Heute ist #EarthDay2022, es ist der 52. "Earth Day". An keinem Ereignis lassen sich Grundprobleme der Umwelt- und Klimadebatten besser darstellen. Deshalb hier ein paar Schlaglichter ⤵️
Am ersten „Earth Day“, dem 22.4.1970 (Symbolfoto war „Earth Rise“⤴️), protestierten in den USA in Hunderten Städten 20 Millionen Menschen, es war die Geburt der globalen Graswurzelbewegungen für Umweltschutz. Sie war dringend notwendig.
Smog in Großstädten, Ölkatastrophen, Müllberge in der Natur, Artensterben, Waljagd, Gifte auf Feldern und Wiesen – gravierende Umweltprobleme waren schon lange nicht mehr zu verleugnen. Die Graswurzelbewegungen hatten bald Erfolg.
In Verbindung mit antikapitalistischen Sozialbewegungen entfaltete die Umweltbewegung in den USA und in Europa gesellschaftlichen Druck, der in Richtlinien für Reinhaltung von Luft und Wasser mündete, in systematischer Müllräumung und Recycling, in Tierschutzbestimmungen, u.a.
Bald klarten Gewässer und Luft auf, Grenzwerte verhinderten Verunreinigungen in Nahrungsmitteln, Kreislaufwirtschaft linderte das Müllproblem, Tiere und Landschaften wurden unter Schutz gestellt, zusätzliche Spundwände verhinderten manche Ölleckage bei Schiffen etc.
Ein Teil der Umweltbewegung kippte ins Betuliche und Esoterische. Ein anderer Teil machte das Umweltthema politisch nutzbar, indem der bevorstehende ökologische Untergang in Aussicht gestellt und von gesellschaftlichen Systemänderungen abhängig gemacht wurde.
Europäische Staaten wiederum nutzten die großen Umweltsorgen, um ihren nach dem Zweiten Weltkrieg schwindenden Einfluss zu kontern. Sie verankerten die UN-Umweltkonferenzen, die letztlich besonders Entwicklungsländern zugutekamen.
Und Gegner des westlichen Lebensstils kaperten die Umweltforschung, mit Hilfe sympathisierender Wissenschaftler. Ein paar Warnungen aus der Zeit des ersten „Earth Day“ 1970 im Folgenden:
Der Biologe Paul Ehrlich schrieb in seinem Bestseller „Die Bevölkerungsbombe“: „Der Kampf um die Ernährung der gesamten Menschheit ist vorbei. Hunderte Millionen Menschen werden verhungern. Nichts kann einen erheblichen Anstieg der weltweiten Sterblichkeitsrate verhindern".
Ein Regierungsbericht der USA von 1974 beglaubigte seine Schreckensvision, er erörterte Maßnahmen zur Kontrolle des Bevölkerungswachstums in armen Ländern, um „die amerikanische Wirtschaft zu schützen“.
Anlässlich des ersten „Earth Days“ 1970 hatte Ehrlich erklärt, dass zwischen 1980 und 1989 etwa 4 Milliarden Menschen, darunter 65 Millionen Amerikaner, im „Großen Sterben“ umkommen würden.
Der Harvard-Biologe George Wald schätzte Anfang der Siebzigerjahre, dass „die Zivilisation in 15 oder 30 Jahren enden wird, wenn nicht sofort Maßnahmen gegen die Probleme ergriffen werden, mit denen die Menschheit konfrontiert ist.“
Der Biologe Barry Commoner von der Washington University mahnte am ersten „Earth Day“ 1970: „Wir befinden uns in einer Umweltkrise, die das Überleben dieser Nation und der Welt als geeigneten Ort menschlicher Besiedlung bedroht.“
Im Bestseller „Die Grenzen des Wachstums“ sahen Wissenschaftler um Dennis Meadows das Ende der wichtigsten Rohstoffe und den Kollaps der Weltwirtschaft bevorstehen.
