Woher hat die WDR-Wissenschaftsredaktion @quarkswdr diese Daten?

A: aus der Wissenschaft
B: aus einer Quelle, die sich »Think-Tank, Spin Doctor, Change Maker und Agentur für clevere Städte« nennt

Gut, das war zu leicht.
Sie fragen sich, wie diese Zahlen entstanden sind?

»Deshalb haben in einem Kooperationsprojekt Studierende der Berliner Best-Sabel-Hochschule im Herbst 2013 fast 200 Berliner Straßen mit Zollstock, Excel und GoogleMaps vermessen.«
Allein Berlin hat ca. 9.500 Straßen und es ist sehr unwahrscheinlich, dass man aus »fast 200 Berliner Straßen« auf die Situation in den Städten in Deutschland schließen kann.

Die Aussage »So wenig Platz haben Radfahrende in der Stadt« ist daraus jedenfalls nicht herzuleiten.
Das Nachmessen der Breitenanteile bzw. das Schätzen der Flächenanteile für den Radverkehr ist wenig sinnvoll: Auf vielen Straßen in Wohngebieten funktioniert der Radverkehr auch ohne Radweg problemlos – aber die Straße hat null Prozent Radweg-Anteil.
Hier ist der Report verlinkt, der die Basis der WDR-Grafik darstellt. Eine Verallgemeinerung der Ergebnisse für deutsche Städte (wie sie der WDR nahelegt) ist dort nicht enthalten.

clevere-staedte.de/files/tao/img/…
Die Infrastruktur für den Radverkehr ist in deutschen Städten unterschiedlich stark ausgebaut und unterschiedlich nachgefragt.

Ich bin als Radfahrer natürlich für einen Ausbau des Radverkehrs. Aber ich bin gleichzeitig dagegen, dass man mit so kruden Zahlen hausieren geht.
Was die »Agentur für clevere Städte« sonst noch so anbietet (etwa »Klima- und Verkehrswende-Rhetorik-Training«) – das lesen Sie hier:

clevere-staedte.de/über-uns/agent…
Der Social-Media-Account @quarkswdr hat unter dem oben zitierten Quarks-Tweet über die Zahlen diskutiert und aus dem Bericht zitiert.

Ohne zu merken, dass die Bezugsgröße »Straßenfläche« genau dann sinnlos ist, wenn ein großer Teil der Straßen gar keinen Radweg braucht.
Als Pointe die Selbstdarstellung der Redaktion:

»Die Wissenschaftsredaktion des WDR. Einordnung auf der Grundlage wissenschaftlicher Evidenz.«

Was sehen wir aber oben?
1. keine wissenschaftliche Quelle
2. falsche Bezugsgröße
3. Zahlen nicht repräsentativ für deutsche Städte

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Darf man in einem Amt mit politischer Verantwortung so kurzsichtig denken und twittern?

Es fehlen in der Pandemie an vielen Stellen statistisch belastbaren Daten (auch beim Impfen und Impfstatus) – weil es Defizite in der gesamten statistischen Verarbeitungskette gibt.
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