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Feb 21 37 tweets 14 min read
Weil die Ergebnisse dieser Studie* zur Zuverlässigkeit von #Schnelltests bei #Omikron schlechter ausfallen als die ersten Ergebnisse des @PEI_Germany und die ersten Ergebnisse aus Real-Life-Studien, nachfolgend eine Einordnung der Studie.

*link.springer.com/article/10.100…

Thread

1/x🔽
In der obigen Studie wurden (gelagerte) Delta- und Omikron(BA.1)-Proben (aus dem Nasen-Rachen-Raum oder der Nase von Krankenhaus-Patient*innen) mit vergleichbaren RNA-Viruslasten mit 9 verschiedenen Antigentests retrospektiv (im Labor) getestet.

2/x
Dabei kam raus, dass die (analytische*) Sensitivität (Empfindlichkeit) von 7 der 9 untersuchten Antigentests bei Omikron signifikant geringer war als bei Delta.

*vs. klinische Sensitivität (siehe weiter unten)

3/x
Die Studienmethodik ist m.E. (dem retrospektiven Studiendesign entsprechend) gut, wobei das Studiendesign per se einige Limitationen mit sich bringt (unten ausführlicher erläutert).

Wesentliche Limitation ist: Die Abstriche/Proben wurden nicht sofort/frisch getestet.

4/x
Goldstandard bei der Validierung der Tests sind jedoch Real-Life-Studien (am "Point-Of-Care"):



Jedoch ist es praktisch fast unmöglich, viele Tests in einer einzigen prospektiven Studie (schnell) zu untersuchen.

5/x
Wie unterschiedlich die Ergebnisse von Studien mit Archivproben vs. mit frischen Proben sein können, zeigt z.B. dieses aktuelle Beispiel:

Mit Blick auf die ebenfalls retrospektive Studie von @EckerleIsabella et al. (medrxiv.org/content/10.110…) sieht es so aus, als ob der..

6/x
..Panbio-Antigentest (der in DE klinisch viel genutzt wird) bei Omikron erst ab einer Viruslast von >10^8 RNA-Kopien/ml zuverlässig anschlägt.

Schaut man dagegen auf eine Real-Life-Studie (medrxiv.org/content/10.110…), schlug der Panbio-Test bei Omikron (wie bei vorherigen..

7/x
..Varianten) jedoch bereits ab ca. 10^6 RNA-Kopien/ml (darunter konnte man bisher im Schnitt selten Virus im Labor anzüchten) gut (≥90%) an (in beiden Studien wurde derselbe Abstrich genutzt und die Proben stammten (fast) nur von vollständig Geimpften mit Symptomen).

8/x
Mir sind zudem gleich 4 Antigentests bekannt, die bei den ebenfalls retrospektiven Untersuchungen des @PEI_Germany durchgefallen sind, in (mehreren) Real-Life-Studien (z.B. von @FINDdx, siehe finddx.org/sarscov2-eval-…) aber bei hohen Viruslasten gut abschnitten.

9/x
Woran könnte das liegen? Durch die Nutzung eines Virus-Transportmediums (VTM) o.Ä. (z.B. NaCl-Lösung) zwecks Transport/Lagerung der Probe *kann* es je nach VTM und je nach Antigentest (die Tests nutzen unterschiedliche Antikörper) zu einem Abbau der (nachzuweisenden) ...

10/x
..viralen Antigene (bei unveränderter RNA-Viruslast!) (siehe z.B. journalofinfection.com/article/S0163-…) und/oder zur Inaktivierung der (nachweisenden) test-eigenen Antikörper kommen (vgl. sciencedirect.com/science/articl…).

11/x
Durch erneute PCR-Testung der gelagerten Proben vor dem Testen mit dem Antigentest kann ein möglicher Einfluss des VTM, der Lagerzeit und Lagerbedingungen (Gefrieren) auf die RNA-Viruslast (nicht jedoch auf die Antigen-Konzentration) überprüft/korrigiert werden.

12/x
Es ist für mich nicht eindeutig, ob das hier gemacht wurde. (@LKaderali?)

Ein Frost-/Auftauzyklus (wie hier tlw. erfolgt) könnte die Antigen-Konz. reduzieren, eine kühle Lagerung für bis zu 1 Woche (wie hier tlw. erfolgt) wahrsch. eher nicht (vgl. eurosurveillance.org/content/10.280…).

