Es heisst ja ganz gerne von Impfgegnern, die Covid-Impfungen würden das Immunsystem schwächen oder wären sogar gezielt dafür gemacht.
Da ist (fast gar) nichts dran, aber schauen wir mal genauer hin, okay? (1/n)
Fangen wir mit den allgemeinen Impfgegnerargumenten zur "Immunschwächung" an, da ist das prominenteste vielleicht die Behauptung, die Impfung würde eine bessere "natürliche" Immunität verhindern - dazu hatte ich schonmal einen längeren Thread: (2/n)

Eine andere Behauptung, die jetzt gerade mit den Boosterimpfungen aufkommt, ist die, dass zu viel Anregung des Immunsystems durch viele Impfungen das Immunsystem erschöpfen könne. Tatsächlich gibt es das Phänomen der Immunsystemerschöpfung (immune exhaustion), ABER das (3/n)
tritt normalerweise als Folge chronischer Erkrankungen auf und hat wahrscheinlich (grob verienfacht) etwas mit einer fehlgesteuerten Regulation des Immunsystems zu tun, die eigentlich Kollateralschäden durch die Überaktivität verhindern soll. Dass (4/n)
journals.plos.org/plospathogens/…
regelmäßige Anregungen des Immunsystems nicht generell zu einer Schwächung führen, wissen alle, die Kitakinder, -betreuer oder Kinderärztinnen kennen - diese werden im ersten Jahr sehr oft bis fast durchgängig krank, gehen daraus aber eher mit gestärktem Immunsystem hervor! (5/n)
Verglichen mit solchen Expositionen, sind ein paar Impfungen tatsächlich zu vernachlässigen und außerdem gibt es keine verlässlichen Daten, die zeigen, dass Geimpfte generell häufiger von anderen Krankheiten betroffen wären. Und gerade bei der massiven Coronaimpfkampagne, (6/n)
mit inzwischen vielen Zweit- Dritt- und sogar Viertimpfungen müssten wir solche Effekte beobachten können - tun wir aber nicht. Und bevor jemand die heftige RSV-Welle diesen Frühwinter nennt - die ist nur EINE Krankheit und betraf Kinder ohen Coronaimpfungen. Ach ja und zur (7/n)
Gürtelrose kommen wir später.
Wenn also die allgemeinen Immunschwächungsbehauptungen wenig stichhaltig sind, wie sieht es mit den spezifischen Behauptungen zu Coronaimpfstoffen aus? (8/n)
Ein Kronzeugenpaper hierbei ist das Preprint "The BNT162b2 mRNA vaccine against SARS-CoV-2 reprograms both adaptive and innate immune responses", aber verschiedene Arbeiten mit ähnlichen Ansätzen und Daten werden auch immer wieder angeführt. (9/n)

