Moin,
es ist Dienstag, und das bedeutet:
Folge 4 der Infoserie "Sexarbeit & Medien" kommt raus. Das Thema heute #plurv & Pseudo-Expert*innen zu Sexarbeit.
Thread.
/1
Pseudo-Expert*innen treten politisch oder medial als Sachverständige oder (unabhängige, haha) Expert*innen auf.
Sie beanspruchen Raum in Debatten, fallen dort aber durch einseitige und voreingenommene Meinungen auf, die nicht revidiert oder differenziert werden./2
PLURV verbreitet Desinformation, über COVID19 oder die Klimakrise. Und über Sexarbeit, z.B. in den Medien.
P = Pseudo-Expert*innen
L = Logikfehler
U = Unerfüllbare Erwartungen
R = Rosinenpickerei
V = Verschwörungserzählungen
Danke, @klimafakten!/3 klimafakten.de/meldung/p-l-u-…
Der confirmation bias zu Sexarbeit sorgt dafür, dass Pseudo-Expert*innen glaubwürdiger erscheinen.
Das funktioniert so: Menschen ohne Wissen über Sexarbeit sind gewohnt, negativ o. mitleidig über Sexarbeitende zu denken. Durch ihren Bias sind sie anfällig für falsche Expertise./4
Der Confirmation Bias heißt auch: kognitive Verzerrung oder Bestätigungs-Fehler.
Pseudo-Expertise tarnt jahrhundertealtes Stigma & Sexarbeitsfeindlichkeit als valide Meinung und bietet scheinbar simple Lösungen für komplexe Probleme (Rettung). Wie gehen Pseudo-Expert*innen vor?/5
Pseudo-Expert*innen haben keine Expertise zur Gesamterscheinung Sexarbeit & Prostitution. Sie verbreiten Desinformationen, Fehlinformationen + Verschwörungserzählungen über Sexarbeit. Sie leugnen wissenschaftliche Studien und sprechen Sexarbeitenden & Beratenden Kenntnisse ab./6
Sie äußern sich sexarbeitsfeindlich + abfällig über SW.
Sie verallgemeinern Aussagen über Menschenhandel z Zweck d sexuellen Ausbeutung und wenden sie undifferenziert auf SW an. NGOs mit Pseudo-Expert*innen: TdF, Sisters, Femen, Kofra, Bündnis Nordisches M0dell, St0pp S3xkauf/6
Was hat das alles jetzt mit Journalismus zu tun?!
Lasst uns mal über False Balance = falsche Ausgewogenheit, auch: bothsidesdism sprechen:
Medial wird Pseudo-Expert*innen viel Raum gegeben. Die Begründung auf Nachfrage lautet: "Wir sind verpflichtet ausgewogen zu berichten." /7
In der medialen Realität heißt das: Sexarbeitende, zu Sexarbeit beratende | schreibende | forschende Personen treffen nahezu immer auf Pseudo-Expert*innen (Alice, Manfed, Inge) wenn über Sexarbeit berichtet wird. Das wirkt so, als würden gleichberechtigte Positionen diskutiert./8
Aber ist Pseudo-Expertise eine gleichberechtigte Position, die Ausgewogenheit fördert?
Mal sehen:
Pseudo-Expert*innen sind idR nicht selbst betroffen. Oft fehlen ihnen Kenntnisse. Sie leugnen wissenschaftliche Studien, zB zu negativen Effekten der Kund*innenkriminalisierung./9
Sie sprechen Betroffenen ihre Stimme ab und diffamieren sie als Ausnahmen oder Täter*innen, nutzen Slurs.
Wissenschaftlich betrachtet arbeiten sie biased (Farley). Ihre Positionen sind eine Minderheitenmeinung unter Forscher*innen. Sie sind idR weder Angehörige... /10
...einer vulnerablen Gruppe noch selbst marginalisiert. Im Gegenteil: als Polizist*innen, Therapeut*innen, Politiker*innen + Publizist*innen verfügen sie über mächtige Netzwerke, die Sexarbeitende nicht haben. UND: Sie betrifft der confirmation bias nicht./11
Wenn Journos Pseudo-Expert*innen Raum geben, hat das konkrete, schädliche Folgen auf die öffentliche Meinung und den Diskurs über Sexarbeit:
-abwertende Sprache über S3x Worker hält Einzug in die Berichterstattung (L*cher, gell, Leni?)
