Am 20. und 21. Tag im #NSU20-Prozess ging es u.a. um Beamt*innen des 1. Polizeireviers in Frankfurt/M. Geladen war auch Johannes S., der für den Datenabruf von Seda Başay-Yıldız und das erste Drohschreiben gegen sie verantwortlich sein könnte. Thread👇
Der 20. Prozesstag begann mit der Vernehmung der Polizistin Miriam D. vom 1. Revier. Die 37-Jährige erschien mit anwaltlicher Begleitung. Diese sagte, dass D. aufgrund laufender Straf- bzw. Disziplinarverfahren nicht zur Abfrage der Daten von Seda Başay-Yıldız aussagen werde.
Hintergrund der Aussageverweigerung der Zeugin D.: Gegen einige Angehörige des Reviers wurde vor einigen Wochen Anklage aufgrund einer Chatgruppe mit dem Namen „Itiotentreff“ erhoben, in der rassistische und antisemitische Inhalte geteilt wurden.
Bei der zweiten Zeugin handelt es sich um eine Aktivistin aus Berlin, die postalisch durch das LKA darüber informiert wurde, dass sie im „NSU 2.0“-Komplex bedroht werde. Den ganzen Inhalt des Briefes kenne sie nicht, lediglich eine explizit genannte Beleidigung gegen sie.
Im Umgang mit der zweiten Zeugin zeigt sich eine Kontinuität der ermittelnden Behörden, Betroffene spät oder gar nicht über ihre Bedrohungslage zu informieren sowie die betreffenden Schreiben nicht zur Verfügung zu stellen.
Die Zeugin war überrascht auf dem Radar von Rechten zu sein. „Ich habe mich daran erinnert gefühlt, dass Menschen mit ihrer faschistoiden, antisemitischen Naziideologie die Gesellschaft attackieren.“
Der folgende Zeuge K. sagte zu Ermittlungen im 1. Revier zur illegalen Abfrage der Daten von Başay-Yıldız aus. Sie seien u.a. wegen der engen zeitlichen Verbindung zwischen Abfrage und Drohfax davon ausgegangen, dass die Abfrage mit dem Revier, nicht dem Bürgeramt, zusammenhänge.
K. gab an, ihm sei keine Möglichkeit eingefallen, wie die Abfrage zu Başay-Yıldız vor einem realen Hintergrund hätte stattfinden können. Es sei „leider plausibel“, dass mehrere Personen Zugriff auf den Computer mit der Meldesoftware hatten; dies sei damals Gang und Gäbe gewesen.
K. sagte weiter, dass zu Beginn der Ermittlungen lediglich vier Personen im Ermittler*innenkreis gewesen seien, um Querverbindungen zu anderen Kolleg*innen auszuschließen. Auch das LKA sei noch nicht über den Vorfall informiert gewesen.
Auch Başay-Yıldız sei nicht informiert worden, so K., ihr sei lediglich der Name Miriam D. genannt worden, nicht deren beruflicher Hintergrund. Nebenklagevertreterin von der Behrens erklärte, dass es von Relevanz gewesen wäre, ihre Mandantin sofort darüber zu informieren.
Am 21. Tag war dann Johannes S. geladen. Der 33-Jährige aus Kirtorf galt als Hauptverdächtiger, die Daten von Başay-Yıldız und ihrer Familie abgerufen und das erste Drohschreiben an sie verschickt zu haben. Seit Bekanntwerden des Skandals ist er vom Dienst freigestellt.
Im Zeugenstand verbrachte S., der, im Gegensatz zu seiner Kollegin Miriam D. am Vortag ohne anwaltlichen Beistand kam, jedoch nur wenige Momente, da er wie erwartet von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machte. Fragen wollte er keine beantworten.
Zuletzt wurde noch eine Sachverständige Ärztin angehört, die Expertin für Altersdiagnostik ist. Sie erstellte ein Gutachten zu den Inhalten, die auf Alexander M.s Festplatten gefunden wurden, und sollte beurteilen, ob darunter auch Minderjährige abgebildet waren.
Der #NSU20-Prozess wird am 7. Juli vor dem Landgericht #Frankfurt fortgesetzt.
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Im Untersuchungsausschuss "NSU II" des bayerischen Landtags waren heute die Rechtsanwältinnen, Nebenklagevertreter_innen und #NSU-Expertinnen Seda Başay-Yıldız und Antonia von der Behrens geladen. #Thread:
Seda Başay-Yıldız berichtete anhand einiger Beispiele über die falschen Verdächtigungen und die katastrophalen und rassistisch geprägten Ermittlungen, mit denen die Familien der Ermordeten jahrelang gequält und diffamiert wurden.
Ohne dass dafür die geringsten Anhaltspunkte vorgelegen hatten, hätten z.B. nach dem Mord an Mehmet Turgut 2004 sich Ermittler aus dem Bundesgebiet getroffen und "übereinstimmend eingeschätzt, dass eindeutige Faktoren der organisierten Kriminalität vorliegen."
