Kleiner Thread zu Wissenslücken/-hierarchien & Umgang damit in linken/studentischen Kreisen.
Viele die an die Uni/in linksstudentisch geprägte Zirkel kommen, haben zumindest anfangs den Eindruck, alle hätten viel mehr gelesen als man selbst und wüssten über alles Bescheid... 1/8
So stellt sich das Gefühl ein, man müsste sich überall auskennen, und zwar instantly. Polit. Ökonomie, Faschismus alt & neu, Sex & Gender, feministische & antirassist. Kritik an alledem... - und das jeweils auf wissenschaftl./theoretischer und aktivistisch/praktischer Ebene. 2/8
Dass alle vermeintlich so viel (mehr) wissen, führt zu Angst vor Fehlern und vor Blamage - besonders bei Leuten, die nicht entweder aus einem studierten/linken Elternhaus oder einer politischen Jugendorganisation kommen, wo sie die Basics bereits mitgekriegt haben könnten. 3/8
Es wird nicht nachgefragt, weil das Unwissen zeigen würde. Umgekehrt wird wenig erklärt/viel vorausgesetzt, um selbst nicht banal zu wirken. In short, es wird allseits viel geblufft - etwa durch Schlagwort- und Name-Dropping, um Wissen zu simulieren, dass eins gar nicht hat. 4/8
An der Spitze der Täuschungspyramide steht der Typus des Theoriemackers♂, in dem die unselige Tendenz des Hochschulbetriebs und der entproletarisierten Linken zu für Außenstehende möglichst unverständlicher Sprache (und gleichzeitig der Bluff) zu höchster Entfaltung gelangt. 5/8
Das alles ist autobiographisch. Heute halt ich Vorträge, werd gelesen & interviewt. Trotzdem hab ich unendlich Lücken (was auch so bleiben wird und ok ist). Und such nach wie vor, sie zu kaschieren - was bedeutet, aus mangelndem Selbstbewusstsein anderen das ihre abzugraben. 6/8
Will sagen: manche wissen ein bissl über vieles, manche viel über ein bissl; keine*r kennt sich überall aus. Fast alle kaufen/zitieren mehr Bücher, als sie lesen (ich jedenfalls). Traut euch fragen. IdR werden andere dankbar sein, und wird sich wer freuen, erklären zu dürfen. 7/8
Themenverwandter Lektürehinweis: über den links-studentischen Brauch des Umsichwerfens mit halbverstandenen Adorno-Zitaten hab ich auf dem @fipu_at-Blog mal etwas mehr oder weniger Launiges geschrieben (gleichfalls autobiographisch gefärbt): forschungsgruppefipu.wordpress.com/2019/08/13/ado… 8/8
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Selten in so kurzer Zeit so viel Richtiges & Wichtiges über Antisemitismus gehört. Und so sehr ich mich freue, wenn das Buch des Kollegen Peham beworben wird, Karin Stögners eigenes (über die Intersektionen von Antisemitismus & Sexismus) verdients ebenso: nomos-shop.de/nomos/titel/an…
Throwback: heute vor fast genau 7 Jahren, am 15.01.2015 - Buchpräsentations-DoubleFeature mit Karin Stögner, unter der exquisiten Moderation von @lisa_mayr. Irgendwer (Verlag? Institut?) hat sogar Wein und Brötchen springen lassen, glaube ich. Ein schöner Abend war das. !B
Der Bezirk Tamsweg (a.k.a. Lungau) im Herzen Österreichs weist seit Tagen die bundesweit mit Abstand höchste 7-Tages-Inzidenz auf (heute: 2.545, siehe Bild). Heute bin ich wieder auf einen besonders enervierenden Grund (unter vielen) dafür gestoßen. Dazu ein Thread. 1/7 !B
Vor knapp 3 Monaten habe ich schon von einer Impfgegnertagung erzählt, die im Juni (und auch schon 2020) ausgerechnet in Tamsweg stattgefunden hat - katholisch-traditionalistisch grundiert, initiiert vom ehem. Amtsarzt (!) des Bezirks. Näheres hier:
