Warum redet Wladimir Putin fortwährend davon, den Faschismus in der Ukraine zu bekämpfen (was unfassbarer Unsinn, eine infame Lüge ist)? Ein paar Gedanken. (1/x)
Fragt man Russen nach großen historischen Ereignissen, auf die sie stolz sind werden vermutlich die meisten zwei nennen: Juri Gagarins Flug ins All als erster Mensch. Und der Sieg über Nazi-Deutschland am 9. Mai 1945. (2/x)
Mit diesem Datum, dem 9. Mai 1945, endet in Russland nicht etwa der Zweite Weltkrieg, sondern „der Große Vaterländische Krieg“. Wichtig: Das ist nicht dasselbe. (3/x)
Während für die westlichen Alliierten der Krieg am 1. September 1939 beginnt, beginnt er für die Sowjetunion und heute Russland am 22. Juni 1941 - dann nämlich, als Nazi-Deutschland die Sowjetunion überfallen hat. (4/x)
Das ist ein wichtiger Unterschied- dass Hitler und Stalin Europa in einem Pakt in einem Geheimprotokoll unter sich aufgeteilt und Polen überfallen haben (Dtl. am 1.9.39, Sowjetunion am 17.9.39) , ist nichts, was in russischen Schulen gelehrt wird. (5/x)
Die Jahre 1939-1941: eine Leerstelle. Die Sowjetunion: heldenhaft (denn als Opfer durfte man sich auch nicht sehen, öffentliche Trauer hatte keinen Platz in der Erinnerungskultur). (6/x)
Das Heroische lebte fort, das sich aus dem Sieg über den Faschismus speiste. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde dieses Datum dann nochmal so richtig bedeutend. Vor allem unter Wladimir Putin. (7/x)
Man darf nicht vergessen: so gut wie jede sowjetische Familie hatte Opfer zu beklagen. Die Opfer der Sowjetunion, vor allem Belarus und Ukraines, waren fürchterlich. Der 9. Mai 1945 war eine allumfassende Kollektiverfahrung so gut wie aller Sowjetrepubliken (8/x)
Zurück zur Gegenwart: Hatte Jelzin die Paraden noch eher klein gehalten, wurden sie unter Putin so groß wie nie zuvor. (9/x)
Am 9. Mai rollen Raketen, Panzer und das ganze Arsenal an Waffen durch Moskau. Ich habe mich immer gefragt, wie es für Traumatisierte des Weltkrieges sein muss, wenn Panzer durch ihre Stadt rollen und Kampfjets über ihnen lärmen. (10/x)
Der 9. Mai - das ist eine unendlich wertvolle Ressource, die unterschiedlichste Generationen zusammenspannt. Wichtig: Es geht nicht um Opfer - oder selten - und Verluste und Trauer, sondern um Helden. Das Heroische (11/x)
Interessanterweise gab es ein sehr ungewöhnliches Lied des sowjetischen Sängers Mark Bernes (geboren in Odessa!), das von den Opfern und dem Leid und der Trauer handelt. (12/x)
Es ist eine absolute Ausnahme und handelt von einem gebrochenen Soldaten, der zurückkehrt, aber der Feind hat das Zuhause niedergebrannt und die Familie gehört. Hier der Link: (13/x)
Seit vielen Jahren hat der Kreml den 9. Mai und damit den Kampf gegen den Faschismus als unbegrenzte ideologische Ressource entdeckt. Wie sagte mir ein Gesprächspartner? Der Kreml hat die Kontrolle über die Wälder, das Öl und nun auch die Erinnerung (14/x).
Jetzt kommt’s: Der 9. Mai 1945 hat eine Schlüsselstellung für den Kreml. Immer wieder wird darauf zurückgegriffen, wird aktuelle Politik verwoben mit der Vergangenheit. Alles schreibt sich ein in den Kampf gegen den Faschismus, wird zum fortdauernden vaterländischen Krieg. (15/x)
Fallt nicht auf die Behauptung herein, eine Neutralität der Ukraine hätte den russischen Angriffskrieg verhindert.
Drei Argumente, die das meiner Meinung nach widerlegen (1/3):
1. Bündnisneutralität war in der ukrainischen Verfassung verankert, als Russland 2014 Ukraine in einem Tarnkappenkrieg überfiel.
2. Auslöser des Konflikts war nicht ein NATO-Beitritt, sondern ein EU-Assoziierungsabkommen, das nicht unterzeichnet wurde. Maidan begann. (2/3)
3. Die VerbreiterInnen dieser These sollten doch bitte endlich Wladimir Putin beim Wort nehmen.
Er hat oft - schriftlich! - dargelegt, dass Ukraine keine eigenständige Nation ist, sondern ein künstliches Gebilde. Seine Neutralität = Ukraine als russischer Vasallenstaat (3/3).
Wladimir Putin spricht also vom Genozid im Donbas, russische Staatsmedien erzählen von „Lagern“ - aber von wem ist überhaupt die Rede?
Da fängt das Problem schon an. Ein langer Thread. Los geht’s. (1/x)
Geht’s um die Russen im Donbass oder um die Russischsprachigen? Ein wichtiger Unterschied, den der Kreml selbst verwischen will: (2/x)
Der Donbass ist keineswegs mehrheitlich russisch; es gibt einen beachtlichen Anteil an ethnischen Russen, aber sie sind in der Minderheit. Der Donbas ist sehr spezifisch für die Ukraine, wie Professorin Tanja Penter schreibt . (3/x)
Es handelte sich um einen Flug zwischen zwei EU-Staaten (!). Belarussen sind also selbst im Exil nicht sicher, so die Nachricht. Eine solche ruchlose Aktion muss Konsequenzen haben.
Xenia Sobtschak - Tochter des berühmten Sankt Petersburger Bürgermeister Anatolij Sobtschak, in den 90er Jahren Putins Chef, hat 2018 bei den Präsidentschaftswahlen als Spoiler-Kandidatin mitgemacht, offenbar als Belohnung eine Show im Staats-TV bekommen 1/X
In ihrer ersten Talkshow ging es um den Fall der drei Chatschaturjan-Schwestern, denen bis zu 20 Jahre drohen. Sie hatten ihren Tyrannen-Vater getötet. In ihrer Sendung ließ Sobtschak das Martyrium der Familie von Schauspielern nachspielen, während Familie dabei saß. 2/x
TW
Niemand hatte der Mutter drei Schwestern gesagt, dass sie nun live ihrer eigenen nachgestellten Vergewaltigung beiwohnen würde. Während die Bilder gezeigt werden: Nahaufnahme auf das Gesicht der Mutter, die leichenblass wird und mit der Fassung ringt. 3/x