Ok, während sich seriöse Wissenschaftler wie @CiesekSandra und @c_drosten darauf fokussieren, die Notwendigkeit des Boosterns herauszustellen und zu betonen, dass es nicht ganz so schlimm ist, wie es auf den ersten Blick aussieht, hatte ich keinen Nerv, irgend was zu beschönigen.
Das macht Pfizer auch hervorragend in dieser Pressemittteilung, die den Eindruck erweckt, dass die aktuellen Impfstoffe ganz toll schützen, wenn man 3 Dosen hat, und dass geboosterte 25 x besser vor Ansteckung durch Omicron geschützt sind. pfizer.com/news/press-rel…
Was jetzt nichts darüber aussagt, wie hoch der Schutz vor Ansteckung gegenüber Ungeimpften ist, aber Pfizer sagt, dass 3 Dosen vor Ansteckung mit Omicron so gut schützen wie 2 Dosen vor Delta. Das deckt sich in etwa mit den von @CiesekSandra präsentierten Daten, allerdings...
...muss man dazu sagen, dass mit dem 2-Dosen-Schutz gegen Delta der Schutz nach 6 Monaten gemeint ist, während der "äquivalente" Schutz vor Omicron 2-4 Wochen nach dem Booster gemessen ist.
Mit anderen Worten: Der maximale Ansteckungsschutz vor Omega nach dem Boostern ist nur leicht höher als der 2-Dosis-Schutz vor Delta nach 6 Monaten, von dem wir wissen, dass er unzureichend ist,...
... und von diesem unzureichenden Schutz ist 3 Monate nach dem Boostern nur noch die Hälfte übrig. Booster vs. Omega ist also vergleichbar gut oder schlecht wie "kein Booster" vs. Delta. Alles rein bezogen auf Schutz vor Ansteckung.
Was folgt nun daraus fürs Boostern? Nun, das Boostern schützt extrem gut vor Ansteckung mit Delta, das noch die bei uns vorherrschende Variante ist, und Boostern gibt kurzzeitig auch etwas Schutz vor Omicron-Infektion, aber nicht in dem Maße, dass es ermöglichen würde,...
...halbwegs sicher irgendwelche Aktivitäten durchzuführen, bei denen Kontakt mit Omicron droht. Konkret bedeutet das, dass der Besuch von Restaurants, Weihnachtmärkten oder privaten Feiern ohne Masken auch mit Booster nicht zu empfehlen ist.
Was ist jetzt mit dem Schutz vor schwerem Verlauf, wo weniger die Konzentration neutralisierender Antikörper als vielmehr die T-Zell-Antwort entscheidend ist? Nun, als erstes sollte man vielleicht erwähnen, dass nach Bayesscher Logik die Gesamtwahrscheinlichkeit für einen ...
...schweren Verlauf im ersten Schritt von der Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung abhängt, und wenn die sich erhöht, erhöht sich auch erst mal die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf oder Tod, aus Sicht eines Nichtinfizierten jedenfalls.
Aus Sicht eines Infizierten kann es anders aussehen: Eine Infektion mit Omicron kann schlimmer, gleich oder weniger schlimm krank machen wie eine Infektion mit Delta. Wir haben dazu keine belastbaren Zahlen, aber Indizien dafür, dass Omicron weniger schlimm krank macht, und ...
... dass insbesondere Geimpfte leichtere Symptome haben, und sich die Symptome von Omicron von einer Infektion mit anderen Covid-19-Varianten unterscheiden; so haben viele Omicron-Infizierte keinen Schnupfen oder Husten, sondern primär Müdigkeit, Schüttelfrost und Kopfschmerzen.
Dieser nicht-peer-reviewte Preprint legt nahe, dass Omicron sich Erbgut von einem anderen Coronavirus oder dem menschlichen Genom angeeignet hat, das in keiner anderen SARS-Cov-2 Variante zu finden ist. osf.io/f7txy/
Diese Mutation, ins214EPE, findet sich wohl auch in HCov-229E, einem "gewöhnlichen" saisonalen Erkältungsvirus, und auch ihr Vorkommen im menschlichen Genom lassen es mir plausibel erscheinen, dass Omicron sowohl ansteckender wie auch weniger krankmachend sein könnte, wenn es...
...molekulare Schlüssel und Mechanismen benutzt, die besser an den menschlichen Organismus angepasst sind und weniger "kaputt" machen. Ist leider noch zu früh, das mit Bestimmtheit sagen zu können, aber es passt zu den Berichten aus Südafrika.
Ich hatte vor über einem Jahr darüber spekuliert, was passiert, wenn Coronaviren "Sex haben", also Erbgut untereinander austauschen, wurde aber von Fachleuten darauf hingewiesen, dass "homologe Rekombination", also der Austausch von Genen mit gleicher Funktion, bei RNA-Viren...
...eigentlich nicht vorkommt und es daher unwahrscheinlich ist, dass RNA-Viren sich "kreuzen" können, wenn verschiedene Varianten den gleichen Organismus infizieren, aber es gibt halt eine Menge anderer Mechanismen, die dazu führen können, dass beim Zusammenbau neuer Virus-RNA...
...eine Sequenz einbaut wird, die von menschlicher RNA oder der RNA eines anderen Virus stammt. Ein solcher Mechanismus ist "template switching", also wenn der der Kopiermechanismus die Kopiervorlage wechselt, was er tut, um Fehler zu erkennen und zu reparieren.