13/x
VTM (Virus-Transportmedien) mit (bekannten) denaturierenden Wirkstoffen wurden in der Studie ausgeschlossen. Teils wurde jedoch eine NaCl-Lösung genutzt, die (auch) die Antigen-Konzentration reduzieren kann (siehe oben bzw. journalofinfection.com/article/S0163-…).

14/x
Eine die Sensitivität mglw. reduzierende Verdünnung der Pufferlösung des Antigentests durch die flüssige Probe ist bei der in der Studie genutzten Menge des "Aliquots" (50 μl) dagegen eher unwahrscheinlich (vgl. journals.asm.org/doi/10.1128/JC…).

15/x
Wie interpretiert man die Ergebnisse von retrospektiven, mehrere Tests vergleichenden Studien?

Frau @EckerleIsabella et al. (medrxiv.org/content/10.110…) bringen es auf den Punkt:

Die Ergebnisse aus retrosp. Studien können nicht mit denen aus Real-Life-Studien verglichen..

16/x
..werden und sollten nicht als (absolute/reale) Nachweisgrenze der Tests, sondern (maximal*) als Vergleich zwischen verschiedenen Antigentests interpretiert werden.

*für den Vergleich limitierend ist m.E. z.B. dass die Antigentests unterschiedliche Antikörper nutzen, die..

17/x
..unterschiedlich auf VTM reagieren können (s.o).

Zudem sollte man bei einem Vergleich mit verschiedenen Proben (mit 2 unterschiedlichen Varianten) die Proben möglichst "matchen" (vergleichbar machen). Das erfolgte hier bezogen auf die RNA-Viruslast, nicht jedoch bezogen..

18/x
..auf das VTM (bzw. NaCl-Lsg.), die Lagerung (gekühlt vs. gefroren; Dauer), die Abstrichart (Nase vs. Nasen-Rachen), den Impf- oder Genesenenstatus (war jeweils unbekannt), den Symptomstatus bzw. den Tag der Probenahme (nach Symptombeginn/Exposition; war jeweils unbekannt).

19/x
Warum könnten (die letzten Punkte) relevant sein?

Im späten Infektionsverlauf ist man auch bei ggf. noch hoher RNA-Viruslast i.d.R. nicht mehr ansteckend (nature.com/articles/s4146…) und die (ersten) körpereigenen Antikörper könnten das Antigentest-Ergebnis möglicherweise..

20/x
..verfälschen (vgl. ijidonline.com/article/S1201-…). Auch bei (v.a. mehrfach) Genesenen könnten die körpereigenen Antikörper möglicherweise das Antigentest-Ergebnis bei (schon) hoher Viruslast "verfälschen" (siehe ndr.de/nachrichten/in…, S. 11).

21/x
Geimpfte sind trotz gleicher RNA-Viruslast im Schnitt seltener/weniger stark infektiös (z.B. medrxiv.org/content/10.110…), wie die Antigen-Kinetik (im Vergleich zu Ungeimpften) aussieht, ist jedoch unklar (der Abstand zur letzten und eine 3. Impfung könnten auch relevant sein).

22/x
Wobei bisher (bei vorherigen Varianten) zumindest kein signifikanter Unterschied in der Sensitivität von Antigentests bei Geimpften und Ungeimpften festgestellt werden konnte (siehe ausführlicher publikum.net/schnelltests-o…).

23/x
Was sagen andere Studien zur Zuverlässigkeit von Schnelltests bei Omikron?

Abgesehen von den analytischen Laborstudien, die mit einer Ausnahme keine veränderte Sensitivität im Vgl. zu Delta u/o früheren Variaten zeigten (siehe ausführlich publikum.net/schnelltests-o…), war..

24/x
..die Sensitivität in den bisher wenigen Real-Life-Studien (siehe ) bei hohen Viruslasten in der Nase, im Rachen und/oder im Nasen-Rachen-Raum (weiterhin) gut. Jedoch kann man die Ergebnisse nicht einfach auf alle Antigentests übertragen, wobei..

25/x🔽
..weder @michaelmina_lab noch das @PEI_Germany davon ausgehen, dass die 2 noch nicht von anderen Varianten bekannten Omikron-Mutationen im N-Protein (auf das nahezu alle Antigentests testen) einen relevanten Einfluss auf die Sensitivität der allermeisten Antigentests haben.