Dieser Mahnung konnte die „Bevölkerungsbombe“-Fraktion Positives abgewinnen: Teure Rohstoffe würden katastrophales Wachstum der Menschheit bremsen, hofften Paul Ehrlich und Co (deshalb auch ihre Gegenwehr gegen Kernkraft, die Prosperität der Menschheit begünstigen würde).
Nichts von den Untergangsvisionen ist auch nur annähernd eingetreten, aber Warnungen vor Umweltapokalypsen blieben angesagt. Sie garantieren Aufmerksamkeit und haben keine Downside: Widerlegte Apokalyptiker bleiben gefragte Redner. lemonde.fr/en/opinion/art…
Der Trend ging anders: Zwar wuchs die Weltbevölkerung auf fast 8 Milliarden, aber Hungersnöte wurden seltener. Pro Person stehen ein Drittel mehr Kalorien zur Verfügung als vor 60 Jahren; ärmste Länder verfügen über so viel Kalorien pro Person wie die reichsten Staaten damals.
Nie hungerten weniger Menschen als im vergangenen Jahrzehnt. Noch immer entkommen täglich rund Hunderttausend Menschen extremer Armut. Die Lebenserwartung hat sich in hundert Jahren verdoppelt. Ressourcen sind nicht zur Neige gegangen, trotz der vielen Menschen.
Kurz gesagt geht es dabei darum, dass Knappheit Ressourcen teurer macht, was Kreativität lohnenswert werden lässt, was für neue Ressourcen und für Preisanreize sorgt. Ressourcenverbrauch hat sich bereits von der Wirtschaftsleistung abgekoppelt.
Die „Lösungen“ der Apokalyptiker hingegen – Beschränkung von Bevölkerung, Wachstum und Rohstoffen – erwiesen sich als menschenfeindlich, ja als verbrecherisch (was in deutschen Klassenzimmern und Redaktionsräumen nicht immer angekommen ist).
Global sind auch die Fortschritte im Naturschutz über die vergangenen Jahrzehnte beträchtlich – die „Earth Day“-Bewegungen haben wesentlich dazu beigetragen. Wobei es weiterhin gravierende Umweltprobleme gibt, besonders in den Ozeanen und mit Monokulturen.
Es stellte sich heraus, dass Umweltprobleme erheblich besser in wohlhabenden Ländern gelöst werden können. Arm hingegen bedeutet meist kaputte Umwelt (das ist ebenfalls ein sehr spannendes Thema).
Ähnliches gilt auch für den Klimawandel: Fossile Energien halfen Milliarden Menschen aus der Armut, machten Länder wohlhabend. Wohlstand ermöglicht es nun, neue Energieträger zu entwickeln. In reichen Ländern haben sich CO2-Emissionen vom Wirtschaftswachstum bereits abgekoppelt.
Der „Earth Day“ hat sich gewandelt. Bereits am Earth Day 1990 schrieb die „New York Times“: „Unternehmen haben ihre Argumente fallen gelassen, Umweltverschmutzung gegen Arbeitsplätze zu stellen, wittern Wettbewerbsvorteile, bemühen sich, zu demonstrieren, wie ‚grün‘ sie sind.“
Die Graswurzelbewegungen vom ersten „Earth Day“ 1970 haben also auch erreicht, dass von ihnen bekämpften Großkonzerne von ihnen gemocht werden wollen. Happy Earth Day!
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Apropos #Saharastaub: Auf ihren Gemälden haben berühmte Künstler unwissentlich Veränderungen der Luft festgehalten und damit auch Klimaveränderungen. Das ist ziemlich faszinierend, kurzer Thread⤵️
William Turner malte "Sunset"⤴️nach dem Ausbruch des philippinische Vulkan Babuyan Claro (1831), dessen riesige Partikelwolke das Sonnenlicht auf Jahre hinaus verändert hatte.
Im Gegensatz zu vorigen Gemälden Turners wie etwa "The Lake, Petworth, Sunset" von 1828, das blasser erscheint, entdeckten Wissenschaftler in "Sunset" mehr Rottöne.
ZDF-Terli wettert gegen mich wegen meiner Kritik an seiner Sendung, er hat mich hier längst blockiert.