medrxiv.org/content/10.110…
Worum geht es? Die Autoren haben sich die Reaktion verschiedener Signalsubstanzen des Immunsystems (Cytokine) auf verschiedene Reize nach der Impfung angeschaut und finden da Unterschiede. Meist unterhalb eines Faktors 2. Da die Cytokine bei der erlernten und angeborenen (10/n)
Immunantwort eine Rolle spielen und die Reaktion auch eine gewisse Zeit nach der Impfung noch verändert waren, sprechen sie von einer Umprogrammierung des Immunsystems, die manche Reaktionen verbessern und andere verschlechtern könne und man das im Auge behalten müsse. (11/n)
Jetzt sind bei dieser Art Studie mehrere Sachen zu beachten: Erst einmal misst man bei solchen Studien IMMER kleine Veränderungen in allen möglichen Parametern und je mehr Parameter betrachte, desto mehr Änderungen findet man. Solche Studien sind also eher als eine (12/n)
Forschung zum Aufstellen später zu prüfender Hypothesen zu betrachten, als "Beweise" für Effekte, die dann tatsächlich biologisch-medizinische Relevanz haben.
Zum zweiten ist alles hier gemessene im Prinzip einfach veränderte Genaktivität und es ist nicht gezeigt, dass (13/n)
diese dauerhaft ist oder gar, dass sie nicht umkehrbar wäre.
Denn - drittens - wir erwarten genau solche Anpassungend des Immunsystems sogar und haben sie bei anderen Impfstoffen auch schon beobachtet, wie auch der erste Kommentar unter dem Preprint bemerkt! (14/n)
Neben der erlernten spezifischen Immunantwort gibt es nämlich auch angeborene Antworten auf verschiedene Erreger, z.B. bei freier RNA eine angepasste Immunantwort zur Virusabwehr (auch darauf kommen wir nochmal!) - wenn also die Coronaimpfung mit RNA neben dem (15/n)
Immungedächtnis gegen das Spikeprotein auch die allgemeine Virusabwehr aktiviert, ist das nicht unerwartet und eventuell kurzfirstig sogar als zusätzlicher Schutz von Vorteil.
Es kann dabei sein, dass während der akuten Reaktion die Abwehr gegen nicht-virale Erreger etwas (16/n)
abgeschwächt ist, aber das wäre eher vergleichbar mit einem Sportler, der Fußball trainiert hat und deshalb nicht seine theoretische Bestleistung im Tischtennis, Rudern oder Paartanz abrufen kann - aber weder ist er deshalb allgemein unsportlicher, noch unfähig auf andere (17/n)
Sportarten zu trainieren - wir erinnern uns an das Kita-Beispiel von oben - wir können nicht lebenslang nur Viren gut abwehren, nur weil wir zuerst einem Virus begegnet sind, sondern unser Immunsystem ist da erstaunlich flexibel.
Allerdings können diese Effekte bedeuten, (18/n)
dass ein akut beschäftigtes Immunsystem einen zusätzlichen andersartigen Erreger etwas schlechter bewältigt. Das macht Superinfektionen gefährlich und ist ein Grund, warum man nicht auf starke akute Erkrankungen impft!
Es könnte auch ein Grund für die gelegentlich (19/n)
berichteten Fälle von Gürtelrose nach Impfungen sein - denn diese gehen auf eine Reaktivierung von Varizella-Zoster-Viren zurück, die von einer früheren Windpockenerkrankung stammen. Allerdings sind das auch schlicht opportunistische Biester, die bei jeder Art Stress (20/n)
aktiv werden können UND es gibt auch Berichte von Ausbrüchen nach Covid und die Kombination beider Erkrankungen erscheint mir besonders unschön. Die gute Nachricht: Man kann heute nicht nur als Kind gegen Windpocken impfen, sondern auch als Erwachsene gegen Gürtelrose! (21/n)
Die genauen Zusammenhänge von Gürtelrose mit Covid oder Impfungen sind aber so unklar und die Berichte so anekdotisch, dass ich hierzu nichts verlinke, dafür lieber die Info zum Shinrix-Impfstoff.
Ein Argument für eine allgemeine, dauerhafte (22/n)

ema.europa.eu/en/documents/o…
Immunschwächung durch Covid-Impfstoffe sind die Berichte ziemlich sicher nicht, insbesondere auch, da sie eben auf eine lang zurückliegende Infektion zurückgehen!
Okay, last but not least, schauen wir noch die Behauptung an, dass die mRNA in den Impfstoffen gezielt so (23/n)
konstruiert sei, dass sie das Immunsystem inhibiere. Und da wird besonders das "unnatürliche" Pseudouridin erwähnt.
Was stimmt, ist dass Pseudouridin in unserer körpereingenen mRNA nicht vorkommt. Es kommt aber sehr wohl in anderen körpereigenen (24/n)