Dass auf dieser Tagung gefährlicher Unsinn verzapft wurde, kann sich ausrechnen, wer sich das Programm ansieht. WIE schlimm es war, habe ich erst heute erfahren - aus einer Corona-Verschwörungs-Postille, die eine Rede der Tagung abgedruckt hat, gehalten von Johann Wilde. 3/7
Eine Paradoxie der politischen Debatte über die Pandemie und ihre Bekämpfung: genau jene, deren Geschäftsgrundlage im systematischen Schüren von Ängsten besteht, echauffieren sich nun über vermeintliche Angstmacherei. Ein kleiner Thread zum politischen Spiel mit der #Angst. (1/7)
Rechtsextreme Politik ist grundsätzlich immer Angstpolik: Menschen sollen sich maximal fürchten und sich gleichzeitig möglichst ohnmächtig fühlen. Genau dann suchen sie nämlich Zuflucht bei den erleuchteten starken Führern, die ihnen Schutz und Orientierung versprechen. (2/7) !B
(Diese Führer selbst fürchten übrigens nichts, denn v.a. anderen sind sie Männer™ und ist Angst - wie Masken, Impfungen, Rücksichtnahme auf sich und andere - etwas für Luschen. Maximal hat man Respekt, und was zu weich & zu schwach ist, kann/soll auf der Strecke bleiben.) 3/7 !B
„Kognitiven Antisemitismus“ ortet die Studie bei 9 (stark) + 9 (moderat) Prozent der österr. Bevölkerung (S. 30); „affektiven Antisemitismus“ bei 22 + 12 Prozent (S. 35). Beides niedriger als die Werte für HUN, POL oder GR, aber hoch verglichen mit West- und Nordeuropa. 2/11
Hier einige Items, die zum "kognitiven Antisemitismus" abgefragt wurden – jeweils mit den österreichischen Werten für starke und tendenzielle Zustimmung und den entsprechenden Durchschnittswerten über die 16 berücksichtigten Länder hinweg. 3/11
Als Thema weniger sexy als Verhaftungen und Chats, aber langfristig gesehen mindestens so wichtig: volle Solidarität mit den Protesten der Elementarpädagog*innen. Entlohnung, Anerkennung, und Betreuungsverhältnisse sind mies, zum Leidwesen von Pädagog*innen, Kindern & Eltern. /1
Ich hab mal eine Schmalspurausbildung zum Kindergruppenbetreuer absolviert. Bin unsicher, inwieweit sie mich für eine elementarpäd. Tätigkeit qualifiziert hat, aber was sie mir jedenfalls vermittelt hat, ist Respekt vor ihr und ihrer gesellschaftlichen Tragweite. Ein Beispiel: /2
Wollen wir, dass Kinder sich daran gewöhnen - es als normal erleben -, dass Erwachsene gegen ihren Willen, durch Einsatz eines Kraftvorteils, auf ihre Körper zugreifen? In einer Intimität, wie sie bei Pflegetätigkeiten gegeben ist? Genau das passiert nämlich, wenn zuwenige... /3
Ob es nun zwei-, drei- oder fünftausend Teilnehmer*innen waren bei #w1109 - angekündigt als "Megademo" nach monatelangem Atemholen erscheint mir das eher als (weiterer) Beleg, dass der Corona-Straßenprotest in Österreich im 1. Quartal 2021 seinen Zenith überschritten hat. 1/4
Damals betrank man sich im Coronademolager an den Mobilisierungserfolgen & war überzeugt, die Republik aus den Angeln zu heben. Rutter garantierte einen Regierungssturz binnen Wochen. Ich hab das hier (als grenzenlose Selbstüberschätzung) beschrieben: derstandard.at/consent/tcf/st… 2/4
Gefährlich scheint mir, dass mit schwächelnder Mobilisierung und abnehmender Euphorie die Bewegung auf den fanatisierten und sich blitzartig weiter fanatisierenden Kern zusammenschrumpft. Dessen Wortführer greifen in ihren Ansagen zunehmend ins apokalyptische Register. #w1109 3/4