/12
-die Debatte wird polarisiert, da Pseudo-Expert*innen Sexarbeitenden ihre Existenz absprechen
Eine Minderheitenmeinung erhält große Reichweite.
Eine hypothetische moralische Grundsatzfrage wird erörtert, statt sich an Fakten zu halten und konkrete Verhältnisse zu verbessern./13
Sexarbeitsfeindlichkeit, also Diskriminierung, wird medial verbreitet während alle zuschauen und es normal finden, wegen des Bestätigungsfehlers (confirmation bias).
Das ist usually der Punkt, an dem Leute fragen: Und, was sind Deine Vorschläge, Ruby? /14
Leider hab ich bislang nicht den Eindruck, dass sich Redaktionen oder einzelne Journalist*innen besonders für die Kritik Sexarbeitender interessieren oder dazulernen wollen.
Anyway: meine Vorschläge, wie ausgewogen(er) über Sexarbeit berichtet werden könnte: /15
Recherche, Recherche, Recherche. Konstruktiv berichten statt Grundsatzdebatten zu kultivieren, hart bei Politiker*innen nachfragen, warum im Diskurs Moral verhandelt wird, während Handlungsbedarf bei Armut und Migration besteht? Differenzierung statt Ko-Orientierung vermeiden./16
Und please: Nicht für Clickbait Sexarbeitende untern Bus werfen!
Das mag Clicks bringen, aber diskriminierungskritisch ist es nicht. Eher das Gegenteil.
Manfred, Inge & Alice reden zu lassen ist glasklar Hörensagen & Diskriminierung. Letztes Thema für heute: /17
Die "Überlebenden". Es gibt Ex-Kolleg*innen, die für die Anti-SW-Bewegung mobilisieren.
Die Antis tokenisieren deren Erfahrungen & Bios.
Ex-Kolleg*innen sind keine Pseudo-Expert*innen! Bitte bezeichnet sie nicht so. Sie vertreten Anti-SW-Positionen und ziehen Schlüsse.../18
die Repressionen für Sexarbeitende bedeuten. Aber sie sind keine Pseudo-Expert*innen. Sie nutzen: Logikfehler - unerfüllbare Erwartungen - Rosinenpickerei - Verschwörungserzählungen.
Darum geht's nächste Woche und dafür könnt ihr die survivors kritisieren. Danke für heute!/19
Der Film "Raus aus der Prostitution" (SWR 2022) von Katja Schupp ist eine Heldenreise. Eher eine Heldinnenreise. Denn Protagonistin Nadines Umstieg von Prostituierter (Selbstbezeichnung) zu Einzelhandelskauffrau ist Autorin Schupp "helfend" beteiligt./1 g.co/kgs/vAzPLh
Disclaimer: Nadines Story könnte auch in der Umstiegsberatung bei @hydra_berlin stattgefunden haben. Ihre Erfahrungen beim Umstieg verdienen Anteilnahme & Respekt. So zeigt der Film viele Hürden, die auch die Sexarbeitsbewegung kritisiert. Leider geht's hier nicht um Kritik./2
Die versprochene Quintessenz:
Schupp und der SWR reproduzieren Sexarbeitsfeindlichkeit, Gemeinplätze und Stigma. Sowohl wie Schupp Fragen stellt, der Spannungsbogen, die "Expertinnen" als auch die Kommentare der Autorin zeugen klar von einer sexarbeitsfeindlichen Perspektive./3
Thread:
Alle gemeinsam auf die Straße fürs Klima! #Klimastreik
Sexarbeiter*innen von @SWAG_Berlin schließen sich dem Klimastreik an, denn er ist unlösbar mit dem Kampf für die Rechte von Sexarbeiter*innen für Entkriminalisierung & Entstigmatisierung verbunden.