Seine Behauptungen zu meinem Artikel sind ebenso fehlerhaft wie viele seiner Klimabeiträge im TV. Ein kleiner Thread⤵️
Wir haben meinen Artikel mit meiner Terli-Kritik über das bedrohliche Abschmelzen des Thwaites-Gletschers in der Antarktis grad freigeschaltet, damit sich nun jeder ein eigenes Bild machen kann: welt.de/wissenschaft/a…
Terli behauptet nun, in seinem ZDF-Beitrag ginge es nur ums Schelfeis. In Wirklichkeit sagt er dort, der Gletscher würde "abrutschen und den Meeresspiegel um 65cm heben, ganze Küstenstädte bedrohen". zdf.de/nachrichten/he…
Mein Artikel am Wochenende beschreibt die Gefahr durch den Meeresspiegelanstieg und wie Staaten sich wappnen. Ein guter Anlass, hier mal in ein paar Tweets zu zeigen, wie eindrucksvoll sich #Hamburg bereits vorbereitet hat auf steigende Nordseefluten ⤵️
Hamburg hat seine Innenstadt mit ca. neun Meter hohen Mauern und Toren geschützt, die kaum auffallen, weil sie produktiv in die Stadt integriert wurden. Hier zum Beispiel am Baumwall als Flanier- und Ausruhzone mit Ausblick.
Tiefer liegende Bereiche wie der Fischmarkt sind als Überflutungszonen vorgegeben (deshalb auch bei jedem stärkeren Weststurm die Bilder vom überfluteten Fischmarkt in der Tagesschau und so). Die Oberkante der Mauer soll als Wellenabweiser fungieren.
Es gäbe viel zu berichten über die ernsten Probleme, die der Klimawandel mit sich bringt. Übertreibungen aber sind unverantwortliches Werben um Aufmerksamkeit.
Gerade stand wieder überall,der Klimawandel hätte Naturkatastrophen 5mal häufiger gemacht. Eine schlimme Irreführung ⤵️
Opferzahlen bei Wetterkatastrophen (und Naturkatastrophen allg.) sind extrem zurückgegangen, wg. besserer Infrastruktur/Schutzmaßnahmen etc. (für die Zeit vor 1920 gibt es kaum Daten):
Schäden aufgrund von Wetterkatastrophen bezogen auf den gestiegenen Wohlstand sind leicht rückläufig (Städte stark gewachsen, 3 Milliarden Menschen mehr seit den 80ern, viel mehr Gebäude als früher, deshalb mehr Zerstörungen - aber bezogen auf Werte-Zuwachs weniger Zerstörungen):
Wohl niemand weiß so viel über Wissenschaftsgeschichte wie Ernst Peter Fischer. Deshalb freue ich mich besonders, dass sein neues Buch auf unsere Zusammenarbeit zurückgeht.
Ausgangspunkt war die erstaunliche 350 Jahre alte Liste eines Chemikers...
Vor gut 350 Jahren schrieb Robert Boyle diese Liste von Problemen, von denen er hoffte, die #Wissenschaft würde sie irgendwann lösen. Tatsächlich wurden die meisten der Probleme gelöst: Z.B. Verdopplung der Lebenserwartung, Fliegen, schnellere Reifung von Getreide...
Der @Volksverpetzer hat mir "Fake News" vorgeworfen. Der Text des Autors @DerGraslutscher ist voller gravierender Fehler, keiner seiner wirren Vorwürfe trifft zu.
Ich habe den Fall hier dokumentiert (unter meinem Text, um den es geht):
...keine Presseratsklage möglich, weil der "Volksverpetzer" nicht an den @PresseratDE gebunden ist.
Dass selbsternannte "Faktenprüfer" die Diffamierung unbequemer Journalisten vorhaben, ist nicht neu. Es wird aber häufiger und hilft ihnen beim Crowdfunding.
Der Diffamierungsversuch des "Volksverpetzers" wurde von vielen Leuten geteilt und bejubelt, auch von Journalisten, wie z.B. vom ZDF-Kollegen @doktordab.