotten mehr für ihn kaufen oder die Semestergebühr zahlen?

By the way: K1 hat den Kontakt abgebrochen weil sein Erzeuger ihn 2 Jahre verarscht und hingehalten hatte bei seinem Herzenswunsch: meinen Namen annehmen zu dürfen. Immer wieder Zustimmung signalisiert.
An Bedingungen geknöpft. Wenn K1 die erfüllt hatte, kamen neue. Bis es zu spät war und er 18 wurde.
Dafür hasst er seinen Vater. Aber klar- ich bin schuld 🤨

Ex hat 2 Jahre lang alle 3 Kinder versucht, gegen mich und meine Partnerin aufzuhetzten- bis 2 von 3 Kinder nicht mehr
Read 5 tweets
28 Nov
Auch wenn es nichts an der Lage ändert- ich muss es irgendwo einmal aussprechen dürfen:

Ich kann nicht mehr!

Seit dem 15. März 2020 (!) befindet sich unsere #Schattenfamilie im Isolationszustand!

Das bedeutet, dass K1(19) nicht an die Uni geht, nur zu Klausuren.
Keine Freunde trifft. 18+19 Geburtstag mit Eltern und 2 Freunden gefeiert. Ins Training bei niedrigen Zahlen mit FFP2, dann FFP3 Maske gegangen ist. Jetzt wieder zu Hause.

K3(11), unser Risikokind, ist seitdem keinen Tag mehr in der Schule gewesen. Hat 5 mal ihre Freundin
getroffen- mit Maske.

K2(16) lebt aktuell in einer Einrichtung. Wir besuchen sie nur mit FFP3 Maske und halten Abstand ein bei den Treffen. Dürfen uns nur draussen sehen- Betretungsverbot für Angehörige.

Meine Frau hat beruflich keine Möglichkeit, ohne K3 massiv zu gefährden.
Read 13 tweets
25 Nov
Achtung!

Die Gewerkschaft der Tische „Tisch-GW“ erklärt für den morgigen Freitag, den 26.11.2021, den GENERALSTREIK!

Die Tische, allen voran der Sprecher der Schreibtische, fordern per sofort:

- jegliches Zweckentfremden ihrer Person zum Zwecke des Kopf- aufschlagens sowie
- das Beissen mit menschlichen Zähnen in die Kante der vertretenen Mitglieder sowie das

- Zeitung wütend drauf schlagen nach Lektüre oder

- wild mit den Fäusten trommeln

muss aufhören!

Wenn Ihr auf etwas einschlagen wollt wegen Eurer Wut über Politiker, #Querdenker oder
absolut sinnfreie Corona-Maßnahmen, dann sucht euch ein anderes Opfer aus!

Die Tische haben nach 21 Monaten genug!

Besondere Anmerkung: da Tische von Ärzten, Pflegekräften und Virologen einer besonderen Belastung unterliegen, fordern diese zusätzlich 1 Tag pro Woche
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