de.wikipedia.org/wiki/Pseudouri…
RNAs vor, vor allem der (in Zellen in großen Mengen vorhandenen) tRNA - und diese RNAs werden vom Körper normal abgebaut und auch nicht auf seltsame Weise ins Genom integriert oder ähnliches. Die Behauptung von Unnatürlichkeit oder unvorhersagbaren Eigenschaften ist also (25/n)
schonmal nicht richtig.
Was macht aber das Pseudouridin in den mRNA-Impfstoffen? Tatsächlich verhindert es eine zu starke Immunreaktion, aber nicht, indem es das Immunsystem inhibiert! Die freie RNA aus dem impfstoff kann nämlich vom Körper als fremd erkannt werden und (26/n)
dann die oben erwähnte angeborene Virusabwehr anregen - und das ist wohl mit ein grund, warum wir beim mRNA-Vakzinen keine zusätzlichen Adjuvantien benötigen, um eine starke Immunantwort auszulösen!
Geschieht diese Anregung aber durch die relativ großen Mengen an mRNA zu (27/n)
stark, haben wir zum einen stärkere entzündliche Nebenwirkungen und zum anderen wird die Proteinsynthese inhibiert (was als Teil der angeborenen Immunabwehr Virusvermehrung hemmen hilft). Will man also mit mRNA viel Spikeprotein herstellen, um das Immunsystem zu (28/n)
trainieren, ohne den Körper unnötig zu belasten, dann braucht man viel mRNA, die diese Reaktion nur wenig auslöst - und genau das erreicht man durch den Einbau von Pseudouridin!
Es geht hier also um das Verhindern einer überschießenden allgemeinen (29/n)

spektrum.de/news/corona-im…
Immunantwort durch die mRNA, nicht um eine Hemmung des ganzen Immunsystems. Und da die mRNA eben immernoch abbaubar ist usw. besteht auch keine reale Gefahr, längerfristig, das System zu blockieren - einzig wenn die mRNA mit einem Virus konkurrieren sollte, das gerade (30/n)
dabei ist, die gleichen Zellen zu infizieren, könnte man sich Probleme vorstellen, aber das ist unwahrscheinlich und nur ein weiterer Grund, lieber nicht auf eine akute schwere Erkrankung zu impfen!

Fassen wir zusammen: Ja, die Coronaimpfstoffe machen mehr mit dem (31/n)
Immunsystem, als es "nur" auf das Spikeprotein zu trainieren und ja, manche von den Daten dazu sind nicht direkt verständlich. Aber die Behauptungen, dass sie das Immunsystem schwächen sind - bis vielleicht auf wenige Spezialaspekte - unzulässige Verallgemeinerungen, (32/n)
Extrapolationen oder schlicht Missverständnisse oder sogar Lügen.
Und natürlich ist in Wirklichkeit alles noch komplizierter, aber am Ende zählen die klinischen Daten und bei der enormen Menge an Impfungen ist es schier unmöglich, dass größere Probleme noch gar nicht (33/n)
aufgefallen wären. Bei den bekannten und kleinen, die wir noch finden, genau hinzuschauen, ist Feinschliff - wünschenswert und wichtig, aber kein Grund zur Panik.
Und damit müdes Mäuschen Out 🐭 (34/34)
P.S.1: Nein, auch T-Zellen werden nicht geschädigt, das sagt die entsprechende Studie auch gar nicht (35/36)

apnews.com/article/fact-c…
P.S.2: Dafür, dass eine Coronainfektion das Immunsystem längerfristig schädigen kann, gibt es validere Hinweise (36/36)

news-medical.net/news/20210324/…

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15 Dec
Zur Zeit geht eine Untersuchung aus HongKong semi-viral, die die Vermehrung von #Omicron in Bronchien (höher als Delta) und Lunge (niedriger als Delta) untersucht hat.
Dazu ein paar Caveats:
1) Das sind Daten aus Gewebekultur. Das gibt sehr gute (1/6)