Im #NSU20-Prozess setzte die Staatsanwaltschaft #Frankfurt heute ein deutliches Zeichen: An Aufklärung scheint sie nicht interessiert zu sein. Anstatt unbefangen zu ermitteln, greift sie den LKA-Zeugen an, der akribisch gegen Polizist Johannes S. ermittelte. Details im Thread 👇
Am 15. Prozesstag hatte Nebenklagevertreterin v. d. Behrens erklärt, die Version der Staatsanwaltschaft, der Angeklagte habe bei der Polizei angerufen und sei dadurch an die Daten Betroffener gelangt, habe keine Grundlage mehr. Bericht zum 15. Prozesstag: linksfraktion-hessen.de/rechtsterror/n…
Die Staatsanwaltschaft #Frankfurt entgegnete heute, es sei nicht nachvollziehbar, wie v. d. Behrens darauf komme. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Angeklagte durch Anrufe an die Daten gekommen sein könnte, v.d.Behrens picke sich die "Rosinen" aus den Zeug*innenaussagen.
"Schwarzer Humor" auf dem 1. Polizeirevier #Frankfurt: Was die Beamt*innen im #NSU20-Prozess als "was Lustiges posten" darstellten, wurde von der Nebenklage klar als rassistisch und antisemitisch benannt. Die Vorsitzende Richterin hielt das nicht für verfahrensrelevant. Thread 👇
Zu Beginn wurde der Beamte Tim W. befragt. Er sei am Tag der Datenabfrage von Seda Başay-Yıldız (2.8.18) gemeinsam mit Johannes S. im Streifendienst unterwegs gewesen. Zum genauen Zeitpunkt der Datenabfrage sei er mit ihm an der Hauptwache im Einsatz gewesen.
Dies wurde durch das Gericht versucht, anhand eines Protokollzettels nachzuvollziehen, welche die Beamt*innen händisch ausfüllen und an ihren Vorgesetzten weitergeben. Dieser werde aus der Erinnerung ausgefüllt und könne deshalb auch manchmal falsch eingetragen worden sein, so W.
Durch den #NSU20-Prozess wird klar: Es wurde nicht ausreichend gegen mglw. beteiligte Polizist*innen ermittelt, ein Netzwerk wurde nicht in Betracht gezogen, die Betroffenen weder informiert noch ernst genommen. Wir haben die Erkenntnisse der letzten Wochen zusammengestellt.🧵
Im Prozess gegen Alexander M. in Frankfurt werden die Zusammenhänge und das Ausmaß der Drohmailserien erst durch die Aussagen der Betroffenen und die Aufklärungsbemühungen der Nebenklage klar. #NSU20
Nebenklägerin Martina Renner hat den Eindruck, als hätten sich verschiedene Drohserien einen „Staffelstab“ übergeben. So habe sie zunächst Mails von der „Nationalsozialistischen Offensive“ („#NSO“) bekommen, dann vom „Staatsstreichorchester“ und anschließend vom „#NSU 2.0″.
Im #NSU20-Prozess zeigte sich gestern, dass die Polizei nicht nur nicht richtig ermittelt hat, sondern auch Betroffene nicht über die Gefährdung informierte: Ferat Koçak erfuhr erst wegen seiner Aussage von weiteren Drohungen gegen ihn. Unser Thread zum 7. Prozesstag👇
Bei ihrer heutigen Vernehmung haben Anne Helm und Ferat Koçak die Auswirkungen der #NSU20 Drohschreiben auf ihr Leben beschrieben und einen möglichen Zusammenhang mit der rechten Anschlagsserie in Neukölln betont. Dabei kamen auch einige Fragen zur Arbeit der Polizei auf.
Helm sagte, dass sie die hess. Polizei auf diesen Zusammenhang hingewiesen hat, da sie selbst Betroffene der Anschlagsserie war. Koçak sagte, dass er vom LKA nur über eine einzige Drohung informiert wurde, diese Woche erst habe er von weiteren erfahren. linksfraktion.berlin/aktuelles/pres…
Alles richtig gemacht? Der Mord an Walter #Lübcke wurde weder verhindert noch vollständig aufgeklärt! Beim Lübcke-Untersuchungsausschuss konnte sich heute ein eigenes Bild von den Behörden-Behauptungen gemacht werden. Es zeigt sich: Die Ermittlungen haben große Lücken. Thread👇
Der erste Zeuge des Tages war Oberstaatsanwalt Dieter Killmer, der die Ermittlungen beim GBA nach dem Mord an Walter #Lübcke leitete. Er vertrat den GBA auch im Prozess zum Mord an Lübcke und zum Angriff auf Ahmed I., der vor einem Jahr endete.
Zur Erinnerung: Der Prozess zum Mord an Walter #Lübcke und zum Angriff auf Ahmed I. endete mit einem Quasi-Freispruch für Markus Hartmann wegen Beihilfe zum Lübcke-Mord und einem Freispruch für Stephan Ernst wegen des Angriffs auf Ahmed I.