Das kann wohl auch dahingehend schief gehen, dass eine falsche "Kopiervorlage" erwischt wird und so RNA anderen Ursprungs in das Virusgenom eingebaut wird; in diesem Fall vom Menschen oder von einem anderen Coronavirus. Ist alles Spekulation, ob das hier wirklich passiert ist,...
...aber ich halte das für eine plausible Theorie. Wichtiger ist, welche Konsequenzen das für die Erkrankung hat. Wir können davon ausgehen, dass dadurch Omicron ansteckender ist als Delta, wobei die "offizielle" Aussage ist, dass es mindestens genauso ansteckend ist.
Was die Schwere der Verläufe angeht, ist das Bild noch immer nicht ganz klar. Es gibt Hinweise, dass Omicron-Infektionen milder verlaufen als Delta-Infektionen, vor allem bei Geimpften, aber dass die Folgen für ungeimpfte jüngere Leute schlimmer sind als bei Delta.
Das ist aber alles mit höchster Vorsicht zu genießen. Es könnte sein, dass Omicron sich als "Omega" erweisen könnte, quasi die letzte Variante der Pandemie, die ihr zugleich ein Ende setzt, indem sie Immunität gegenüber allen Covid-19-Varianten erzeugt, ohne dabei...
...die Gesundheitssysteme zu überlasten, aber darauf sollten wir uns keinesfalls verlassen; nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Ein weiteres Merkmal von Omicron scheint zu sein, das ca. 75% der Infizierten gar nicht merken oder vermuten, dass sie infiziert sind, ...
...was einerseits gut ist, anderseits aber die Verbreitung begünstigt. Was also tun? Impfen und Boostern hilft, aber was ist der Ratschlag für Geimpfte und Geboosterte? Und was ist der Rat an die Politik?
Nun, als Geboosteter würde ich sagen, dass man sich so verhalten sollte, als wäre man ungeimpft und ansteckend, auch mit negativem Schnelltest. Strikte Maskendisziplin und Kontaktminimierung, und vor allem Menschenansammlungen meiden. (to be continued)
Die Politik (und die Öffentlichkeit) sollte sich vielleicht an den Gedanken gewöhnen, dass mit der neuen Variante die Karten mal wieder neu gemischt werden, und dass vieles, was vor Omicron noch eine gute Idee war, jetzt nicht mehr gelten könnte.
Im Grunde genommen ist Omicron mehr Covid-21 als eine Variante von Covid-19, oder Non-Sars-Cov, weil "Severe Acute Respiratory Syndrome" gar nicht die Symptomatik von Omicron zu sein scheint.
Für die Politik ist das gerade schwierig, weil einerseits die Datenlage unklar ist, aber wie immer auch schnelles und frühes Handeln entscheidender ist, als erst mal wieder abzuwarten, wie sich das denn alles entwickelt.
Das größte Problem ist, dass "Impf dich frei" in dieser Situation kein Deal ist, den die Politik noch lange aufrecht halten kann oder sollte, und gerade wenig attraktive Alternativangebote zu bieten hat.
Eine Alternative wäre, die Inzidenzen per Lockdown so schnell wie möglich so weit zu reduzieren, dass danach zeitweise normales Leben für alle möglich ist, bevor neue Impfstoffe zur Verfügung stehen, aber Lockdowns sind nur so gut, wie die Bereitschaft der Leute,...
...sie zu befolgen, und nach den unsäglich unprofessionellen Lockdowns die wir hatten, ist die Bereitschaft dazu nicht gerade überschwänglich, und je nach Gefährlichkeit von Omicron könnte es auch unangemessen sein.
Was die Politik auf jeden Fall tun kann und unverzüglich tun sollte, ist die Produktion neuer Impfstoffe zu forcieren, und zwar seit vorgestern. Des weiteren brauchen wir dringend belastbare Erkenntnisse zu Verläufen von Omicron-Infektionen, und bis da hin sollte die Politik...
...eher vom Schlimmsten ausgehen und die Ausbreitung möglichst verlangsamen, um Zeit zu gewinnen. Und natürlich auch das Impfen und Boostern vorantreiben; ich halte es für skandalös, dass sich in diesem Jahr nicht jeder boostern lassen kann, der will.
Ansonsten beneide ich @Karl_Lauterbach gerade nicht um seinen neuen Job, denn seine Optionen sind derzeit eher begrenzt. Die Inzidenzen sind hoch, wir haben zu spät mit dem boostern begonnen, und jetzt durchkreuzt Omicron erst mal viele Pläne und Hoffnungen, die Pandemie ...
...kurzfristig durch Impfung unter Kontrolle zu bringen. Vielleicht aber haben wir auch Glück, und die pandemieerfahrene Bevölkerung passt hinreichend gut auf, und Omicron erweist sich mehr als Segen als als Plage, aber das Prinzip Hoffnung hat sich in der Pandemie bisher...
...eher als schlechter Ratgeber erwiesen. Was der neue Gesundheitsminister aber auch tun sollte, ist das Angebot an Psychotherapien auszuweiten und sich darauf einzustellen und zu planen, wie denn Rückstau an Behandlungen anderer Erkrankungen abgebaut werden kann.
Kurz gesagt, es ist an der Zeit, sich um die mittel- und langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen der Pandemie zu kümmern, die durch Verschieben von med. Behandlungen, Vereinsamung, wirtschaftliche Unsicherheit, existentielle Not, Stress und Long-Covid eingestellt haben.
Es gibt also viel zu tun, und nicht nur für unseren Bundesgesundheitsminister, sondern vor allem in den Ländern, in deren Händen ja eigentlich die Gesundheitspolitik liegt. Packen wir es an, wie Platon gesagt haben soll.

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