med.hku.hk/en/news/press/…
Hinweise, wie das Virus in dem Gewebe funktioniert, aber z.B. sind Bronchien und Lunge in Patienten keine isolierten Systeme. Sollten die Bronchien 70-fache Virusmenge bereitstellen, um die Lunge zu besiedeln, könnte das z.B. eine 10x geringere Vermehrung in der Lunge mehr (2/n)
als wett machen
2) Gemessen wurden die erreichten Virusmengen. 70-fache Menge heisst aber eben nicht 70-faches Vermehrungstempo! Und auch hier kann das im ganzen Organismus anders aussehen, als in Gewebekultur (z.B. weil Schleim Viren abtransportieren kann etc.) (3/n)
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14 Dec
Erste Daten aus Südafrika weisen auf 70% Effektivität des BionTech-Impfstoffs gegen schwere Verläufe mit #Omicron hin bei 33% Effektivität gegen Ansteckung. Das ist ENORM!
Das ist der Unterschied zwischen R=1,5 und R=1 und der Unterschied (1/7)

zwischen 10.000 oder 3.000 ITS-Patienten - und damit der Unterschied zwischen einem extrem belasteten Gesundheitssystem und Turnhallen voller Leichen!
Aber es könnte noch besser aussehen, denn nach dem Booster neutralisieren Seren auch Omicron sehr (2/n)
gut, was darauf hinweist, dass es eben keine reine "Auffrischung" ist, sondern ein echtes Upgrade!
All das wird umso wichtiger, je mehr Infektionen es durch Omicron gibt, denn gerade bei hohen Fallzahlen zählt jede Reduktion.
Was ist mit den bisher ungeimpften? Lohnt sich (3/n)
Read 8 tweets
10 Dec
Dass #Omikron eine sogenannte #Immunflucht zeigt, heisst weniger, dass es für das Immunsystem oder eine Impfung gar nicht zugänglich ist, sondern mehr, dass es auf Grund der zahlreichen Veränderungen - vor allem am Spikeprotein - von unserem durch Impfung oder Infektion auf(1/15)
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er kann einreisen.
Mit einem neuen Fahndungsfoto (Angepasster Booster oder überstandene Omikron-Infektion) könnte man ihn aber höchstwahrscheinlich wieder gut erkennen - allerdings hilft das dann umgekehrt bei seinem Zwillingsbruder (Delta) wenig. Ein geschickt entworfenes (3/n)
Read 16 tweets
8 Dec
Okay, auf mehrfachen Wunsch: Warum Herrn Homburgs letzte Grafik #hingerotzterScheißdreck, aber sicher keine Wissenschaft ist:

1) "BREAKING" -reine Wichtigtuerei...
2) "TÄGLICHE" - das ist falsch, denn wie angegeben rechnet Herr Homburg eben nicht mit Tageswerten, sondern (1/15)
mit Siebentage-Durchschnitten - sinnvoll, um die Wochenenden herauszuglätten, aber eben keine "täglichen" Werte mehr
2) "ÜBERSTERBLICHKEIT" - das ist grob falsch, denn was Herr Homburg berechnet, ist die Differenz zwischen zwei Jahren. Die Übersterblichkeit ist aber (2/n)
kein Vergleich zwischen zwei Jahren, sondern eine Sterblichkeit über der Erwartung - also über einem langjährigen Mittel unter Einbeziehung der demographischen Veränderungen. Insbesondere wäre damit natürlich der Vergleich zwischen zwei Jahren mit extremen Ereignissen (3/n)
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7 Dec
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"Die Melderate betrug für alle Impfstoffe zusammen [...] für schwerwiegende Reaktionen 0,2 Meldungen pro 1.000 Impfdosen." - also ein Fall pro 5.000 Impfdosen. Da die Berichte von Impfgegner oft selbst für "schwerwiegende Reaktionen" extreme Fälle

pei.de/DE/newsroom/do…
beschreiben und einige von mehreren bekannten Fällen sprechen erscheint ein Faktor von 2-10 realistisch (Ihr dachtet jetzt nicht, dass ich nur einen blöden Scherz mach, oder? 😉)
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7 Dec
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facebook.com/plugins/post.p…
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