26/x
Laut den ersten Ergebnissen des @PEI_Germany für 28 Antigentests (zeit.de/gesundheit/202…) erfüllen alle bei Omikron weiterhin das Mindestkriterium des PEI für die Sensitivität (mind. 75% bei hoher Viruslast bzw. ≥10^6 RNA-Kopien/ml bzw. Ct≤25). Leider sind bisher weder..

27/x
..die Ergebnisse im Detail (samt Testnamen) noch die Methodik veröffentlicht.

PEI-Präsident Klaus Cichutek ließ vor 3 Tagen im Podcast (detektor.fm/wirtschaft/bra…) anklingen, dass es bisher eher keine Überraschungen im Vergleich zum vom PEI erwarteten Ergebnis gab.

28/x
Daneben gibt es noch 3 weitere retr. Studien, die 1x für 4 von 7 Ag-Tests eine signif. geringere Sensitivität (medrxiv.org/content/10.110…) und 2x für 3 (andere) Ag-Tests keine veränderte Sensitivität (medrxiv.org/content/10.110… + medrxiv.org/content/10.110…) im Vgl. zu Delta zeigten.

29/x
Noch kurz zur Frage, ob Rachen- oder Nasenabstrich:

Wenn, dann bitte beides! Neue Studien deuten darauf hin, dass der Nasenabstrich insgesamt (über den gesamten Infektionsverlauf gesehen) im Schnitt bei Omikron sensitiver als der Rachenabstrich ist, dass die Kombination..

30/x
..beider Abstriche aber die Sensitivität im Schnitt etwas erhöhen kann. Das war laut neuen Studien übrigens wahrscheinlich auch schon vor Omikron so.

Siehe ausführlich für diese Fragestellung:

publikum.net/schnelltests-o…

31/x
Die bisherigen Studien gelten jedoch alle (wahrscheinlich) nur oder v.a. für den Omikron-Subtyp BA.1 (bei BA.2 gibt es nur eine neue Mutation im N-Protein, aber mir ist bisher keine Einschätzung zu deren Relevanz bekannt).

32/x
Da die RNA-Viruslast bei BA.2 möglicherweise (wieder) höher ist (medrxiv.org/content/10.110…), könnte die Gesamt-Sensitivität (über den gesamten Infektionsverlauf gesehen) der Antigentests hier (wieder) im Schnitt etwas höher sein.

33/x
Fazit: Analytische Laborstudien (in-vitro) zeigen i.d.R. bei Omikron keine veränderte Sensitivität im Vergleich zu früheren Varianten, einzelne retrospektive Studien mit Archivproben zeigen für einige Tests eine geringere und für andere eine unveränderte Sensitivität und..

34/x
..die bisher wenigen Real-Life-Studien zeigen eher keine veränderte bzw. weiter eine hohe Sensitivität bei hohen Viruslasten. Es sind weitere Studien abzuwarten. Die PEI-Ergebnisse sind für Ende Februar erwartbar. Mehr Real-Life-Studien wären wünschenwert/aufschlussreich.

35/x
Bis dahin gilt wie immer: Regelmäßig (schnell)testen hilft (Schnelligkeit und Häufigkeit schlagen Sensitivität) und das Bewusstsein, dass ein Test nur eine Momentaufnahme und weitere Käsescheibe ist und dass ein negativer Test nie eine Infektion ausschließen kann!

36/x
Ach so. Und hier aus aktuellem Anlass (@flor8i und @Ingo_Arzt recherchieren da offenbar) noch ein Hinweis zu Spuck- und Lolli-Antigentests:



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Mar 26, 2021
Die Studie u.a. von @MichiWagner4 hat bezüglich des Vergleiches PCR vs. Antigen-#Schnelltests einige Limitationen.

(Die Gurgelstudie an sich ist top und sehr wertvoll!)

Zum Abstract der Studie: start.univie.ac.at/fileadmin/user…

Thread.

1/10
Es erfolgte kein Direktvergleich von PCR und Antigentest. Es wurde nur die Prävalenz der Gurgelstudie (16 Fälle -> statistische Power? 5% der Schulen -> wie war die jew. Inzidenz vor Ort?) mit der "Prävalenz" der österreichweiten Antigen-Selbsttests verglichen.

2/10 Image
(Wo stammt Letztere her? Ich finde unter bmbwf.gv.at/Themen/Forschu… nur Daten bis KW8.)

6 Schüler:innen wiesen in "zumindest einem der eingesetzten PCR-Tests" basierend auf Gurgelproben einen Ct-Wert von unter 30 auf und könnten möglicherweise ansteckend gewesen sein.

3/10 Image
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