Thread by @stephanpalagan

Der Text von @NancyFaeser im VVN-BdA. Ungekürzt & unverändert. Ohne ärgerliche Fehler bei der Digitalisierung:

„Seit dem Spätsommer 2018 sind in ganz Deutschland weit über 100 Briefe, Faxe und E-Mails aufgetaucht, in denen Menschen von einem angeblichen »NSU 2.0« bedroht werden.

In einigen dieser Schreiben finden sich persönliche Informationen über die Empfänger:innen, die öffentlich nicht zugänglich sind. Die meisten der NSU-2.0-Briefe sind voller ekelhafter rechtsradikaler Phantasien von der Vernichtung Andersdenkender.

Und alle diese Nachrichten haben ein Ziel: Diejenigen einzuschüchtern, die in der Öffentlichkeit für Toleranz, Freiheit, Weltoffenheit und den demokratischen Rechtsstaat einstehen. Seit einigen Wochen gehöre auch ich zu jenen, die eingeschüchtert werden sollen.

Zwei NSU-2.0-Briefe habe ich erhalten, von beiden hoffe ich, dass sie nur von einem Trittbrettfahrer stammen. Aber was bedeutet »nur«? Es bedeutet, dass da vielleicht nur ein anonymer Maulheld am Werke war, der hofft, dass ich vor seinen Drohungen zurückweiche.

Das werde ich nicht tun.
Der Kampf gegen Faschismus und Rechtsextremismus, gegen Rassismus und völkische Ideologien gehört zur politischen DNA meiner Partei, der SPD. Er gehört zu meiner politischen Arbeit als Mitglied des Hessischen Landtags.

Und er muss zum Alltag jedes Demokraten und jeder Demokratin gehören, weil Freiheit und Demokratie jeden Tag aufs Neue gegen ihre Feinde verteidigt werden müssen.

Der Mann, der in Berlin als mutmaßlicher Urheber der meisten NSU-2.0-Drohungen verhaftet wurde, wird als Einzelgänger und Einzeltäter beschrieben. Und es ist wahrscheinlich wirklich so, dass er seine widerlichen Pamphlete ohne fremde Hilfe verfasst hat.

Aber er tat es ganz bestimmt in dem Bewusstsein, eben nicht alleine zu sein. Denn um sich zu vernetzen, sich gegenseitig in Rassenwahn und faschistischen Phantasien zu bestärken, reicht den Rechtsextremen heute das Internet.

Dort treffen die ideologischen Wegbereiter auf ihre nützlichen Idioten. Dort werden Verblendete zu Gewalttätern. Auch der mutmaßliche Verfasser der NSU-2.0-Briefe war bei seiner Verhaftung bewaffnet.

Ohne das Internet als globale Radikalisierungsmaschinerie ist der erstarkende Rechtsextremismus des 21. Jahrhunderts nicht denkbar.

Das ist eine erschütternde Erkenntnis, die uns aber umso mehr anspornen muss, gegen rechtes Gedankengut, rechte Drohungen und rechte Gewalt aufzustehen. Jeden Tag und an jedem Ort.“

Das ist der Text von Nancy Faeser. Das ist der skandalbehaftete Beitrag, über den nun die üblichen Verdächtigen den Rücktritt der Bundesinnenministerin fordern. Das Original befindet sich hier:

antifa.vvn-bda.de/2021/07/03/nsu…

Der Text ist unaufgeregt und unspektakulär. Nichts davon ist verfassungsfeindlich, nichts davon ist linksextrem. Für einen Skandal taugt nichts von alledem.

Faeser behandelt in deutlichen und eindringlichen Worten das Problem mit dem Rechtsextremismus in unserem Land. Sie schreibt über den NSU 2.0, dessen Drohbriefe sie erhalten hat.

An einer Stelle schreibt sie über „ideologische Wegbereiter und nützliche Idioten“. Und beinahe so als wollten die Angesprochenen ihrer ihnen zugewiesenen Rolle gerecht werden, treten Junge Freiheit, BILD, WELT, CDU und AfD eine konzertierte Kampagne los.

Weil der Text aber nicht zum Skandal gereicht, muss es nun der Ort der Veröffentlichung sein.

Der VVN-BdA, ein Verein von Holocaust-Überlebenden, der sich nach dem Ende des nationalsozialistischen Terrors gegründet hat.

Der VVN-BdA wurde vom Bayerischen Verfassungsschutz als „linksextrem“ eingestuft. Genauso wie zahlreiche Umweltschutzgruppen und Politiker:innen der Linkspartei durch nahezu alle anderen Verfassungsschutzbehörden. Meist ohne Begründung oder Anlass.

Wie beispielsweise Bodo Ramelow. Ja, der (!) @bodoramelow. Bodo Ramelow wie in ehemaliger Gewerkschafter und nun Ministerpräsident von Thüringen Bodo Ramelow. Beobachtet durch den Verfassungsschutz. Wegen Linksextremismus. Kein Witz.

Zu den zahlreichen Organisationen, die der Verfassungsschutz nicht beobachtet hat, gehört der NSU. NSU wie in Neonazi-Terrororganisation NSU, die jahrelang durch ganz Deutschland gefahren ist, Banken ausgeraubt und Menschen ermordet hat. Ebenfalls kein Witz.

Über den NSU 2.0 hat Nancy Faeser nun geschrieben. Im Heft der VVN-BdA.

Gegen die Beobachtung des VVN-BdA haben unter anderem der Zentralrat der Juden und das Internationale Auschwitz Komitee protestiert. Aus guten Gründen. Aber was wissen die schon.

Weil aber die Verfassungsschutz-Familie, die unter anderem den AfD-Freund Hans-Georg Maaßen hervorgebracht hat, die Vereinigung der Holocaust-Überlebenden als „linksextrem“ bezeichnet, soll nun Faeser, die beim VVN-BdA über Rechtsextremismus geschrieben hat, zurücktreten.

Unterdessen schwadroniert der Chefredakteur der WELT, Ulf Poschardt, über „super Holocaust-Überlebende und deren PR-Abteilungen“, kurz nachdem er einen kanadischen Rechtsextremen retweetet hat.

Ein ganz normaler Samstag im Axel-Springer-Konzern.

Faeser hat ihren Text folgendermaßen beendet

„Das ist eine erschütternde Erkenntnis, die uns aber umso mehr anspornen muss, gegen rechtes Gedankengut, rechte Drohungen und rechte Gewalt aufzustehen. Jeden Tag und an jedem Ort.“

Dem ist absolut nichts hinzuzufügen.