Wieso?/1
2020 haben weltweit mehr als 30 Mio. Menschen durch Naturkatastrophen ihr Zuhause verloren. Klimamigration ist die Folge von durch die Erderwärmung ausgelösten Dürren, Wasserknappheit und Missernten. Sog. Klimageflüchtete werden weltweit zunehmen, doch: /2
Klima als Fluchtgrund ist bisher nicht anerkannt. Geflüchtete in Deutschland sind meist geduldet, ohne Arbeits-/Aufenthaltserlaubnis. Informelle Arbeit, z.B. in der Sexarbeit ist ihre Alternative, um dem oft Jahre dauernden, menschenunwürdigen Zustand der Duldung zu entkommen./3
CN SWERFS #EndFalseBalance
Nach 2 Veranstaltungen mit SWERFS (TdF/Sisters) meine Gedanken:
Die Debatte ist unzulässig zugespitzt auf ein Entweder-Oder, das den großen gesellschaftlichen Fragen, die das Thema Sexarbeit berührt, nicht gerecht wird. Migration, soz. Ungleichheit../1
...aber auch Gender Pay Gap, Niedriglöhne und Klimakrise. Letzteres verwundert vielleicht? Die Klimakrise ist ein relevanter Faktor für Migration und ein Aspekt, für den der globale Norden massive Verantwortung trägt. /2
Solche Debatten mit den Antis besitzen einen ausgesprochen engen Blickwinkel, der nationalstaatlich und hegemonial geprägt ist. Die SWERFS in solchen Veranstaltungen nutzen der komplexen Lage nicht konstruktiv. Statt starken Meinungen wären gute Ideen und Expertise gefragt./3
Statistik zu Sexarbeit & Medien.
Das Pressearchiv von @hydra_berlin enthält ~400 Artikel- Davon sind
34: abwertend
83: akzeptierend
50: offen Anti-SW-motiviert
136: neutral
22: beinhalten 400 Otöne von SW
27: lassen Sexarbeitende unkommentiert sprechen
43: skandalisieren SW
/1
Nur in 50 Artikeln sprechen Sexarbeitende für sich, das sind kaum 12.5%.
50 Artikel ergreifen offen Partei für eine "Welt ohne Prostitution" (Infos, welche Medien immer wieder dabei sind folgen!)
Nur ca. 30% der Artikel sind neutral.
20% aller Artikel werten Sexarbeitende ab
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Die schlimmsten Exemplare von Fehlinformationen über Sexwork:
Wissen² |@3sat : Skandalös schlechter Beitrag!
Die Talkshow "Mal ehrlich: Gehört das (#Sexarbeit) verboten?" produzierte false balance en masse.
Das Radiofeature "Licht aus..." klaute Otöne von Fachberatungsstellen.
/3
Zum "Radiofeature" & Pressemitteilung von @hydra_berlin /Aldona e.V.
Die Antwort des SR von Michael Thieser zitiert die Otöne, die wir alle schon im Feature gehört haben, und meint so den Vorwurf zu entkräften, dass sie aus dem Kontext gerissen sind. 🤡
Die Sozialarbeiterinnen von Hydra und Aldona haben beide unmissverständlich gesagt, dass es ohne Freigabe keine Veröffentlichung geben sollte. Weisfeld behauptet das Gegenteil. Aus dem Manuskript zitiert wird durch (...) deutlich, dass das Zitat unvollständig ist. In der PM ...
...bemängeln wir, dass Weisfeld nicht ausreichend differenziert.
Thieser bescheinigt uns netterweise, dass unsere Mitarbeiterin sehr wohl differenziert. Ja, dass wir das tun, steht ja auch außer Frage. Die PM war ja auch an den SR gerichtet, nicht an uns selbst. 🙄 Im Ernst?!
Ich möchte über Unterstützung & Unterstützer*innen reden.
Auch in der Huren-/Sexarbeitsbewegung wird immer wieder Rassismus, toxische Männlichkeit & gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit reproduziert.
Sexarbeitende unterstützen, aber ohne mansplaining aka too much ego, das wärs!
Ist ja ganz nice, wenn Kund*innen sich solidarisieren, aber leicht passiert es, dass die dann die Debatte (mit)bestimmen wollen. Diskussion ist ok, aber als Ally solltest Du akzeptieren, dass Sexarbeitende zuerst gehört werden und maßgeblich die Richtung des Aktivismus vorgeben
NGOs: Danke für Eure akzeptierende Position zu Sexarbeit. Aber damit ist es nicht getan. Der Sexarbeitsbewegung fehlt es massiv an (Geld)Mitteln und Gehör. Gerade die kleinen Kollektive + lokalen Communities brauchen Eure Unterstützung. Nicht nur der große Verband.