Thread by @pavel23

Das Internet weiß alles. Und jede Idee, die man hat, hatte schon mal jemand vorher. Und das ist eigentlich ziemlich cool, denn man kann so Sackgassen vermeiden oder Wissensschätze heben, die einen voran bringen. Aber wie sucht man nach einer Idee? Beispiel einer Schatzsuche.

Seit einiger Zeit beschäftigt mich die Frage, warum Meinungsfronten so verhärtet und Debatten so aggressiv verlaufen, und irgendwie zeichnete sich so ein Bild in meinem Kopf von einem Gebirge mit Pfaden, und die Wege verlaufen in den Tälern, und die Gebirge zu überwinden...

...kostet Energie und ist gefährlich, weil man allein ist. Manchmal spaltet sich ein Tal auf, und die einen laufen rechts und die anderen links, und treffen sich vielleicht nie wieder. Und früher war das Land übersichtlicher, die Täler breiter und die Berge flacher.

Meine Idee oder These oder Idee war, dass wir uns in einer Richtung bewegen, wo die Täler schmaler und die Berge höher werden, also die "zulässige" Vielfalt an Meinungen innerhalb eines Tals zunehmend kleiner und Kommunikation oder Überwinden der Berge schwerer wird.

Ist das ein bekanntes Phänomen, oder bilde ich mir das ein? Ja, man kann top-down da ran gehen, aber letztlich läuft es darauf hinaus, sich die richtigen Suchbegriffe auszudenken. Die Suche in diesem Fall war eher intuitiv als systematisch.

Ich stellte mir einen Resonanzeffekt vor, der diese Täler tiefer und Berge höher macht, und das führte mich zum "echo chamber" bzw. Echokammereffekt, der aber nicht ganz beschreibt, was ich mir vorgestellt habe.

Und als ich es sah und las, das Wort, wusste ich, dass es das Wort war für das Phänomen, das Konzept, die Idee mit dem enger werdenden Tal:

Meinungskorridor.

de.wikipedia.org/wiki/Meinungsk…

Und der Effekt scheint real zu sein. Dass sich immer weniger Leute trauen, ihre Meinung frei zu sagen, ist nicht allein "Querdenker"-und AfD-Mimimi; es ist wohl ein realer, messbarer Effekt, dass viele Leute ihre Meinung nicht äußern zu können glauben.

Und dann stellt man fest, dass Elisabeth Noelle-Neumann etwas ähnliches als "Schweigespirale" beschrieben hat. de.wikipedia.org/wiki/Schweiges…

Und schliesslich findet sich noch der Verweis auf das de.wikipedia.org/wiki/Overton-F…

Die Begriffe hatte ich alle schon mal gehört, aber keine allzu konkrete Vorstellung davon, aber jetzt kann ich diese Begriffe mit persönlicher Erfahrung in Verbindung bringen, und das macht es zu mehr als Theorie - nämlich Wahrheit, und keine rein subjektive.

In letzter Zeit komme ich immer mehr zu dem Schluss, dass Kommunikation sowohl die Ursache wie auch der Schlüssel zur Lösung aller Problem ist. Ja, das klingt erst mal banal, ist es aber nicht. Es ist eher elementar.

Wenn manche Leute nicht wagen, ihre Meinung zu sagen, ist das vielleicht auch gut so, denn manche Meinungen sind gefährlich für das Zusammenleben und die geistige Gesundheit, und die gehören unterdrückt.

Auf der anderen Seite kann das aber nicht die Lösung sein, oder? Ich meine, es kann ja wohl auch nicht vorteilhaft für das Funktionieren einer Gesellschaft sein, wenn ein großer Teil nach einer anderen Überzeugung handelt, als er vorgibt - das kann doch nicht gut enden.

Lernen, wie man miteinander redet, seine Bedürfnisse und Grenzen ausdrückt und dabei Gemeinsamkeiten und Unterschiede identifiziert und respektiert - das mag wie Friede, Freude, Eierkuchen klingen, aber nirgendwo steht da, dass das harmonisch sein muss.

Der Punkt ist, dass es theoretisch nichts gibt, was man nicht mit den richtigen Worten bzw. richtigen Kommunikation bewirken kann, und gute Kommunikation das Leben aller eigentlich nur besser macht.

Umso besorgniserregender finde ich, wenn Barrieren für Kommunikation und der Druck, eine Rolle zu spielen oder zu lügen, anwachsen. Das kann doch nicht auf Dauer gut gehen. Das muss doch besser gehen.