Die Energiepreisdebatte tobt. Was mir fehlt, sind vernünftige Vorschläge jenseits von „Frieren gegen Putin“, „Finger weg von meiner Freiheit“ und „regelt halt der Markt“. Dabei ist der erste Ansatz doch nicht schwer: Progressive Energietarife.
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#ProgressiveEnergietarife heißt im Grundsatz: Jeder Haushalt bekommt je nach Personenzahl einen angemessenen Grundbedarf günstig zur Verfügung gestellt. Was darüber hinausgeht, wird als Zusatz- und Luxusbedarf zunehmend teurer abgerechnet. 2/
Sonderbedarfe z.B. für chronisch kranke Menschen müssten möglichst unkompliziert anerkannt werden. Kommt es tatsächlich mal zu akuten Engpässen, wird nur an der Preisschraube für den Luxusbedarf gedreht und die Grundversorgung bleibt soweit wie irgend möglich gewährleistet. 3/
Wer sich beim Frieren gegen Putin besser fühlt, bitte gerne, aber die Oma in der Grundsicherung sollte sich nicht dazu genötigt sehen, bevor der beheizte Pool in der Grunewald-Villa drankommt. (Ja, auf dem Exzesslevel ließe sich der Preis ggf. auch ins Unendliche regeln.) 4/
So würde Energie als Grundrecht anerkannt und stärker bedürfnisorientiert verteilt statt als bloße Ware gehandelt. Das Problem wird nicht auf Einzelne abgewälzt, aber exzessiver privater Konsum trotzdem angegangen. Vielleicht noch nicht die Utopie, aber greifbarer Fortschritt. 5/
Natürlich müssen z.B. bei Wärmeversorgung die sehr ungleichen energetischen Voraussetzungen versch. Wohnungen einberechnet werden. Mieter*innen mit alten Ölheizungen in unsanierten Wohnungen brauchen eben erst mal mehr + andere Energie als solche in neuen Niedrigenergiehäusern.6/
Gleichzeitig müssten natürlich auch Eigentümer*innen und Vermieter*innen dazu gebracht werden, fossile durch erneuerbare Heizsysteme zu ersetzen, den Bestand energetisch zu sanieren usw. Das muss aber nicht das Tarifsystem alleine leisten. 7/
Umsetzen könnten das alles natürlich am besten kommunale Anbieter. Dann wären Menschen auch nicht mehr auf die Lockangebote irgendwelcher Quasi-Briefkastenfirmen für Strom und Gas angewiesen, die Insolvenz anmelden, sobald die Preisentwicklung ihr Discountmodell sprengt. 8/
So könnten nicht nur Importe aus Russland leichter beendet (da hilft ja auch Industrie runterfahren, hab ich gehört), sondern auch die schon vor dem Ukraine-Krieg verbreitete #Energiearmut nachhaltig bekämpft werden. 9/
Egal, ob nun Engpässe anstehen oder „nur“ die Angst umgeht: Mit solchen Modellen sollten wir für eine sozial gerechte Energiewende werben, anstatt uns die ganze Zeit in sinnlosen Debatten zu verfangen, bei denen linke und ökologische Positionen immer verlieren. 10/
Gerne teilen, weiterdiskutieren, jammen. Mir geht es nur um die Schlagrichtung. Das Prinzip ist anwendbar auf Wärme, Strom, abgewandelt auch auf Mobilität. Hab aber keine Lust, mich damit vor der Tanke zu filmen. 11/ENDE
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Diese Grafiken mit Partei-CO2-Budgets aus unserer Wahlprogrammanalyse zur #btw21 vom Konzeptwerk @NeueOekonomie kursieren auf Twitter und sorgen für Entsetzen sowie gelegentliche Konfusion und Unmut. #btw21klima
Was steckt dahinter? Eine Einordnung & Erklärung zur Methodik: 1/
Grundlage sind die in den Wahlprogrammen formulierten Zieljahre für Klimaneutralität; außerdem dort angegebene Zwischenziele z.B. für 2030 + 2040. Wir sind davon ausgegangen, dass Emissionen zwischen diesen Zielmarken jeweils linear (= gleichmäßig pro Jahr) reduziert werden. 2/
Daraus lassen sich dann von historischen + gegenwärtigen Emissionen (2021 auf Grundlage letzter Informationen geschätzt) Emissionsmengen für jedes Jahr und damit ein Gesamtbudget berechnen (wir beginnen mit 2022, wenn die neue Regierung voraussichtlich ihr Wirken beginnt). 3/
Die Forderung nach Klimaneutralität in Deutschland bis 2035 als Weg zum 1,5°C-Ziel ist sehr präsent, u.a. bei @FridayForFuture. Grundlage ist ein deutsches Rest-Emissionsbudget von 4,2 Gt CO2.
Leider ist das irreführend & zeigt die Probleme des Prinzips #FollowTheScience. 1/
Die Zahlen beruhen auf einem Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen, eines wissenschaftlichen Beratungsgremiums der Bundesregierung. Hier das Gutachten: umweltrat.de/SharedDocs/Dow… 2/
Klimaschulden - europäischer Wohlstand basiert auf 200 Jahren ungehemmter Selbstbedienung an der Atmosphäre, so bleibt kaum noch CO2-Spielraum für den Rest der Welt - werden dort anerkannt, aber als Kriterium für CO2-Budgets verworfen, weil als politisch chancenlos angesehen. 3/